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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876.

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"Fliegende" Vierfüssler. Gecko's.
nicht leicht zu warm -- und bei ruhigem Wetter soll man sie von
Zweig zu Zweig springen sehen. Wenn gleich der Mechanismus
anders ist als bei den sogenannten fliegenden, richtiger luftsprin-
genden Säugethieren (Galeopithecus, Pteromys, Petaurus), bei denen
die Seitenhaut durch die Extremitäten, nicht durch die Rippen aus-
gespannt wird, so ist es doch eine bemerkenswerthe Uebereinstim-
mung, dass innerhalb des indischen Archipels die so verschiedenen
Verbreitungsbezirke der wesentlich asiatischen "fliegenden" Eich-
hörnchen (Pteromys) und der australischen "fliegenden" Beutelthiere
(Petaurus) zusammengränzen, und derselbe Archipel zugleich die
eigentliche Heimath der "fliegenden" Maki (Galeopithecus) und der
"fliegenden" Eidechsen (Draco), ja auch eines "fliegenden" Frosches,
von Wallace auf Borneo entdeckt, ist. Im tropischen Afrika finden
wir nur die "fliegenden" Eichhörnchen, wie in Osteuropa, Nord-
asien und Nordamerika; im tropischen Amerika dagegen gar keine
"fliegenden" vierfüssigen Thiere in dieser uneigentlichen Bedeutung
des Wortes, während dagegen dort eine andere Anpassung an das
Leben auf Bäumen, der Greif- oder Wickelschwanz, auf ähnliche
Weise in verschiedenen Thierordnungen mehr oder weniger spora-
disch auftritt, so bei Affen, was bei keinem indischen oder afrika-
nischen der Fall ist, Raubthieren (Cercoleptes), Nagern (Synethere)
und Ameisenfressern; im indischen Archipel kommt dieser streng
genommen nur bei Einem Thier, dem Kusu (Cuscus), vor.

Mit allen wärmeren Gegenden, subtropischen und tropischen
gemeinschaftlich, hat der indische Archipel die Familie der Wand-
eidechsen
oder Gecko's, durch Haftblättchen an der Unterseite der
Zehen charakterisirt. Als bei unserer Hinreise eine Windstille in der
Sundastrasse benützt wurde, um ein paar Stunden an Land zuzu-
bringen und in dem Städtchen Anjer während des geselligen Bei-
sammenseins mit den gastlichen Holländern die Nacht hereinbrach,
erschienen in der Gaststube oben an Wänden und Decke diese
kleinen grauen Eidechsen, leise und bedächtig, endlich aber mit
raschem Zufahren ihrerseits nun die Insektenjagd betreibend. Es
war Hemidactylus frenatus Schleg. und ich sah denselben später
noch oft in ähnlicher Weise auf Java. Der Malaie nennt ihn
tjitjaq, was auf einen Laut, ähnlich dem des eigentlichen Gecko in
Siam, zu deuten scheint, wovon aber etwas vernommen zu haben
ich mich nicht erinnern kann. Auf andern Inseln, namentlich den
Molukken (Amboina, Batjan), spielen dieselbe Rolle andere Arten

»Fliegende« Vierfüssler. Gecko’s.
nicht leicht zu warm — und bei ruhigem Wetter soll man sie von
Zweig zu Zweig springen sehen. Wenn gleich der Mechanismus
anders ist als bei den sogenannten fliegenden, richtiger luftsprin-
genden Säugethieren (Galeopithecus, Pteromys, Petaurus), bei denen
die Seitenhaut durch die Extremitäten, nicht durch die Rippen aus-
gespannt wird, so ist es doch eine bemerkenswerthe Uebereinstim-
mung, dass innerhalb des indischen Archipels die so verschiedenen
Verbreitungsbezirke der wesentlich asiatischen »fliegenden« Eich-
hörnchen (Pteromys) und der australischen »fliegenden« Beutelthiere
(Petaurus) zusammengränzen, und derselbe Archipel zugleich die
eigentliche Heimath der »fliegenden« Maki (Galeopithecus) und der
»fliegenden« Eidechsen (Draco), ja auch eines »fliegenden« Frosches,
von Wallace auf Borneo entdeckt, ist. Im tropischen Afrika finden
wir nur die »fliegenden« Eichhörnchen, wie in Osteuropa, Nord-
asien und Nordamerika; im tropischen Amerika dagegen gar keine
»fliegenden« vierfüssigen Thiere in dieser uneigentlichen Bedeutung
des Wortes, während dagegen dort eine andere Anpassung an das
Leben auf Bäumen, der Greif- oder Wickelschwanz, auf ähnliche
Weise in verschiedenen Thierordnungen mehr oder weniger spora-
disch auftritt, so bei Affen, was bei keinem indischen oder afrika-
nischen der Fall ist, Raubthieren (Cercoleptes), Nagern (Synethere)
und Ameisenfressern; im indischen Archipel kommt dieser streng
genommen nur bei Einem Thier, dem Kusu (Cuscus), vor.

