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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XVI. Exerciren der englischen Garnison.
1. Juli bei Dunkelwerden wie hingezaubert am Himmel stand. Wir
sassen im Hofe grade bei Tisch und konnten den dem Horizonte
nahen Kern nicht sehen; der Schweif aber reichte weit über den
Zenith hinaus. Am 2. Juli blieb der Kern bis nach elf über dem
Horizont; der Schweif erstreckte sich vom Sternbilde des Luchses
zwischen den Bären durch bis zum Schlangenträger. In den folgen-
den Nächten näherte der Kern sich dem grossen Bären; der Schweif
schrumpfte ein, bald erblasste das glänzende Bild. Wir vermutheten
darin den 1264 und 1556 gesehenen Kometen, der nach chinesischen
Annalen auch im 4., 7. und 10. Jahrhundert erschienen wäre.

Der Verkehr mit den englischen Schicksalsgenossen erhielt
neues Leben durch den Besuch einiger höheren Officiere. Anfang
Juli kamen General-Lieutenant Sir John Michell, der Commandeur
der englischen Truppen in China, und Capitän Lord John Hay,
dessen Corvette Odin den eben geöffneten Hafen Niu-tswan be-
suchen sollte. Sir John Michell verweilte einige Tage in Pe-kin;
nach seiner Rückkehr fand auf der Ebene südlich von Tien-tsin
ein grosses Exerciren der Garnison im Feuer statt, welchem Graf
Eulenburg und seine Begleiter beiwohnten. Alle Bewegungen wur-
den mit grosser Schnelligkeit und Präcision ausgeführt; sie bewie-
sen, dass die englische Armee durchaus nicht hinter den Anforde-
rungen der verbesserten Feuerwaffen und der dadurch veränderten
Taktik zurückblieb. Sehr malerisch wirkten mehrere Schwärm-
Attaquen von Fane's Reiter-Regiment, doch gewannen unsere mili-
tärischen Begleiter die Ueberzeugung, dass diese leichte indische
Cavallerie keiner europäischen gewachsen ist. Ihre Attaquen waren
ziemlich ungeordnet, viele Reiter stürzten, ihr Gebrüll mahnte
an den Angriff wilder Horden. -- Zu Ehren Sir John Michell's
fanden auch ergötzliche Aufführungen im Theater der englischen
Officiere statt. Auf unsere Geselligkeit wirkte seine lebendige
Unterhaltung sehr anregend; Sir John machte durchaus seinem
Ruf Ehre, der ihn als abgehärteten Krieger von seltener Jugend-
frische bezeichnete.

Grosse Theilnahme erregte in Tien-tsin der Besuch des
Major Brabazon, dessen Sohn vor der Schlacht von Tsan-kia-wan
mit Herrn Loch in die chinesischen Linien ritt um Consul Parkes
und dessen Gefährten zu suchen, bei Auslieferung der Gefangenen
aber vermisst wurde, während man die Leichen aller zu Tode ge-
marterten Engländer erkannte. Allein das Schicksal des Capitän

XVI. Exerciren der englischen Garnison.
1. Juli bei Dunkelwerden wie hingezaubert am Himmel stand. Wir
sassen im Hofe grade bei Tisch und konnten den dem Horizonte
nahen Kern nicht sehen; der Schweif aber reichte weit über den
Zenith hinaus. Am 2. Juli blieb der Kern bis nach elf über dem
Horizont; der Schweif erstreckte sich vom Sternbilde des Luchses
zwischen den Bären durch bis zum Schlangenträger. In den folgen-
den Nächten näherte der Kern sich dem grossen Bären; der Schweif
schrumpfte ein, bald erblasste das glänzende Bild. Wir vermutheten
darin den 1264 und 1556 gesehenen Kometen, der nach chinesischen
Annalen auch im 4., 7. und 10. Jahrhundert erschienen wäre.

