Birnenbäume das heiße, trockene Klima der sandigen Tropen nicht zu ertragen vermögen. Diese Bedingungen der flächenhaften Ver¬ breitung berührt uns bei dem Pflanzenbilde, welches wir auf den nächsten Seiten betrachten wollen, nicht; wir haben es mit der Verbreitungsfähigkeit der Pflanze, nach der Höhe der Bodenlage, zu thun.
Es ist bekannt, daß die Weinrebe in Mittel-Europa über 2300 Fuß ihre Trauben, selbst in sonniger Lage, nicht mehr reifen kann, -- daß der Nußbaum bis zu circa 3000 Fuß, das Kernobst nur bis etwa 3500 Fuß zu steigen vermag, und daß die Garten- und Getreidefrüchte des Flachlandes in den rauhen Alpen über drei bis viertausend Fuß nicht mehr gedeihlich fortkommen; kleine, durch lokale Umstände begünstigte Experimente können hier nicht in Betracht gezogen werden. Dieses Einhalten gewisser Höhen¬ gränzen zeigt sich auch beim Waldbaum, sowohl bei den Laub- als den Nadelhölzern. Letztere steigen (wie schon S. gesagt) als wal¬ dige Gesammtmasse in den Alpen bis zu circa 5500 F. über dem Meere an. Aber die vertikale Erhebung nimmt gegen den Nordpol hin bedeuteud ab. So steigt die gemeine Kiefer (Pinus syl¬ vestris) unterm 46. und 47. Grad nördl. Breite (in den Alpen) fröhlich, in normaler Baumform, bis zu 6000 F. über dem Meere an, während sie im skandinavischen Dovre-Gebirge unterm 62. Grad n. Br. mir bis 2800 F. und in Jemtsland (Norwegen), an den Kjölen unterm 63. Grad, sich nur bis 1500 F. zu erbeben vermag. Ueber diese Höhengränze hinaus verliert sie ihre baumförmige Hal¬ tung, sinkt zur Zwergform, zur verkrüppelten, beinahe strauchartigen Gestalt herab und heißt dann im Riesengebirge "Krumm- oder Knieholz", in den Tyroler Alpen "Sprutföhre oder Reisch¬ ten", im Welschtyrol "Müghi" vom botanischen Namen: Pinus mughus (oder umgekehrt), in den Salzburger Bergen "Lätschen", in Oesterreich "Lägken, Löcken (d. h. Gelegtes), im romanischen Graubünden "Zuondra oder Zundern" und in der deutschen
Legſöhren.
Birnenbäume das heiße, trockene Klima der ſandigen Tropen nicht zu ertragen vermögen. Dieſe Bedingungen der flächenhaften Ver¬ breitung berührt uns bei dem Pflanzenbilde, welches wir auf den nächſten Seiten betrachten wollen, nicht; wir haben es mit der Verbreitungsfähigkeit der Pflanze, nach der Höhe der Bodenlage, zu thun.
Es iſt bekannt, daß die Weinrebe in Mittel-Europa über 2300 Fuß ihre Trauben, ſelbſt in ſonniger Lage, nicht mehr reifen kann, — daß der Nußbaum bis zu circa 3000 Fuß, das Kernobſt nur bis etwa 3500 Fuß zu ſteigen vermag, und daß die Garten- und Getreidefrüchte des Flachlandes in den rauhen Alpen über drei bis viertauſend Fuß nicht mehr gedeihlich fortkommen; kleine, durch lokale Umſtände begünſtigte Experimente können hier nicht in Betracht gezogen werden. Dieſes Einhalten gewiſſer Höhen¬ gränzen zeigt ſich auch beim Waldbaum, ſowohl bei den Laub- als den Nadelhölzern. Letztere ſteigen (wie ſchon S. geſagt) als wal¬ dige Geſammtmaſſe in den Alpen bis zu circa 5500 F. über dem Meere an. Aber die vertikale Erhebung nimmt gegen den Nordpol hin bedeuteud ab. So ſteigt die gemeine Kiefer (Pinus syl¬ vestris) unterm 46. und 47. Grad nördl. Breite (in den Alpen) fröhlich, in normaler Baumform, bis zu 6000 F. über dem Meere an, während ſie im ſkandinaviſchen Dovre-Gebirge unterm 62. Grad n. Br. mir bis 2800 F. und in Jemtsland (Norwegen), an den Kjölen unterm 63. Grad, ſich nur bis 1500 F. zu erbeben vermag. Ueber dieſe Höhengränze hinaus verliert ſie ihre baumförmige Hal¬ tung, ſinkt zur Zwergform, zur verkrüppelten, beinahe ſtrauchartigen Geſtalt herab und heißt dann im Rieſengebirge „Krumm- oder Knieholz“, in den Tyroler Alpen „Sprutföhre oder Reiſch¬ ten“, im Welſchtyrol „Müghi“ vom botaniſchen Namen: Pinus mughus (oder umgekehrt), in den Salzburger Bergen „Lätſchen“, in Oeſterreich „Lägken, Löcken (d. h. Gelegtes), im romaniſchen Graubünden „Zuondra oder Zundern“ und in der deutſchen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0116"n="90"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#fr #g">Legſöhren</hi>.<lb/></fw> Birnenbäume das heiße, trockene Klima der ſandigen Tropen nicht<lb/>
zu ertragen vermögen. Dieſe Bedingungen der flächenhaften Ver¬<lb/>
breitung berührt uns bei dem Pflanzenbilde, welches wir auf den<lb/>
nächſten Seiten betrachten wollen, nicht; wir haben es mit der<lb/>
