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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

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Alpenspitzen.
zerrüttet, daß er böse Folgen befürchten ließ. Welch unendliche Gefühle
der Freude uns elektrisch durchströmten, als wir bei unserem Spähen
an einer Stelle den Schnee erst wenig, dann immer entschiedener
sich bewegen sahen, als nach einigen Augenblicken einer der verloren
Geglaubten sich daraus hervorwand, ist nicht zu beschreiben. Ein
jubelndes Hurrah! begrüßte ihn und es verdoppelte sich, als nach
kurzer Frist wir noch einen Zweiten sich emporkämpfen sahen.
Schon loderte unsere Hoffnung in hellen Flammen auf, auch die
noch fehlenden drei Anderen erscheinen zu sehen; -- es war ver¬
geblich." -- Nach langen, mühevollen, aber erfolglosen Nachforschun¬
gen, so weit solche bei dem gänzlichen Mangel an Schaufeln und
ähnlichen Werkzeugen möglich waren, trat die ganze Gesellschaft,
so nahe dem Ziele, in trübster Stimmung den Rückweg an, weil
die Führer erklärten, daß unabweisbar neue Schneerutsche auf die¬
sen folgen würden, namentlich in jenen Gegenden, die noch zu
durchwandern seien. Abends 9 Uhr langte die Karavane mit der
Schreckensbotschaft im Thale an. Jene drei Opfer aber schlafen
den Todesschlaf in den Eiskellern des Montblanc.

Es sind jedoch nicht diese den Grundlauinen verwandten Schnee¬
rutsche allein, die den Wanderer in bedeutenden Höhen bedrohen,
sondern auch zu Häupten desselben losbrechende, eigentliche Lauinen
und Eisbrüche können ihn begraben oder erschlagen. Eine allen
Berggängern bekannte, sehr berüchtigte Stelle dieser Art ist die
s. g. Schneerose oder Schneerunse am Tödi. Es ist ein kleines, etwa
1/2 Stunde langes Felsenthal unter der "Gelben Wand", welches
von einer, in beträchtlicher Höhe senkrecht abgerissenen, gewaltigen
Eismauer geschlossen wird. Von letzterer stürzen zeitweise große
Eisblöcke herab, die in furchtbaren Sprüngen bis an das untere
Ende des Thales rollen. Da eine Wanderung durch die Schnee¬
rose stets mit einiger Gefahr verbunden ist, so eilen die Tödistei¬
ger stets auf das Drängendste, diese heillose Stätte in möglichst
kürzester Frist zu passiren. Dr. Hegetschwyler von Zürich, den be¬

Alpenſpitzen.
zerrüttet, daß er böſe Folgen befürchten ließ. Welch unendliche Gefühle
der Freude uns elektriſch durchſtrömten, als wir bei unſerem Spähen
an einer Stelle den Schnee erſt wenig, dann immer entſchiedener
ſich bewegen ſahen, als nach einigen Augenblicken einer der verloren
Geglaubten ſich daraus hervorwand, iſt nicht zu beſchreiben. Ein
jubelndes Hurrah! begrüßte ihn und es verdoppelte ſich, als nach
kurzer Friſt wir noch einen Zweiten ſich emporkämpfen ſahen.
Schon loderte unſere Hoffnung in hellen Flammen auf, auch die
noch fehlenden drei Anderen erſcheinen zu ſehen; — es war ver¬
geblich.“ — Nach langen, mühevollen, aber erfolgloſen Nachforſchun¬
gen, ſo weit ſolche bei dem gänzlichen Mangel an Schaufeln und
ähnlichen Werkzeugen möglich waren, trat die ganze Geſellſchaft,
ſo nahe dem Ziele, in trübſter Stimmung den Rückweg an, weil
die Führer erklärten, daß unabweisbar neue Schneerutſche auf die¬
ſen folgen würden, namentlich in jenen Gegenden, die noch zu
durchwandern ſeien. Abends 9 Uhr langte die Karavane mit der
Schreckensbotſchaft im Thale an. Jene drei Opfer aber ſchlafen
den Todesſchlaf in den Eiskellern des Montblanc.

