Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite
Nebelbilder .

-- -- --
Und unter den Füßen ein nebliges Meer,
Erkennt er die Städte der Menschen nicht mehr:
Durch den Riß nur der Wolken
Erblickt er die Welt,
Tief unter den Wassern
Das grünende Feld.
    Schiller.

Ein so heimtückischer und boshafter Schleicher der Nebel auch
im Gebirge ist, der schon manchen handfesten Aelpler auf den
Todespfad führte und fröhlichen, nach Aussicht schmachtenden Berg¬
wanderern die mühsam erklommenen Höhenpunkte mit hämischer
Schadenfreude plötzlich so verschleierte, daß sie unverrichteter Dinge
wieder abziehen mußten, -- so neckische und joviale Komödien
führt er auf, wenn er just guter Laune ist, oder wenn er aus sei¬
nen luftigen Höhen herabsteigt, um die Thalleute auch einmal in¬
gründlich zu ärgern. In letzterem Falle lagert er sich dann breit
und ungeschlacht über Felder und Wälder, auf Märkte und Gassen,
und nur der, welcher im Berglande wohnt, vermag seinen athem¬
erschwerenden, miasmatisch-verdorbenen Dünsten zu entfliehen.
Denn droben auf freiem Bergesgipfel steht der Naturfreund dann
im hellen goldigen Sonnenschein und sieht auf ein wogendes Milch¬
meer hinab, aus dem nur verwandte Höhepunkte gleich Eilanden

9*
Nebelbilder .

— — —
Und unter den Füßen ein nebliges Meer,
Erkennt er die Städte der Menſchen nicht mehr:
Durch den Riß nur der Wolken
Erblickt er die Welt,
Tief unter den Waſſern
Das grünende Feld.
    Schiller.

Ein ſo heimtückiſcher und boshafter Schleicher der Nebel auch
im Gebirge iſt, der ſchon manchen handfeſten Aelpler auf den
Todespfad führte und fröhlichen, nach Ausſicht ſchmachtenden Berg¬
wanderern die mühſam erklommenen Höhenpunkte mit hämiſcher
Schadenfreude plötzlich ſo verſchleierte, daß ſie unverrichteter Dinge
wieder abziehen mußten, — ſo neckiſche und joviale Komödien
führt er auf, wenn er juſt guter Laune iſt, oder wenn er aus ſei¬
nen luftigen Höhen herabſteigt, um die Thalleute auch einmal in¬
gründlich zu ärgern. In letzterem Falle lagert er ſich dann breit
und ungeſchlacht über Felder und Wälder, auf Märkte und Gaſſen,
und nur der, welcher im Berglande wohnt, vermag ſeinen athem¬
erſchwerenden, miasmatiſch-verdorbenen Dünſten zu entfliehen.
Denn droben auf freiem Bergesgipfel ſteht der Naturfreund dann
im hellen goldigen Sonnenſchein und ſieht auf ein wogendes Milch¬
meer hinab, aus dem nur verwandte Höhepunkte gleich Eilanden

9*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0159" n="[131]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#fr #g">Nebelbilder</hi> <hi rendition="#fr">.</hi><lb/>
        </head>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <cit>
          <quote>
            <lg type="poem">
              <l>&#x2014; &#x2014; &#x2014;<lb/></l>
              <l>Und unter den Füßen ein nebliges Meer,<lb/></l>
              <l>Erkennt er die Städte der Men&#x017F;chen nicht mehr:<lb/></l>
              <l>Durch den Riß nur der Wolken<lb/></l>
              <l>Erblickt er die Welt,<lb/></l>
              <l>Tief unter den Wa&#x017F;&#x017F;ern<lb/></l>
              <l>Das grünende Feld.</l>
            </lg>
          </quote>
          <space dim="horizontal"/>
          <bibl><hi rendition="#g">Schiller</hi>.<lb/></bibl>
        </cit>
        <p>Ein &#x017F;o heimtücki&#x017F;cher und boshafter Schleicher der Nebel auch<lb/>
im Gebirge i&#x017F;t, der &#x017F;chon manchen handfe&#x017F;ten Aelpler auf den<lb/>
Todespfad führte und fröhlichen, nach Aus&#x017F;icht &#x017F;chmachtenden Berg¬<lb/>
wanderern die müh&#x017F;am erklommenen Höhenpunkte mit hämi&#x017F;cher<lb/>
Schadenfreude plötzlich &#x017F;o ver&#x017F;chleierte, daß &#x017F;ie unverrichteter Dinge<lb/>
wieder abziehen mußten, &#x2014; &#x017F;o necki&#x017F;che und joviale Komödien<lb/>
führt er auf, wenn er ju&#x017F;t guter Laune i&#x017F;t, oder wenn er aus &#x017F;ei¬<lb/>
nen luftigen Höhen herab&#x017F;teigt, um die Thalleute auch einmal in¬<lb/>
gründlich zu ärgern. In letzterem Falle lagert er &#x017F;ich dann breit<lb/>
und unge&#x017F;chlacht über Felder und Wälder, auf Märkte und Ga&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
und nur der, welcher im Berglande wohnt, vermag &#x017F;einen athem¬<lb/>
er&#x017F;chwerenden, miasmati&#x017F;ch-verdorbenen Dün&#x017F;ten zu entfliehen.<lb/>
Denn droben auf freiem Bergesgipfel &#x017F;teht der Naturfreund dann<lb/>
im hellen goldigen Sonnen&#x017F;chein und &#x017F;ieht auf ein wogendes Milch¬<lb/>
meer hinab, aus dem nur verwandte Höhepunkte gleich Eilanden<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">9*<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[131]/0159] Nebelbilder . — — — Und unter den Füßen ein nebliges Meer, Erkennt er die Städte der Menſchen nicht mehr: Durch den Riß nur der Wolken Erblickt er die Welt, Tief unter den Waſſern Das grünende Feld. Schiller. Ein ſo heimtückiſcher und boshafter Schleicher der Nebel auch im Gebirge iſt, der ſchon manchen handfeſten Aelpler auf den Todespfad führte und fröhlichen, nach Ausſicht ſchmachtenden Berg¬ wanderern die mühſam erklommenen Höhenpunkte mit hämiſcher Schadenfreude plötzlich ſo verſchleierte, daß ſie unverrichteter Dinge wieder abziehen mußten, — ſo neckiſche und joviale Komödien führt er auf, wenn er juſt guter Laune iſt, oder wenn er aus ſei¬ nen luftigen Höhen herabſteigt, um die Thalleute auch einmal in¬ gründlich zu ärgern. In letzterem Falle lagert er ſich dann breit und ungeſchlacht über Felder und Wälder, auf Märkte und Gaſſen, und nur der, welcher im Berglande wohnt, vermag ſeinen athem¬ erſchwerenden, miasmatiſch-verdorbenen Dünſten zu entfliehen. Denn droben auf freiem Bergesgipfel ſteht der Naturfreund dann im hellen goldigen Sonnenſchein und ſieht auf ein wogendes Milch¬ meer hinab, aus dem nur verwandte Höhepunkte gleich Eilanden 9*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/159
Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. [131]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/159>, abgerufen am 22.11.2024.