Der Verkehr mit den englischen Schicksalsgenossen erhielt
neues Leben durch den Besuch einiger höheren Officiere. Anfang
Juli kamen General-Lieutenant Sir John Michell, der Commandeur
der englischen Truppen in China, und Capitän Lord John Hay,
dessen Corvette Odin den eben geöffneten Hafen Niu-tšwaṅ be-
suchen sollte. Sir John Michell verweilte einige Tage in Pe-kiṅ;
nach seiner Rückkehr fand auf der Ebene südlich von Tien-tsin
ein grosses Exerciren der Garnison im Feuer statt, welchem Graf
Eulenburg und seine Begleiter beiwohnten. Alle Bewegungen wur-
den mit grosser Schnelligkeit und Präcision ausgeführt; sie bewie-
sen, dass die englische Armee durchaus nicht hinter den Anforde-
rungen der verbesserten Feuerwaffen und der dadurch veränderten
Taktik zurückblieb. Sehr malerisch wirkten mehrere Schwärm-
Attaquen von Fane’s Reiter-Regiment, doch gewannen unsere mili-
tärischen Begleiter die Ueberzeugung, dass diese leichte indische
Cavallerie keiner europäischen gewachsen ist. Ihre Attaquen waren
ziemlich ungeordnet, viele Reiter stürzten, ihr Gebrüll mahnte
an den Angriff wilder Horden. — Zu Ehren Sir John Michell’s
fanden auch ergötzliche Aufführungen im Theater der englischen
Officiere statt. Auf unsere Geselligkeit wirkte seine lebendige
Unterhaltung sehr anregend; Sir John machte durchaus seinem
Ruf Ehre, der ihn als abgehärteten Krieger von seltener Jugend-
frische bezeichnete.

Grosse Theilnahme erregte in Tien-tsin der Besuch des
Major Brabazon, dessen Sohn vor der Schlacht von Tšaṅ-kia-wan
mit Herrn Loch in die chinesischen Linien ritt um Consul Parkes
und dessen Gefährten zu suchen, bei Auslieferung der Gefangenen
aber vermisst wurde, während man die Leichen aller zu Tode ge-
marterten Engländer erkannte. Allein das Schicksal des Capitän

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[69/0083] XVI. Exerciren der englischen Garnison. 1. Juli bei Dunkelwerden wie hingezaubert am Himmel stand. Wir sassen im Hofe grade bei Tisch und konnten den dem Horizonte nahen Kern nicht sehen; der Schweif aber reichte weit über den Zenith hinaus. Am 2. Juli blieb der Kern bis nach elf über dem Horizont; der Schweif erstreckte sich vom Sternbilde des Luchses zwischen den Bären durch bis zum Schlangenträger. In den folgen- den Nächten näherte der Kern sich dem grossen Bären; der Schweif schrumpfte ein, bald erblasste das glänzende Bild. Wir vermutheten darin den 1264 und 1556 gesehenen Kometen, der nach chinesischen Annalen auch im 4., 7. und 10. Jahrhundert erschienen wäre. Der Verkehr mit den englischen Schicksalsgenossen erhielt neues Leben durch den Besuch einiger höheren Officiere. Anfang Juli kamen General-Lieutenant Sir John Michell, der Commandeur der englischen Truppen in China, und Capitän Lord John Hay, dessen Corvette Odin den eben geöffneten Hafen Niu-tšwaṅ be- suchen sollte. Sir John Michell verweilte einige Tage in Pe-kiṅ; nach seiner Rückkehr fand auf der Ebene südlich von Tien-tsin ein grosses Exerciren der Garnison im Feuer statt, welchem Graf Eulenburg und seine Begleiter beiwohnten. Alle Bewegungen wur- den mit grosser Schnelligkeit und Präcision ausgeführt; sie bewie- sen, dass die englische Armee durchaus nicht hinter den Anforde- rungen der verbesserten Feuerwaffen und der dadurch veränderten Taktik zurückblieb. Sehr malerisch wirkten mehrere Schwärm- Attaquen von Fane’s Reiter-Regiment, doch gewannen unsere mili- tärischen Begleiter die Ueberzeugung, dass diese leichte indische Cavallerie keiner europäischen gewachsen ist. Ihre Attaquen waren ziemlich ungeordnet, viele Reiter stürzten, ihr Gebrüll mahnte an den Angriff wilder Horden. — Zu Ehren Sir John Michell’s fanden auch ergötzliche Aufführungen im Theater der englischen Officiere statt. Auf unsere Geselligkeit wirkte seine lebendige Unterhaltung sehr anregend; Sir John machte durchaus seinem Ruf Ehre, der ihn als abgehärteten Krieger von seltener Jugend- frische bezeichnete. Grosse Theilnahme erregte in Tien-tsin der Besuch des Major Brabazon, dessen Sohn vor der Schlacht von Tšaṅ-kia-wan mit Herrn Loch in die chinesischen Linien ritt um Consul Parkes und dessen Gefährten zu suchen, bei Auslieferung der Gefangenen aber vermisst wurde, während man die Leichen aller zu Tode ge- marterten Engländer erkannte. Allein das Schicksal des Capitän

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/83>, abgerufen am 24.11.2024.