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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

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Alpenspitzen.
gieb wohl kaum eine namhafte bedeutende Alpenspitze, deren Ba¬
sis nicht von einem Eisstrom umschlungen ist oder an deren Flan¬
ken nicht ein solcher mehr oder minder ausgebildet herabgleitet. --
Das Umgehen der Spalten ist, wo man den Gletscher übersehen
kann, eine zwar langweilige, aber in der Regel gefahrlose Aufgabe.
Indessen giebt es auch ungleiche, gewissermaßen gehügelte Gletscher,
wie z. B. ob dem Glacier de la Vanoise (zwischen Mont Cenis
und dem Iserethal), auf denen man durchaus keine bestimmten Di¬
rektionslinien einhalten kann. Die Verirrung auf einem solchen
querspaltenreichen Gletscherfelde kann unter Umständen in die ge¬
fährlichsten Situationen führen, weil bei der fast absoluten Aehn¬
lichkeit der Spalten untereinander das Erkennen einer zweckdien¬
lichen Avancir-Linie ebenso schwer ist als das Wiederherausfinden
des Rückweges. Ueberfällt Unkundige in solch einem Labyrinth der
Nebel, dann dürfen sie von großem Glück sagen, wenn sie sich her¬
ausfinden.

Höchst wahrscheinlich sind die Ende August 1849 mysteriös
auf dem Griesgletscher (Paß aus Ober-Wallis nach dem Val
Formazza) verschwundenen Reisenden (Gebrüder Leonard aus Paris
und Dr. Wolfrath aus Frankfurt), -- von denen man eine Zeit¬
lang fabelte, der ehemalige Grimselwirth Peter Zybach habe sie berau¬
ben und ermorden lassen, -- einem solchen Umstande erlegen. Je
später im Sommer man die Gletscher-Region betritt, um so zer¬
klüfteter wird man dieselbe antreffen.

Nicht minder gefährlich als die Gletscherspalten sind die un¬
kennbar dieselben überwölbenden s. g. Schneebrücken. Sie ent¬
stehen bei andauerndem Schneefall durch die gleiche wunderbare
Aggregation einzelner Flocken und Eiskryställchen, welche auch im
Tieflande den Gartengeländern oder einzeln stehenden Pfählen und
Pfosten schiefe überhängende Schneehauben aufsetzt oder im Ge¬
birge die lauinen-veranlassenden Schneeschilder formt. Wenn der
ganze Gletscher von neugefallenem Schnee bedeckt ist, so sind solche

Alpenſpitzen.
gieb wohl kaum eine namhafte bedeutende Alpenſpitze, deren Ba¬
ſis nicht von einem Eisſtrom umſchlungen iſt oder an deren Flan¬
ken nicht ein ſolcher mehr oder minder ausgebildet herabgleitet. —
Das Umgehen der Spalten iſt, wo man den Gletſcher überſehen
kann, eine zwar langweilige, aber in der Regel gefahrloſe Aufgabe.
Indeſſen giebt es auch ungleiche, gewiſſermaßen gehügelte Gletſcher,
wie z. B. ob dem Glacier de la Vanoise (zwiſchen Mont Cenis
und dem Iſèrethal), auf denen man durchaus keine beſtimmten Di¬
rektionslinien einhalten kann. Die Verirrung auf einem ſolchen
querſpaltenreichen Gletſcherfelde kann unter Umſtänden in die ge¬
fährlichſten Situationen führen, weil bei der faſt abſoluten Aehn¬
lichkeit der Spalten untereinander das Erkennen einer zweckdien¬
lichen Avancir-Linie ebenſo ſchwer iſt als das Wiederherausfinden
des Rückweges. Ueberfällt Unkundige in ſolch einem Labyrinth der
Nebel, dann dürfen ſie von großem Glück ſagen, wenn ſie ſich her¬
ausfinden.

Höchſt wahrſcheinlich ſind die Ende Auguſt 1849 myſteriös
auf dem Griesgletſcher (Paß aus Ober-Wallis nach dem Val
Formazza) verſchwundenen Reiſenden (Gebrüder Leonard aus Paris
und Dr. Wolfrath aus Frankfurt), — von denen man eine Zeit¬
lang fabelte, der ehemalige Grimſelwirth Peter Zybach habe ſie berau¬
ben und ermorden laſſen, — einem ſolchen Umſtande erlegen. Je
ſpäter im Sommer man die Gletſcher-Region betritt, um ſo zer¬
klüfteter wird man dieſelbe antreffen.

Nicht minder gefährlich als die Gletſcherſpalten ſind die un¬
kennbar dieſelben überwölbenden ſ. g. Schneebrücken. Sie ent¬
ſtehen bei andauerndem Schneefall durch die gleiche wunderbare
Aggregation einzelner Flocken und Eiskryſtällchen, welche auch im
Tieflande den Gartengeländern oder einzeln ſtehenden Pfählen und
Pfoſten ſchiefe überhängende Schneehauben aufſetzt oder im Ge¬
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[256/0290] Alpenſpitzen. gieb wohl kaum eine namhafte bedeutende Alpenſpitze, deren Ba¬ ſis nicht von einem Eisſtrom umſchlungen iſt oder an deren Flan¬ ken nicht ein ſolcher mehr oder minder ausgebildet herabgleitet. — Das Umgehen der Spalten iſt, wo man den Gletſcher überſehen kann, eine zwar langweilige, aber in der Regel gefahrloſe Aufgabe. Indeſſen giebt es auch ungleiche, gewiſſermaßen gehügelte Gletſcher, wie z. B. ob dem Glacier de la Vanoise (zwiſchen Mont Cenis und dem Iſèrethal), auf denen man durchaus keine beſtimmten Di¬ rektionslinien einhalten kann. Die Verirrung auf einem ſolchen querſpaltenreichen Gletſcherfelde kann unter Umſtänden in die ge¬ fährlichſten Situationen führen, weil bei der faſt abſoluten Aehn¬ lichkeit der Spalten untereinander das Erkennen einer zweckdien¬ lichen Avancir-Linie ebenſo ſchwer iſt als das Wiederherausfinden des Rückweges. Ueberfällt Unkundige in ſolch einem Labyrinth der Nebel, dann dürfen ſie von großem Glück ſagen, wenn ſie ſich her¬ ausfinden. Höchſt wahrſcheinlich ſind die Ende Auguſt 1849 myſteriös auf dem Griesgletſcher (Paß aus Ober-Wallis nach dem Val Formazza) verſchwundenen Reiſenden (Gebrüder Leonard aus Paris und Dr. Wolfrath aus Frankfurt), — von denen man eine Zeit¬ lang fabelte, der ehemalige Grimſelwirth Peter Zybach habe ſie berau¬ ben und ermorden laſſen, — einem ſolchen Umſtande erlegen. Je ſpäter im Sommer man die Gletſcher-Region betritt, um ſo zer¬ klüfteter wird man dieſelbe antreffen. Nicht minder gefährlich als die Gletſcherſpalten ſind die un¬ kennbar dieſelben überwölbenden ſ. g. Schneebrücken. Sie ent¬ ſtehen bei andauerndem Schneefall durch die gleiche wunderbare Aggregation einzelner Flocken und Eiskryſtällchen, welche auch im Tieflande den Gartengeländern oder einzeln ſtehenden Pfählen und Pfoſten ſchiefe überhängende Schneehauben aufſetzt oder im Ge¬ birge die lauinen-veranlaſſenden Schneeſchilder formt. Wenn der ganze Gletſcher von neugefallenem Schnee bedeckt iſt, ſo ſind ſolche

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Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/290>, abgerufen am 28.11.2024.