Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.XV. Tsun-hau. Nach der gewöhnlichen Einleitung über das Wetter, des GesandtenReise u. s. w. erklärte er, dessen Gegenwart sofort nach Pe-kin melden zu wollen. Der erste Commissar werde dann gleich in Tien-tsin erscheinen. Herr Wade, der Secretär der britischen Gesandtschaft, hatte ihm von der nahen Verwandtschaft des preussischen und des englischen Königshauses erzählt; er knüpfte daran Fragen über die Lage und das Klima von Preussen, die Grenzbeziehungen zu Russland u. s. w. Auf der Karte von China war einer seiner Begleiter gut bewandert; Tsun-hau besah, wahr- scheinlich zum ersten Mal in seinem Leben, mit Staunen die nach Angaben des Consuls Meadows darauf verzeichneten Züge der Tae-pin, die sich wohl über die Hälfte des eigentlichen China er- streckten. Er erzählte, dass San-ko-lin-sin in San-tun den Salz-Dschunken-Rebellen die Spitze biete, vermied aber von deren bedenklichem Vordringen gegen Pe-kin und der Zusammenziehung von Truppen zu reden, die in Tien-tsin das Tagesgespräch waren. Tsun-hau gab sich als Tartaren zu erkennen, sprach jedoch fertig chinesisch: das müssten selbst alle in der Tartarei angestellten Mandschu-Beamten. -- Graf Eulenburg glaubte damals noch, Tsun-hau seines Ranges wegen nicht als Bevollmächtigten zu po- litischen Verhandlungen anerkennen zu dürfen, empfing ihn deshalb nur wie einen zu seiner Begrüssung erscheinenden Beamten und vermied jede geschäftliche Discussion; später zeigte sich, dass seine Stellung als Intendant des fremden Handels ihn allerdings zum Com- missar qualificirte. Am 5. Mai erwiederte Graf Eulenburg den Besuch mit dem IV. 3
XV. Tsuṅ-hau. Nach der gewöhnlichen Einleitung über das Wetter, des GesandtenReise u. s. w. erklärte er, dessen Gegenwart sofort nach Pe-kiṅ melden zu wollen. Der erste Commissar werde dann gleich in Tien-tsin erscheinen. Herr Wade, der Secretär der britischen Gesandtschaft, hatte ihm von der nahen Verwandtschaft des preussischen und des englischen Königshauses erzählt; er knüpfte daran Fragen über die Lage und das Klima von Preussen, die Grenzbeziehungen zu Russland u. s. w. Auf der Karte von China war einer seiner Begleiter gut bewandert; Tsuṅ-hau besah, wahr- scheinlich zum ersten Mal in seinem Leben, mit Staunen die nach Angaben des Consuls Meadows darauf verzeichneten Züge der Tae-piṅ, die sich wohl über die Hälfte des eigentlichen China er- streckten. Er erzählte, dass Saṅ-ko-lin-sin in Šan-tuṅ den Salz-Dschunken-Rebellen die Spitze biete, vermied aber von deren bedenklichem Vordringen gegen Pe-kiṅ und der Zusammenziehung von Truppen zu reden, die in Tien-tsin das Tagesgespräch waren. Tsuṅ-hau gab sich als Tartaren zu erkennen, sprach jedoch fertig chinesisch: das müssten selbst alle in der Tartarei angestellten Mandschu-Beamten. — Graf Eulenburg glaubte damals noch, Tsuṅ-hau seines Ranges wegen nicht als Bevollmächtigten zu po- litischen Verhandlungen anerkennen zu dürfen, empfing ihn deshalb nur wie einen zu seiner Begrüssung erscheinenden Beamten und vermied jede geschäftliche Discussion; später zeigte sich, dass seine Stellung als Intendant des fremden Handels ihn allerdings zum Com- missar qualificirte. Am 5. Mai erwiederte Graf Eulenburg den Besuch mit dem IV. 3
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XV. Tsuṅ-hau.
Nach der gewöhnlichen Einleitung über das Wetter, des Gesandten
Reise u. s. w. erklärte er, dessen Gegenwart sofort nach Pe-kiṅ
melden zu wollen. Der erste Commissar werde dann gleich
in Tien-tsin erscheinen. Herr Wade, der Secretär der britischen
Gesandtschaft, hatte ihm von der nahen Verwandtschaft des
preussischen und des englischen Königshauses erzählt; er knüpfte
daran Fragen über die Lage und das Klima von Preussen, die
Grenzbeziehungen zu Russland u. s. w. Auf der Karte von China
war einer seiner Begleiter gut bewandert; Tsuṅ-hau besah, wahr-
scheinlich zum ersten Mal in seinem Leben, mit Staunen die nach
Angaben des Consuls Meadows darauf verzeichneten Züge der
Tae-piṅ, die sich wohl über die Hälfte des eigentlichen China er-
streckten. Er erzählte, dass Saṅ-ko-lin-sin in Šan-tuṅ den
Salz-Dschunken-Rebellen die Spitze biete, vermied aber von deren
bedenklichem Vordringen gegen Pe-kiṅ und der Zusammenziehung
von Truppen zu reden, die in Tien-tsin das Tagesgespräch waren.
Tsuṅ-hau gab sich als Tartaren zu erkennen, sprach jedoch fertig
chinesisch: das müssten selbst alle in der Tartarei angestellten
Mandschu-Beamten. — Graf Eulenburg glaubte damals noch,
Tsuṅ-hau seines Ranges wegen nicht als Bevollmächtigten zu po-
litischen Verhandlungen anerkennen zu dürfen, empfing ihn deshalb
nur wie einen zu seiner Begrüssung erscheinenden Beamten und
vermied jede geschäftliche Discussion; später zeigte sich, dass seine
Stellung als Intendant des fremden Handels ihn allerdings zum Com-
missar qualificirte.
Am 5. Mai erwiederte Graf Eulenburg den Besuch mit dem
Dolmetscher Herrn Marques und dem Attaché du jour. Die von
Herrn Probst besorgte grüne Sänfte und die Kostüme der Träger
leisteten auch in Tien-tsin gute Dienste. Es ging nach der inneren
Stadt durch enge riechende Gassen. Am Eingang des Yamum stand
Tsuṅ-hau’s Capelle, die den Gesandten mit Trompeten, Cymbeln
und Clarinetten anschmetterte; von der Sänfte führte ihn der Wirth
in ein auf den inneren Hof mündendes Gemach, wo der übliche
Imbiss aufgetragen war; an den Wänden hingen gute Thier- und
Blumenstücke; Luxus zeigte sich nur in der Menge der Diener,
deren Anzüge reinlich und anständig waren, wie das ganze Haus.
Die assistirenden Mandarinen dritten und vierten Ranges trugen
lange Röcke von schwerer Seide, auf deren Brust und Rücken ge-
stickte kaiserliche Drachen prangten, eben so Tsuṅ-hau, um dessen
IV. 3
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