Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Alpenspitzen. jäger Peter Moor von Gadmen in einen Gletscher-Schlund, aberdennoch so glücklich, daß er auf einen Eisvorsprung zu stehen kam und dort sich halten konnte. Unten in grausiger Tiefe rauschten strudelnde Gewässer, und kalte eisige Luft wehte aus dem Abgrunde herauf. Sonderbarerweise hörte er die Zurufe seiner Kameraden scharf und deutlich, ohne daß dagegen diese seine laut geschrienen Antworten verstehen konnten. Um nun den verunglückten Freund zu retten, eilten die Anderen vier Stunden weit, bis zu den ersten Häusern, hinab und kehrten erst gegen Abend mit dem Rettungs¬ material zurück. Nachdem der halberstarrte Mann in der Eisgruft den ihm zugeworfenen Strick fest um seinen Körper geschlungen hatte und frei-schwebend einige Fuß hoch, gezogen worden war, riß derselbe und der Unglückliche stürzte abermals auf den Absatz zurück. Jetzt war das Seil zu kurz, weil dessen eine Hälfte sich drunten befand; es blieb darum nichts Anderes übrig als nochmals den vierstündigen Weg bei Nacht hin und zurück zu machen, um endlich am anderen Morgen den lebendig Begrabenen mit einem kräftigeren Seil nach 16stündiger Angst zu erlösen. -- Noch wunderbarer ist folgender Fall: Christian Bohren kam am 7. Juli 1787 in Begleitung des Taglöhners In-Aebnit über den zwischen dem Wetterhorn und dem Mettenberg liegenden Oberen Grindelwald-Gletscher, im Begriff, Schaafe und Geißen an den Mettenberg zu führen, als plötzlich eine Schneebrücke unter ihm einbrach und er in einen 64 Fuß tiefen Gletscher-Riß hinabstürzte. Er brach den Arm und fiel die Hand aus dem Gelenk; dennoch verlor er die Geistesgegenwart nicht. Glücklicherweise fand er unterm Gletscher eine Oeffnung, welche der vom Wetterhorn herabfließende Weißbach ausgegraben hatte. Durch diesen 130 Fuß langen Stollen kroch er mühsam dem Laufe des Wassers unterm Eise entgegen und entging auf diese Weise dem Schicksal, lebendig begraben, verhungern zu müssen. De Saussure, als er im Juli 1778 von der Aiguille du Alpenſpitzen. jäger Peter Moor von Gadmen in einen Gletſcher-Schlund, aberdennoch ſo glücklich, daß er auf einen Eisvorſprung zu ſtehen kam und dort ſich halten konnte. Unten in grauſiger Tiefe rauſchten ſtrudelnde Gewäſſer, und kalte eiſige Luft wehte aus dem Abgrunde herauf. Sonderbarerweiſe hörte er die Zurufe ſeiner Kameraden ſcharf und deutlich, ohne daß dagegen dieſe ſeine laut geſchrienen Antworten verſtehen konnten. Um nun den verunglückten Freund zu retten, eilten die Anderen vier Stunden weit, bis zu den erſten Häuſern, hinab und kehrten erſt gegen Abend mit dem Rettungs¬ material zurück. Nachdem der halberſtarrte Mann in der Eisgruft den ihm zugeworfenen Strick feſt um ſeinen Körper geſchlungen hatte und frei-ſchwebend einige Fuß hoch, gezogen worden war, riß derſelbe und der Unglückliche ſtürzte abermals auf den Abſatz zurück. Jetzt war das Seil zu kurz, weil deſſen eine Hälfte ſich drunten befand; es blieb darum nichts Anderes übrig als nochmals den vierſtündigen Weg bei Nacht hin und zurück zu machen, um endlich am anderen Morgen den lebendig Begrabenen mit einem kräftigeren Seil nach 16ſtündiger Angſt zu erlöſen. — Noch wunderbarer iſt folgender Fall: Chriſtian Bohren kam am 7. Juli 1787 in Begleitung des Taglöhners In-Aebnit über