so umschwärmten uns auch schon zahlreiche Boote, welche neben der wohlbekannten Charakterfrucht des europäischen Südens, der Orange, uns auch die Banane als Vorschmack der Tropenzone brachten. Mehrere grosse graue Möven umschwärmten wieder das Schiff, da so augenscheinlich Esswaaren hineingebracht wurden.
Das Ufer ist fast überall steil, am Landungsplatz, neben dem kleinen Fort, das wie ein Abbild des Castel del Uovo in Neapel erscheint, schief abfallend, von grossen schwarzen Roll- steinen gebildet, mit beständiger Brandung; ein paar Kerle müssen ins Wasser springen und das Boot über die knirschenden Steine hinaufziehen, ehe man trockenen Fusses aussteigen kann, was natürlich für die Boote selbst nicht vortheilhaft ist, daher man schon hier lieber gemiethete Boote als die zum Schiffe gehörigen benutzt. Die Stadt macht überhaupt zunächst einen italienischen Eindruck, wie Neapel oder Genua, der schon mit dem lauten Lärm des viel fordernden und mit wenig zufriedenen Schiffer- und Führergesindels beginnt und fortgesetzt wird durch die weissen Häuser mit vierseitigen flachen Dächern, die Strassen mit rauhem Pflaster aus kleinen Steinen, die breiteren Hauptstrassen, rua ge- nannt, dem Strande parallel, die engen Queergässchen, traversa, aufsteigend, ferner durch die Mauern, welche auch ausserhalb der eigentlichen Stadt noch häufig die Wege einfassen und für das Verhindern der Aussicht zuweilen durch hübsche Schlingpflanzen, namentlich eine Ficus der stipulata ähnlich und Mesembryanthemum acinacifolium, Ersatz gewähren. Zunächst um die Stadt findet man steile Schluchten, in deren Mitte tiefeingegraben ein Bach über grosse Steine dahinbraust (ribeiro), und dürre steinige Anhöhen, auf denen die Opuntie häufig ist und auch nicht selten zu meinem Erstaunen das grosse italienische Rohr, Arundo donax; einzelne verlassene Rebenschösslinge, deren unterirdischer Stock beim systematischen Ausrotten übersehen worden war, verkünden nur den Ruin dieses vor wenigen Jahren noch blühenden Culturzweiges, durch die berüchtigte, Jahr für Jahr wiederkehrende Traubenkrankheit ver- anlasst; an seiner Stelle ist nun die Cochenillezucht und der Bau des Zuckerrohrs aufgekommen. Hie und da liebliche Landhäuser; in eines derselben führte uns der freundliche preussische Consul, Herr Welsh, es gehört seinem Schwager, einem directen Nach- kommen eines der Entdecker der Insel, Zargo; der Sohn des Letz- teren habe hier schon vor 300 Jahren -- die Insel wurde 1419
Funchal.
so umschwärmten uns auch schon zahlreiche Boote, welche neben der wohlbekannten Charakterfrucht des europäischen Südens, der Orange, uns auch die Banane als Vorschmack der Tropenzone brachten. Mehrere grosse graue Möven umschwärmten wieder das Schiff, da so augenscheinlich Esswaaren hineingebracht wurden.