Mit allen wärmeren Gegenden, subtropischen und tropischen
gemeinschaftlich, hat der indische Archipel die Familie der Wand-
eidechsen
oder Gecko’s, durch Haftblättchen an der Unterseite der
Zehen charakterisirt. Als bei unserer Hinreise eine Windstille in der
Sundastrasse benützt wurde, um ein paar Stunden an Land zuzu-
bringen und in dem Städtchen Anjer während des geselligen Bei-
sammenseins mit den gastlichen Holländern die Nacht hereinbrach,
erschienen in der Gaststube oben an Wänden und Decke diese
kleinen grauen Eidechsen, leise und bedächtig, endlich aber mit
raschem Zufahren ihrerseits nun die Insektenjagd betreibend. Es
war Hemidactylus frenatus Schleg. und ich sah denselben später
noch oft in ähnlicher Weise auf Java. Der Malaie nennt ihn
tjitjaq, was auf einen Laut, ähnlich dem des eigentlichen Gecko in
Siam, zu deuten scheint, wovon aber etwas vernommen zu haben
ich mich nicht erinnern kann. Auf andern Inseln, namentlich den
Molukken (Amboina, Batjan), spielen dieselbe Rolle andere Arten

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[281/0299] »Fliegende« Vierfüssler. Gecko’s. nicht leicht zu warm — und bei ruhigem Wetter soll man sie von Zweig zu Zweig springen sehen. Wenn gleich der Mechanismus anders ist als bei den sogenannten fliegenden, richtiger luftsprin- genden Säugethieren (Galeopithecus, Pteromys, Petaurus), bei denen die Seitenhaut durch die Extremitäten, nicht durch die Rippen aus- gespannt wird, so ist es doch eine bemerkenswerthe Uebereinstim- mung, dass innerhalb des indischen Archipels die so verschiedenen Verbreitungsbezirke der wesentlich asiatischen »fliegenden« Eich- hörnchen (Pteromys) und der australischen »fliegenden« Beutelthiere (Petaurus) zusammengränzen, und derselbe Archipel zugleich die eigentliche Heimath der »fliegenden« Maki (Galeopithecus) und der »fliegenden« Eidechsen (Draco), ja auch eines »fliegenden« Frosches, von Wallace auf Borneo entdeckt, ist. Im tropischen Afrika finden wir nur die »fliegenden« Eichhörnchen, wie in Osteuropa, Nord- asien und Nordamerika; im tropischen Amerika dagegen gar keine »fliegenden« vierfüssigen Thiere in dieser uneigentlichen Bedeutung des Wortes, während dagegen dort eine andere Anpassung an das Leben auf Bäumen, der Greif- oder Wickelschwanz, auf ähnliche Weise in verschiedenen Thierordnungen mehr oder weniger spora- disch auftritt, so bei Affen, was bei keinem indischen oder afrika- nischen der Fall ist, Raubthieren (Cercoleptes), Nagern (Synethere) und Ameisenfressern; im indischen Archipel kommt dieser streng genommen nur bei Einem Thier, dem Kusu (Cuscus), vor. Mit allen wärmeren Gegenden, subtropischen und tropischen gemeinschaftlich, hat der indische Archipel die Familie der Wand- eidechsen oder Gecko’s, durch Haftblättchen an der Unterseite der Zehen charakterisirt. Als bei unserer Hinreise eine Windstille in der Sundastrasse benützt wurde, um ein paar Stunden an Land zuzu- bringen und in dem Städtchen Anjer während des geselligen Bei- sammenseins mit den gastlichen Holländern die Nacht hereinbrach, erschienen in der Gaststube oben an Wänden und Decke diese kleinen grauen Eidechsen, leise und bedächtig, endlich aber mit raschem Zufahren ihrerseits nun die Insektenjagd betreibend. Es war Hemidactylus frenatus Schleg. und ich sah denselben später noch oft in ähnlicher Weise auf Java. Der Malaie nennt ihn tjitjaq, was auf einen Laut, ähnlich dem des eigentlichen Gecko in Siam, zu deuten scheint, wovon aber etwas vernommen zu haben ich mich nicht erinnern kann. Auf andern Inseln, namentlich den Molukken (Amboina, Batjan), spielen dieselbe Rolle andere Arten

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Zitationshilfe: Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/299>, abgerufen am 24.11.2024.