den zwiſchen dem Wetterhorn und dem Mettenberg liegenden Oberen Grindelwald-Gletſcher, im Begriff, Schaafe und Geißen an den Mettenberg zu führen, als plötzlich eine Schneebrücke unter ihm einbrach und er in einen 64 Fuß tiefen Gletſcher-Riß hinabſtürzte. Er brach den Arm und fiel die Hand aus dem Gelenk; dennoch verlor er die Geiſtesgegenwart nicht. Glücklicherweiſe fand er unterm Gletſcher eine Oeffnung, welche der vom Wetterhorn herabfließende Weißbach ausgegraben hatte. Durch dieſen 130 Fuß langen Stollen kroch er mühſam dem Laufe des Waſſers unterm Eiſe entgegen und entging auf dieſe Weiſe dem Schickſal, lebendig begraben, verhungern zu müſſen. De Sauſſure, als er im Juli 1778 von der Aiguille du <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0292" n="258"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Alpenſpitzen</hi>.<lb/></fw>jäger Peter Moor von Gadmen in einen Gletſcher-Schlund, aber<lb/> dennoch ſo glücklich, daß er auf einen Eisvorſprung zu ſtehen kam<lb/> und dort ſich halten konnte. Unten in grauſiger Tiefe rauſchten<lb/> ſtrudelnde Gewäſſer, und kalte eiſige Luft wehte aus dem Abgrunde<lb/> herauf. 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Alpenſpitzen.
jäger Peter Moor von Gadmen in einen Gletſcher-Schlund, aber
dennoch ſo glücklich, daß er auf einen Eisvorſprung zu ſtehen kam
und dort ſich halten konnte. Unten in grauſiger Tiefe rauſchten
ſtrudelnde Gewäſſer, und kalte eiſige Luft wehte aus dem Abgrunde
herauf. Sonderbarerweiſe hörte er die Zurufe ſeiner Kameraden
ſcharf und deutlich, ohne daß dagegen dieſe ſeine laut geſchrienen
Antworten verſtehen konnten. Um nun den verunglückten Freund
zu retten, eilten die Anderen vier Stunden weit, bis zu den erſten
Häuſern, hinab und kehrten erſt gegen Abend mit dem Rettungs¬
material zurück. Nachdem der halberſtarrte Mann in der Eisgruft
den ihm zugeworfenen Strick feſt um ſeinen Körper geſchlungen hatte
und frei-ſchwebend einige Fuß hoch, gezogen worden war, riß derſelbe
und der Unglückliche ſtürzte abermals auf den Abſatz zurück. Jetzt
war das Seil zu kurz, weil deſſen eine Hälfte ſich drunten befand;
es blieb darum nichts Anderes übrig als nochmals den vierſtündigen
Weg bei Nacht hin und zurück zu machen, um endlich am anderen
Morgen den lebendig Begrabenen mit einem kräftigeren Seil nach
16ſtündiger Angſt zu erlöſen. — Noch wunderbarer iſt folgender
Fall: Chriſtian Bohren kam am 7. Juli 1787 in Begleitung des
Taglöhners In-Aebnit über den zwiſchen dem Wetterhorn und dem
Mettenberg liegenden Oberen Grindelwald-Gletſcher, im Begriff,
Schaafe und Geißen an den Mettenberg zu führen, als plötzlich
eine Schneebrücke unter ihm einbrach und er in einen 64 Fuß
tiefen Gletſcher-Riß hinabſtürzte. Er brach den Arm und fiel die
Hand aus dem Gelenk; dennoch verlor er die Geiſtesgegenwart
nicht. Glücklicherweiſe fand er unterm Gletſcher eine Oeffnung,
welche der vom Wetterhorn herabfließende Weißbach ausgegraben
hatte. Durch dieſen 130 Fuß langen Stollen kroch er mühſam
dem Laufe des Waſſers unterm Eiſe entgegen und entging auf
dieſe Weiſe dem Schickſal, lebendig begraben, verhungern zu müſſen.
De Sauſſure, als er im Juli 1778 von der Aiguille du
Midi herabſtieg, brach plötzlich durch den Schnee mit beiden Füßen
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