Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Alpenglühen. empfangen. So durchdringt die abendliche Sonnengluth die halbdurch¬sichtige Oberfläche der Firnmasse und sammelt dadurch eine Strahlen- Anhäufung, eine entwickelte Lichtmenge, wie sie in keinem anderen Gegenstande, das durchsichtige Wasser und die zu Wolken verdich¬ teten Dünste ausgenommen, sich konzentriren kann. Wie außeror¬ dentlich die Reflexionsfähigkeit der Eisnädelchen ist, aus denen der Schnee besteht, können wir an kalten Sonnenscheintagen im Win¬ ter wahrnehmen, wenn der Wind lockeren Schneestaub aufjagt und dieser wie Diamanten funkelnd in der Luft umherirrt. Der zweite, mächtigere, das Alpenglühen ganz besonders be¬ Alpenglühen. empfangen. So durchdringt die abendliche Sonnengluth die halbdurch¬ſichtige Oberfläche der Firnmaſſe und ſammelt dadurch eine Strahlen- Anhäufung, eine entwickelte Lichtmenge, wie ſie in keinem anderen Gegenſtande, das durchſichtige Waſſer und die zu Wolken verdich¬ teten Dünſte ausgenommen, ſich konzentriren kann. Wie außeror¬ dentlich die Reflexionsfähigkeit der Eisnädelchen iſt, aus denen der Schnee beſteht, können wir an kalten Sonnenſcheintagen im Win¬ ter wahrnehmen, wenn der Wind lockeren Schneeſtaub aufjagt und dieſer wie Diamanten funkelnd in der Luft umherirrt. Der zweite, mächtigere, das Alpenglühen ganz beſonders be¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0276" n="244"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Alpenglühen</hi>.<lb/></fw> empfangen. So durchdringt die abendliche Sonnengluth die halbdurch¬<lb/> ſichtige Oberfläche der Firnmaſſe und ſammelt dadurch eine Strahlen-<lb/> Anhäufung, eine entwickelte Lichtmenge, wie ſie in keinem anderen<lb/> Gegenſtande, das durchſichtige Waſſer und die zu Wolken verdich¬<lb/> teten Dünſte ausgenommen, ſich konzentriren kann. Wie außeror¬<lb/> dentlich die Reflexionsfähigkeit der Eisnädelchen iſt, aus denen der<lb/> Schnee beſteht, können wir an kalten Sonnenſcheintagen im Win¬<lb/> ter wahrnehmen, wenn der Wind lockeren Schneeſtaub aufjagt und<lb/> dieſer wie Diamanten funkelnd in der Luft umherirrt.</p><lb/> <p>Der zweite, mächtigere, das Alpenglühen ganz beſonders be¬<lb/> fördernde Umſtand iſt in der hohen Lage der Schneegipfel zu der<lb/> tiefen Sonnenſtellung zu ſuchen. Jener meteorologiſche Proceß, wel¬<lb/> cher die Abendröthe in der Atmoſphäre veranlaßt, giebt auch den<lb/> Firnen ihre Gluth. Wenn wir auf hohem Berge ſtehen, ſo ſehen<lb/> wir die Sonne als ſtrahlenloſe, hochrothe Kugel hinabſinken, wäh¬<lb/> rend ſie den Bewohnern der Ebene nur tiefgelb, aber in voller<lb/> ſtrahlenſchießender Glorie entſchwindet. Die Urſache dieſer ſchein¬<lb/> baren Farbenveränderung rührt von den, in den unterſten Schichten<lb/> der Atmoſphäre, bei der raſchen, abendlichen Abkühlung in verdich¬<lb/> teten Zuſtand übergehenden Dünſten her, welche, wie alle Waſſer¬<lb/> dämpfe, nach den Erfahrungen der Optik vorzugsweiſe die rothe<lb/> Seite des Spektrums durchlaſſen. Je länger nun die Linie iſt,<lb/> welche der Sonnenſtrahl durch die, mit kondenſirten Waſſergaſen<lb/> gefüllte Atmoſphäre zu machen hat, deſto intenſiver erſcheint auch<lb/> die rothe Färbung, — alſo, je höher der Punkt liegt, welcher von<lb/> der untergehenden Sonne beleuchtet wird, deſto kräftiger und<lb/> feuriger wird auch ſeine Abendbeleuchtung bei wolkenfreiem Him¬<lb/> mel ſein. Aber dieſe beiden Momente würden dennoch den maje¬<lb/> ſtätiſchen Lichteffekt des Alpenglühens nicht in dem erhöhten Maaße<lb/> erreichen, wenn nicht noch eine dritte, okulartäuſchende Helfershel¬<lb/> ferin dabei mitwirkte, nämlich die auffallende Farbendifferenz zwi¬<lb/> ſchen der im Blaudunkel des Erdſchattens bereits verſenkten Tiefe<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [244/0276]
Alpenglühen.
empfangen. So durchdringt die abendliche Sonnengluth die halbdurch¬
ſichtige Oberfläche der Firnmaſſe und ſammelt dadurch eine Strahlen-
Anhäufung, eine entwickelte Lichtmenge, wie ſie in keinem anderen
Gegenſtande, das durchſichtige Waſſer und die zu Wolken verdich¬
teten Dünſte ausgenommen, ſich konzentriren kann. Wie außeror¬
dentlich die Reflexionsfähigkeit der Eisnädelchen iſt, aus denen der
Schnee beſteht, können wir an kalten Sonnenſcheintagen im Win¬
ter wahrnehmen, wenn der Wind lockeren Schneeſtaub aufjagt und
dieſer wie Diamanten funkelnd in der Luft umherirrt.
Der zweite, mächtigere, das Alpenglühen ganz beſonders be¬
fördernde Umſtand iſt in der hohen Lage der Schneegipfel zu der
tiefen Sonnenſtellung zu ſuchen. Jener meteorologiſche Proceß, wel¬
cher die Abendröthe in der Atmoſphäre veranlaßt, giebt auch den
Firnen ihre Gluth. Wenn wir auf hohem Berge ſtehen, ſo ſehen
wir die Sonne als ſtrahlenloſe, hochrothe Kugel hinabſinken, wäh¬
rend ſie den Bewohnern der Ebene nur tiefgelb, aber in voller
ſtrahlenſchießender Glorie entſchwindet. Die Urſache dieſer ſchein¬
baren Farbenveränderung rührt von den, in den unterſten Schichten
der Atmoſphäre, bei der raſchen, abendlichen Abkühlung in verdich¬
teten Zuſtand übergehenden Dünſten her, welche, wie alle Waſſer¬
dämpfe, nach den Erfahrungen der Optik vorzugsweiſe die rothe
Seite des Spektrums durchlaſſen. Je länger nun die Linie iſt,
welche der Sonnenſtrahl durch die, mit kondenſirten Waſſergaſen
gefüllte Atmoſphäre zu machen hat, deſto intenſiver erſcheint auch
die rothe Färbung, — alſo, je höher der Punkt liegt, welcher von
der untergehenden Sonne beleuchtet wird, deſto kräftiger und
feuriger wird auch ſeine Abendbeleuchtung bei wolkenfreiem Him¬
mel ſein. Aber dieſe beiden Momente würden dennoch den maje¬
ſtätiſchen Lichteffekt des Alpenglühens nicht in dem erhöhten Maaße
erreichen, wenn nicht noch eine dritte, okulartäuſchende Helfershel¬
ferin dabei mitwirkte, nämlich die auffallende Farbendifferenz zwi¬
ſchen der im Blaudunkel des Erdſchattens bereits verſenkten Tiefe
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