Verbreitungsfähigkeit der Pflanze, nach der Höhe der Bodenlage,<lb/>
zu thun.</p><lb/><p>Es iſt bekannt, daß die Weinrebe in Mittel-Europa über<lb/>
2300 Fuß ihre Trauben, ſelbſt in ſonniger Lage, nicht mehr reifen<lb/>
kann, — daß der Nußbaum bis zu circa 3000 Fuß, das Kernobſt<lb/>
nur bis etwa 3500 Fuß zu ſteigen vermag, und daß die Garten-<lb/>
und Getreidefrüchte des Flachlandes in den rauhen Alpen über<lb/>
drei bis viertauſend Fuß nicht mehr gedeihlich fortkommen; kleine,<lb/>
durch lokale Umſtände begünſtigte Experimente können hier nicht<lb/>
in Betracht gezogen werden. Dieſes Einhalten gewiſſer Höhen¬<lb/>
gränzen zeigt ſich auch beim Waldbaum, ſowohl bei den Laub- als<lb/>
den Nadelhölzern. Letztere ſteigen (wie ſchon S. geſagt) als wal¬<lb/>
dige Geſammtmaſſe in den Alpen bis zu circa 5500 F. über dem<lb/>
Meere an. Aber die vertikale Erhebung nimmt gegen den Nordpol<lb/>
hin bedeuteud ab. So ſteigt die <hirendition="#g">gemeine Kiefer</hi> (<hirendition="#aq">Pinus syl¬<lb/>
vestris</hi>) unterm 46. und 47. Grad nördl. Breite (in den Alpen)<lb/>
fröhlich, in normaler Baumform, bis zu 6000 F. über dem Meere<lb/>
an, während ſie im ſkandinaviſchen Dovre-Gebirge unterm 62. Grad<lb/>
n. Br. mir bis 2800 F. und in Jemtsland (Norwegen), an den<lb/>
Kjölen unterm 63. Grad, ſich nur bis 1500 F. zu erbeben vermag.<lb/>
Ueber dieſe Höhengränze hinaus verliert ſie ihre baumförmige Hal¬<lb/>
tung, ſinkt zur Zwergform, zur verkrüppelten, beinahe ſtrauchartigen<lb/>
Geſtalt herab und heißt dann im Rieſengebirge „<hirendition="#g">Krumm-</hi> oder<lb/><hirendition="#g">Knieholz</hi>“, in den Tyroler Alpen „<hirendition="#g">Sprutföhre</hi> oder <hirendition="#g">Reiſch</hi>¬<lb/><hirendition="#g">ten</hi>“, im Welſchtyrol „<hirendition="#g">Müghi</hi>“ vom botaniſchen Namen: <hirendition="#aq">Pinus<lb/>
mughus</hi> (oder umgekehrt), in den Salzburger Bergen „<hirendition="#g">Lätſchen</hi>“,<lb/>
in Oeſterreich „<hirendition="#g">Lägken</hi>, <hirendition="#g">Löcken</hi> (d. h. Gelegtes), im romaniſchen<lb/>
Graubünden „Zuondra oder <hirendition="#g">Zundern</hi>“ und in der deutſchen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[90/0116]
Legſöhren.
Birnenbäume das heiße, trockene Klima der ſandigen Tropen nicht
zu ertragen vermögen. Dieſe Bedingungen der flächenhaften Ver¬
breitung berührt uns bei dem Pflanzenbilde, welches wir auf den
nächſten Seiten betrachten wollen, nicht; wir haben es mit der
Verbreitungsfähigkeit der Pflanze, nach der Höhe der Bodenlage,
zu thun.
Es iſt bekannt, daß die Weinrebe in Mittel-Europa über
2300 Fuß ihre Trauben, ſelbſt in ſonniger Lage, nicht mehr reifen
kann, — daß der Nußbaum bis zu circa 3000 Fuß, das Kernobſt
nur bis etwa 3500 Fuß zu ſteigen vermag, und daß die Garten-
und Getreidefrüchte des Flachlandes in den rauhen Alpen über
drei bis viertauſend Fuß nicht mehr gedeihlich fortkommen; kleine,
durch lokale Umſtände begünſtigte Experimente können hier nicht
in Betracht gezogen werden. Dieſes Einhalten gewiſſer Höhen¬
gränzen zeigt ſich auch beim Waldbaum, ſowohl bei den Laub- als
den Nadelhölzern. Letztere ſteigen (wie ſchon S. geſagt) als wal¬
dige Geſammtmaſſe in den Alpen bis zu circa 5500 F. über dem
Meere an. Aber die vertikale Erhebung nimmt gegen den Nordpol
hin bedeuteud ab. So ſteigt die gemeine Kiefer (Pinus syl¬
vestris) unterm 46. und 47. Grad nördl. Breite (in den Alpen)
fröhlich, in normaler Baumform, bis zu 6000 F. über dem Meere
an, während ſie im ſkandinaviſchen Dovre-Gebirge unterm 62. Grad
n. Br. mir bis 2800 F. und in Jemtsland (Norwegen), an den
Kjölen unterm 63. Grad, ſich nur bis 1500 F. zu erbeben vermag.
Ueber dieſe Höhengränze hinaus verliert ſie ihre baumförmige Hal¬
tung, ſinkt zur Zwergform, zur verkrüppelten, beinahe ſtrauchartigen
Geſtalt herab und heißt dann im Rieſengebirge „Krumm- oder
Knieholz“, in den Tyroler Alpen „Sprutföhre oder Reiſch¬
ten“, im Welſchtyrol „Müghi“ vom botaniſchen Namen: Pinus
mughus (oder umgekehrt), in den Salzburger Bergen „Lätſchen“,
in Oeſterreich „Lägken, Löcken (d. h. Gelegtes), im romaniſchen
Graubünden „Zuondra oder Zundern“ und in der deutſchen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/116>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.