Es ſind jedoch nicht dieſe den Grundlauinen verwandten Schnee¬
rutſche allein, die den Wanderer in bedeutenden Höhen bedrohen,
ſondern auch zu Häupten deſſelben losbrechende, eigentliche Lauinen
und Eisbrüche können ihn begraben oder erſchlagen. Eine allen
Berggängern bekannte, ſehr berüchtigte Stelle dieſer Art iſt die
ſ. g. Schneeroſe oder Schneerunſe am Tödi. Es iſt ein kleines, etwa
½ Stunde langes Felſenthal unter der „Gelben Wand“, welches
von einer, in beträchtlicher Höhe ſenkrecht abgeriſſenen, gewaltigen
Eismauer geſchloſſen wird. Von letzterer ſtürzen zeitweiſe große
Eisblöcke herab, die in furchtbaren Sprüngen bis an das untere
Ende des Thales rollen. Da eine Wanderung durch die Schnee¬
roſe ſtets mit einiger Gefahr verbunden iſt, ſo eilen die Tödiſtei¬
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[268/0302] Alpenſpitzen. zerrüttet, daß er böſe Folgen befürchten ließ. Welch unendliche Gefühle der Freude uns elektriſch durchſtrömten, als wir bei unſerem Spähen an einer Stelle den Schnee erſt wenig, dann immer entſchiedener ſich bewegen ſahen, als nach einigen Augenblicken einer der verloren Geglaubten ſich daraus hervorwand, iſt nicht zu beſchreiben. Ein jubelndes Hurrah! begrüßte ihn und es verdoppelte ſich, als nach kurzer Friſt wir noch einen Zweiten ſich emporkämpfen ſahen. Schon loderte unſere Hoffnung in hellen Flammen auf, auch die noch fehlenden drei Anderen erſcheinen zu ſehen; — es war ver¬ geblich.“ — Nach langen, mühevollen, aber erfolgloſen Nachforſchun¬ gen, ſo weit ſolche bei dem gänzlichen Mangel an Schaufeln und ähnlichen Werkzeugen möglich waren, trat die ganze Geſellſchaft, ſo nahe dem Ziele, in trübſter Stimmung den Rückweg an, weil die Führer erklärten, daß unabweisbar neue Schneerutſche auf die¬ ſen folgen würden, namentlich in jenen Gegenden, die noch zu durchwandern ſeien. Abends 9 Uhr langte die Karavane mit der Schreckensbotſchaft im Thale an. Jene drei Opfer aber ſchlafen den Todesſchlaf in den Eiskellern des Montblanc. Es ſind jedoch nicht dieſe den Grundlauinen verwandten Schnee¬ rutſche allein, die den Wanderer in bedeutenden Höhen bedrohen, ſondern auch zu Häupten deſſelben losbrechende, eigentliche Lauinen und Eisbrüche können ihn begraben oder erſchlagen. Eine allen Berggängern bekannte, ſehr berüchtigte Stelle dieſer Art iſt die ſ. g. Schneeroſe oder Schneerunſe am Tödi. Es iſt ein kleines, etwa ½ Stunde langes Felſenthal unter der „Gelben Wand“, welches von einer, in beträchtlicher Höhe ſenkrecht abgeriſſenen, gewaltigen Eismauer geſchloſſen wird. Von letzterer ſtürzen zeitweiſe große Eisblöcke herab, die in furchtbaren Sprüngen bis an das untere Ende des Thales rollen. Da eine Wanderung durch die Schnee¬ roſe ſtets mit einiger Gefahr verbunden iſt, ſo eilen die Tödiſtei¬ ger ſtets auf das Drängendſte, dieſe heilloſe Stätte in möglichſt kürzeſter Friſt zu paſſiren. Dr. Hegetſchwyler von Zürich, den be¬

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Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/302>, abgerufen am 24.11.2024.