Tsun-luen. Wenn wir eine Phrase nicht vernünftig finden, so müssen wir sie ändern. Die Engländer und Franzosen haben uns den Vertrag in der von ihnen adoptirten Fassung abgezwungen.
Der Gesandte. Wo es sich um Phrasen handelt, will ich nach Möglichkeit nachgeben. Etwas sachlich Unvernünftiges steht aber in keinem Vertrage.
Tsun-luen. Darauf könnte dir Kwei-lian am besten ant- worten, der jene Verträge gezwungen unterzeichnen musste. Lieber liesse ich mir den Kopf abschlagen, als ich solchen Vertrag unter- schriebe.
Der Gesandte. Dann wollen wir die Verhandlungen ab- brechen.
Tsun-luen. Der Kaiser müsste mich mit Recht fragen, warum ich Preussen alles Das zugestanden hätte, wozu uns Eng- land und Frankreich erst durch mehrere Kriege zwangen.
Der Gesandte. Ich wiederhole einfach, dass ich keinen Ver- trag auf anderer Basis schliesse, als derjenigen der meistbegünstigten Nation.
Tsun-luen. So kommt ein Volk nach dem anderen und sucht einen Druck auf uns zu üben, bis endlich von China garnichts mehr übrig bleiben wird.
Der Gesandte. China ist ja frei, zu thun und zu lassen was es will. Wollen Sie keinen Vertrag mit Preussen auf der von mir gebotenen Basis schliessen, so lassen sie es; aber ich bitte jetzt um eine ganz bestimmte Aeusserung, ob Sie mir dieselben Rechte gewähren wollen, welche die anderen Mächte geniessen, oder nicht.
Tsun-luen. Wir können doch nur Vernünftiges gewähren.
Der Gesandte. Das ist eine ganz unpassende Antwort; denn ich verlange nur Vernünftiges.
Tsun-luen. Du willst uns damit zu etwas zwingen, das wir nicht als vernünftig ansehen können.
Der Gesandte. Ich begreife Sie wirklich nicht. Bis jetzt sagten Sie mir immer, Sie fänden meine Forderungen ganz natürlich und billig; die Schwierigkeiten kämen nur vom Kaiser und dessen Umgebung. Heut erklären Sie selbst meine Forderungen für un- gerechtfertigt. Wie hängt das zusammen?
Tsun-luen. Ich muss, nachdem ich den Vertrag geschlossen habe, Seiner Majestät dem Kaiser eine Denkschrift über jede ein- zelne Bestimmung einreichen und dieselbe rechtfertigen.
Conferenz. XVI.
Tsuṅ-luen. Wenn wir eine Phrase nicht vernünftig finden, so müssen wir sie ändern. Die Engländer und Franzosen haben uns den Vertrag in der von ihnen adoptirten Fassung abgezwungen.
Der Gesandte. Wo es sich um Phrasen handelt, will ich nach Möglichkeit nachgeben. Etwas sachlich Unvernünftiges steht aber in keinem Vertrage.
Tsuṅ-luen. Darauf könnte dir Kwei-liaṅ am besten ant- worten, der jene Verträge gezwungen unterzeichnen musste. Lieber liesse ich mir den Kopf abschlagen, als ich solchen Vertrag unter- schriebe.
Der Gesandte. Dann wollen wir die Verhandlungen ab- brechen.
Tsuṅ-luen. Der Kaiser müsste mich mit Recht fragen, warum ich Preussen alles Das zugestanden hätte, wozu uns Eng- land und Frankreich erst durch mehrere Kriege zwangen.
Der Gesandte. Ich wiederhole einfach, dass ich keinen Ver- trag auf anderer Basis schliesse, als derjenigen der meistbegünstigten Nation.
Tsuṅ-luen. So kommt ein Volk nach dem anderen und sucht einen Druck auf uns zu üben, bis endlich von China garnichts mehr übrig bleiben wird.
