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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

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Das Alpengebäude.
Anhaltepunkt, um einen nur einigermaßen entsprechenden Begriff
für jene welterschütternden Epochen zu bilden? Vertausendfachten
wir den furchtbarsten Aufruhr des wildesten Gewitters, welches die
gesteigerte Phantasie auszumalen im Stande ist, -- dächten wir
uns alle Feuerschlünde der zur Kriegsführung der Völker auf Er¬
den existirenden Geschütze auf einer Stelle versammelt, auf ein
Kommandowort losgebrannt -- wie nichtig würden sie immerhin
noch im Verhältniß zu jenen Momenten sein, in welchen die noch
Milliarden und abermals Milliarden von Kubikklastern fester Ge¬
steine der Central-Alpen aus ihren Fugen gerissen zerbarsten, und
zersprengt, himmelhoch aufgerichtet oder übereinander geworfen
wurden?

-- -- zur Zeit, als noch ein Flammenbrand
Gen Himmel lohte aus der Berge Kuppen,
Als sich in Schmerz die Erde kreisend wand.
Formlos geballt lag sie in wilden Gruppen;
In Fluthendrang und durch der Flamme Kraft
Sollt' sie verklärt, ein Phönix, sich entpuppen.
Und Alles, was sie schuf, war riesenhaft.

Es hat die größte Wahrscheinlichkeit für sich, daß die meisten
der erdgestaltenden Vorgänge langsam, sehr langsam sich ent¬
wickelt haben mögen. Denn zuverlässig ist der Härtezustand der
Gesteine während der großen Revolutionsperioden ein viel minder
spröder, weniger erfesteter gewesen, als heute, so daß die beiden,
jedenfalls am Bedeutsamsten bei der Ergestaltung betheiligten Fak¬
toren: die Centrifugal- (oder mechanische, durch den Erdumschwung
bedingte Anziehungs-Kraft und die Expansion (Ausdehnung) durch
Gase, Dämpfe, Wasserdruck aus dem Erdinnern, -- leichter und
stetiger auf die Gestaltung einwirken konnten. Aber eben so sicher
ist es auch, daß andere physikalische Gesetze, wie von Anbeginn
der Materie bestanden, -- wie z. B. das Gesetz der Schwere, --
aktive Augenblicke in der äußeren Bildungsgeschichte des Alpen¬
baues herbeigeführt haben müssen, die, energisch in ihren Wirkungen,

Das Alpengebäude.
Anhaltepunkt, um einen nur einigermaßen entſprechenden Begriff
für jene welterſchütternden Epochen zu bilden? Vertauſendfachten
wir den furchtbarſten Aufruhr des wildeſten Gewitters, welches die
geſteigerte Phantaſie auszumalen im Stande iſt, — dächten wir
uns alle Feuerſchlünde der zur Kriegsführung der Völker auf Er¬
den exiſtirenden Geſchütze auf einer Stelle verſammelt, auf ein
Kommandowort losgebrannt — wie nichtig würden ſie immerhin
noch im Verhältniß zu jenen Momenten ſein, in welchen die noch
Milliarden und abermals Milliarden von Kubikklaſtern feſter Ge¬
ſteine der Central-Alpen aus ihren Fugen geriſſen zerbarſten, und
zerſprengt, himmelhoch aufgerichtet oder übereinander geworfen
wurden?

— — zur Zeit, als noch ein Flammenbrand
Gen Himmel lohte aus der Berge Kuppen,
Als ſich in Schmerz die Erde kreiſend wand.
Formlos geballt lag ſie in wilden Gruppen;
In Fluthendrang und durch der Flamme Kraft
Sollt' ſie verklärt, ein Phönix, ſich entpuppen.
Und Alles, was ſie ſchuf, war rieſenhaft.

Es hat die größte Wahrſcheinlichkeit für ſich, daß die meiſten
der erdgeſtaltenden Vorgänge langſam, ſehr langſam ſich ent¬
wickelt haben mögen. Denn zuverläſſig iſt der Härtezuſtand der
Geſteine während der großen Revolutionsperioden ein viel minder
ſpröder, weniger erfeſteter geweſen, als heute, ſo daß die beiden,
jedenfalls am Bedeutſamſten bei der Ergeſtaltung betheiligten Fak¬
toren: die Centrifugal- (oder mechaniſche, durch den Erdumſchwung
bedingte Anziehungs-Kraft und die Expanſion (Ausdehnung) durch
Gaſe, Dämpfe, Waſſerdruck aus dem Erdinnern, — leichter und
ſtetiger auf die Geſtaltung einwirken konnten. Aber eben ſo ſicher
iſt es auch, daß andere phyſikaliſche Geſetze, wie von Anbeginn
der Materie beſtanden, — wie z. B. das Geſetz der Schwere, —
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[4/0022] Das Alpengebäude. Anhaltepunkt, um einen nur einigermaßen entſprechenden Begriff für jene welterſchütternden Epochen zu bilden? Vertauſendfachten wir den furchtbarſten Aufruhr des wildeſten Gewitters, welches die geſteigerte Phantaſie auszumalen im Stande iſt, — dächten wir uns alle Feuerſchlünde der zur Kriegsführung der Völker auf Er¬ den exiſtirenden Geſchütze auf einer Stelle verſammelt, auf ein Kommandowort losgebrannt — wie nichtig würden ſie immerhin noch im Verhältniß zu jenen Momenten ſein, in welchen die noch Milliarden und abermals Milliarden von Kubikklaſtern feſter Ge¬ ſteine der Central-Alpen aus ihren Fugen geriſſen zerbarſten, und zerſprengt, himmelhoch aufgerichtet oder übereinander geworfen wurden? — — zur Zeit, als noch ein Flammenbrand Gen Himmel lohte aus der Berge Kuppen, Als ſich in Schmerz die Erde kreiſend wand. Formlos geballt lag ſie in wilden Gruppen; In Fluthendrang und durch der Flamme Kraft Sollt' ſie verklärt, ein Phönix, ſich entpuppen. Und Alles, was ſie ſchuf, war rieſenhaft. Es hat die größte Wahrſcheinlichkeit für ſich, daß die meiſten der erdgeſtaltenden Vorgänge langſam, ſehr langſam ſich ent¬ wickelt haben mögen. Denn zuverläſſig iſt der Härtezuſtand der Geſteine während der großen Revolutionsperioden ein viel minder ſpröder, weniger erfeſteter geweſen, als heute, ſo daß die beiden, jedenfalls am Bedeutſamſten bei der Ergeſtaltung betheiligten Fak¬ toren: die Centrifugal- (oder mechaniſche, durch den Erdumſchwung bedingte Anziehungs-Kraft und die Expanſion (Ausdehnung) durch Gaſe, Dämpfe, Waſſerdruck aus dem Erdinnern, — leichter und ſtetiger auf die Geſtaltung einwirken konnten. Aber eben ſo ſicher iſt es auch, daß andere phyſikaliſche Geſetze, wie von Anbeginn der Materie beſtanden, — wie z. B. das Geſetz der Schwere, — aktive Augenblicke in der äußeren Bildungsgeſchichte des Alpen¬ baues herbeigeführt haben müſſen, die, energiſch in ihren Wirkungen,

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Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/22>, abgerufen am 21.11.2024.