Das Ufer ist fast überall steil, am Landungsplatz, neben dem kleinen Fort, das wie ein Abbild des Castel del Uovo in Neapel erscheint, schief abfallend, von grossen schwarzen Roll- steinen gebildet, mit beständiger Brandung; ein paar Kerle müssen ins Wasser springen und das Boot über die knirschenden Steine hinaufziehen, ehe man trockenen Fusses aussteigen kann, was natürlich für die Boote selbst nicht vortheilhaft ist, daher man schon hier lieber gemiethete Boote als die zum Schiffe gehörigen benutzt. Die Stadt macht überhaupt zunächst einen italienischen Eindruck, wie Neapel oder Genua, der schon mit dem lauten Lärm des viel fordernden und mit wenig zufriedenen Schiffer- und Führergesindels beginnt und fortgesetzt wird durch die weissen Häuser mit vierseitigen flachen Dächern, die Strassen mit rauhem Pflaster aus kleinen Steinen, die breiteren Hauptstrassen, rua ge- nannt, dem Strande parallel, die engen Queergässchen, traversa, aufsteigend, ferner durch die Mauern, welche auch ausserhalb der eigentlichen Stadt noch häufig die Wege einfassen und für das Verhindern der Aussicht zuweilen durch hübsche Schlingpflanzen, namentlich eine Ficus der stipulata ähnlich und Mesembryanthemum acinacifolium, Ersatz gewähren. Zunächst um die Stadt findet man steile Schluchten, in deren Mitte tiefeingegraben ein Bach über grosse Steine dahinbraust (ribeiro), und dürre steinige Anhöhen, auf denen die Opuntie häufig ist und auch nicht selten zu meinem Erstaunen das grosse italienische Rohr, Arundo donax; einzelne verlassene Rebenschösslinge, deren unterirdischer Stock beim systematischen Ausrotten übersehen worden war, verkünden nur den Ruin dieses vor wenigen Jahren noch blühenden Culturzweiges, durch die berüchtigte, Jahr für Jahr wiederkehrende Traubenkrankheit ver- anlasst; an seiner Stelle ist nun die Cochenillezucht und der Bau des Zuckerrohrs aufgekommen. Hie und da liebliche Landhäuser; in eines derselben führte uns der freundliche preussische Consul, Herr Welsh, es gehört seinem Schwager, einem directen Nach- kommen eines der Entdecker der Insel, Zargo; der Sohn des Letz- teren habe hier schon vor 300 Jahren — die Insel wurde 1419
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Funchal.
so umschwärmten uns auch schon zahlreiche Boote, welche neben
der wohlbekannten Charakterfrucht des europäischen Südens, der
Orange, uns auch die Banane als Vorschmack der Tropenzone
brachten. Mehrere grosse graue Möven umschwärmten wieder das
Schiff, da so augenscheinlich Esswaaren hineingebracht wurden.
Das Ufer ist fast überall steil, am Landungsplatz, neben
dem kleinen Fort, das wie ein Abbild des Castel del Uovo in
Neapel erscheint, schief abfallend, von grossen schwarzen Roll-
steinen gebildet, mit beständiger Brandung; ein paar Kerle müssen
ins Wasser springen und das Boot über die knirschenden Steine
hinaufziehen, ehe man trockenen Fusses aussteigen kann, was
natürlich für die Boote selbst nicht vortheilhaft ist, daher man
schon hier lieber gemiethete Boote als die zum Schiffe gehörigen
benutzt. Die Stadt macht überhaupt zunächst einen italienischen
Eindruck, wie Neapel oder Genua, der schon mit dem lauten Lärm
des viel fordernden und mit wenig zufriedenen Schiffer- und
Führergesindels beginnt und fortgesetzt wird durch die weissen
Häuser mit vierseitigen flachen Dächern, die Strassen mit rauhem
Pflaster aus kleinen Steinen, die breiteren Hauptstrassen, rua ge-
nannt, dem Strande parallel, die engen Queergässchen, traversa,
aufsteigend, ferner durch die Mauern, welche auch ausserhalb der
eigentlichen Stadt noch häufig die Wege einfassen und für das
Verhindern der Aussicht zuweilen durch hübsche Schlingpflanzen,
namentlich eine Ficus der stipulata ähnlich und Mesembryanthemum
acinacifolium, Ersatz gewähren. Zunächst um die Stadt findet man steile
Schluchten, in deren Mitte tiefeingegraben ein Bach über grosse
Steine dahinbraust (ribeiro), und dürre steinige Anhöhen, auf denen
die Opuntie häufig ist und auch nicht selten zu meinem Erstaunen
das grosse italienische Rohr, Arundo donax; einzelne verlassene
Rebenschösslinge, deren unterirdischer Stock beim systematischen
Ausrotten übersehen worden war, verkünden nur den Ruin dieses
vor wenigen Jahren noch blühenden Culturzweiges, durch die
berüchtigte, Jahr für Jahr wiederkehrende Traubenkrankheit ver-
anlasst; an seiner Stelle ist nun die Cochenillezucht und der Bau
des Zuckerrohrs aufgekommen. Hie und da liebliche Landhäuser;
in eines derselben führte uns der freundliche preussische Consul,
Herr Welsh, es gehört seinem Schwager, einem directen Nach-
kommen eines der Entdecker der Insel, Zargo; der Sohn des Letz-
teren habe hier schon vor 300 Jahren — die Insel wurde 1419
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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/22>, abgerufen am 21.11.2024.
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