Der Gesandte. China ist ja frei, zu thun und zu lassen was es will. Wollen Sie keinen Vertrag mit Preussen auf der von mir gebotenen Basis schliessen, so lassen sie es; aber ich bitte jetzt um eine ganz bestimmte Aeusserung, ob Sie mir dieselben Rechte gewähren wollen, welche die anderen Mächte geniessen, oder nicht.
Tsuṅ-luen. Wir können doch nur Vernünftiges gewähren.
Der Gesandte. Das ist eine ganz unpassende Antwort; denn ich verlange nur Vernünftiges.
Tsuṅ-luen. Du willst uns damit zu etwas zwingen, das wir nicht als vernünftig ansehen können.
Der Gesandte. Ich begreife Sie wirklich nicht. Bis jetzt sagten Sie mir immer, Sie fänden meine Forderungen ganz natürlich und billig; die Schwierigkeiten kämen nur vom Kaiser und dessen Umgebung. Heut erklären Sie selbst meine Forderungen für un- gerechtfertigt. Wie hängt das zusammen?
Tsuṅ-luen. Ich muss, nachdem ich den Vertrag geschlossen habe, Seiner Majestät dem Kaiser eine Denkschrift über jede ein- zelne Bestimmung einreichen und dieselbe rechtfertigen.
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Conferenz. XVI.
Tsuṅ-luen. Wenn wir eine Phrase nicht vernünftig finden,
so müssen wir sie ändern. Die Engländer und Franzosen haben
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Der Gesandte. Wo es sich um Phrasen handelt, will ich
nach Möglichkeit nachgeben. Etwas sachlich Unvernünftiges steht
aber in keinem Vertrage.
Tsuṅ-luen. Darauf könnte dir Kwei-liaṅ am besten ant-
worten, der jene Verträge gezwungen unterzeichnen musste. Lieber
liesse ich mir den Kopf abschlagen, als ich solchen Vertrag unter-
schriebe.
Der Gesandte. Dann wollen wir die Verhandlungen ab-
brechen.
Tsuṅ-luen. Der Kaiser müsste mich mit Recht fragen,
warum ich Preussen alles Das zugestanden hätte, wozu uns Eng-
land und Frankreich erst durch mehrere Kriege zwangen.
Der Gesandte. Ich wiederhole einfach, dass ich keinen Ver-
trag auf anderer Basis schliesse, als derjenigen der meistbegünstigten
Nation.
Tsuṅ-luen. So kommt ein Volk nach dem anderen und
sucht einen Druck auf uns zu üben, bis endlich von China garnichts
mehr übrig bleiben wird.
Der Gesandte. China ist ja frei, zu thun und zu lassen was
es will. Wollen Sie keinen Vertrag mit Preussen auf der von mir
gebotenen Basis schliessen, so lassen sie es; aber ich bitte jetzt
um eine ganz bestimmte Aeusserung, ob Sie mir dieselben Rechte
gewähren wollen, welche die anderen Mächte geniessen, oder nicht.
Tsuṅ-luen. Wir können doch nur Vernünftiges gewähren.
Der Gesandte. Das ist eine ganz unpassende Antwort; denn
ich verlange nur Vernünftiges.
Tsuṅ-luen. Du willst uns damit zu etwas zwingen, das
wir nicht als vernünftig ansehen können.
Der Gesandte. Ich begreife Sie wirklich nicht. Bis jetzt
sagten Sie mir immer, Sie fänden meine Forderungen ganz natürlich
und billig; die Schwierigkeiten kämen nur vom Kaiser und dessen
Umgebung. Heut erklären Sie selbst meine Forderungen für un-
gerechtfertigt. Wie hängt das zusammen?
Tsuṅ-luen. Ich muss, nachdem ich den Vertrag geschlossen
habe, Seiner Majestät dem Kaiser eine Denkschrift über jede ein-
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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/94>, abgerufen am 15.08.2024.
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