nehmen zum Predigen eingeladen, erwarten dafür aber reiche Ge- schenke; selbst die Grossen bedienen sie in ihren Häusern sehr ehrerbietig.
Zur Regenzeit versammeln sich die Bonzen jede Nacht in ihrem Tempel und singen Litaneien zum Lobe des Budda. Eine Zeit lang, etwa drei Wochen jedes Jahr, müssen sie in selbst- gebauten Hütten auf dem Lande zur Busse ihrer Süden nächt- liche Andachten halten, verschlafen dafür aber den Tag in ihrer Klosterzelle. Nur drei Monate im Jahre muss der Bonze in sei- nem Kloster wohnen; die übrige Zeit darf er sich nach Gefallen herumtreiben. Viele reisen von Kloster zu Kloster bis in die fernsten Wälder, theils zum Vergnügen, theils um Pflanzen und Minerale für ihre Elixire und alchymistischen Zaubereien zu suchen.
Man unterscheidet königliche Klöster und solche die von Privatleuten gestiftet sind; jedes hat seinen Vorsteher oder Abt. Viele Wittwen und andere Frauen, die kein Unterkommen haben, widmen sich dem Klosterdienst; für gröbere Arbeit haben die königlichen Klöster auch Sclaven. Der König ernennt den Ober- bonzen, der über sämmtliche Aebte gesetzt ist, und verleiht einem königlichen Prinzen die Jurisdiction über alle Klöster des Landes; nur Dieser darf durch eigene Häscher die Bonzen verhaften lassen, des gelben Gewandes berauben und nach des Gesetzes Strenge be- strafen. Vor seinem Tode legt der Bonze das Priesterkleid ab, darin zu sterben gilt für ein grobes Verbrechen.
Viele Klöster in Bankok haben kostbare Bibliotheken; auch soll es gelehrte und fromme Mönche geben, die theologische, histo- rische, sprachliche Studien treiben und ein sittliches Leben führen, -- doch nicht allzuviele.
Die Mädchen lernen nur kochen, selbst Nähen wäre bei der üblichen Landestracht eine brodlose Kunst. Ein grosser Theil der Feld- und Gartenarbeit fällt den Weibern schon dadurch zu, dass die Männer oft Monate lang Frohndienste leisten. In der ärmeren Classe werden die Mädchen meist ihren Bewerbern für eine Geld- summe verkauft, können aber trotzdem deren rechtmässige Gattinnen werden; doch hat der Mann das Recht, auch diese, wenn sie Schulden macht, zu verkaufen. Nur solche Frauen, die eine Mit- gift brachten, dürfen nicht verkauft werden. Die väterliche Gewalt ist fast unumschränkt; Eltern können ihre Kinder in Fesseln legen und nach Gefallen in unlösbare Knechtschaft verkaufen.
XXII. Die Bonzen.
nehmen zum Predigen eingeladen, erwarten dafür aber reiche Ge- schenke; selbst die Grossen bedienen sie in ihren Häusern sehr ehrerbietig.
Zur Regenzeit versammeln sich die Bonzen jede Nacht in ihrem Tempel und singen Litaneien zum Lobe des Budda. Eine Zeit lang, etwa drei Wochen jedes Jahr, müssen sie in selbst- gebauten Hütten auf dem Lande zur Busse ihrer Süden nächt- liche Andachten halten, verschlafen dafür aber den Tag in ihrer Klosterzelle. Nur drei Monate im Jahre muss der Bonze in sei- nem Kloster wohnen; die übrige Zeit darf er sich nach Gefallen herumtreiben. Viele reisen von Kloster zu Kloster bis in die fernsten Wälder, theils zum Vergnügen, theils um Pflanzen und Minerale für ihre Elixire und alchymistischen Zaubereien zu suchen.
Man unterscheidet königliche Klöster und solche die von Privatleuten gestiftet sind; jedes hat seinen Vorsteher oder Abt. Viele Wittwen und andere Frauen, die kein Unterkommen haben, widmen sich dem Klosterdienst; für gröbere Arbeit haben die königlichen Klöster auch Sclaven. Der König ernennt den Ober- bonzen, der über sämmtliche Aebte gesetzt ist, und verleiht einem königlichen Prinzen die Jurisdiction über alle Klöster des Landes; nur Dieser darf durch eigene Häscher die Bonzen verhaften lassen, des gelben Gewandes berauben und nach des Gesetzes Strenge be- strafen. Vor seinem Tode legt der Bonze das Priesterkleid ab, darin zu sterben gilt für ein grobes Verbrechen.
Viele Klöster in Baṅkok haben kostbare Bibliotheken; auch soll es gelehrte und fromme Mönche geben, die theologische, histo- rische, sprachliche Studien treiben und ein sittliches Leben führen, — doch nicht allzuviele.
Die Mädchen lernen nur kochen, selbst Nähen wäre bei der üblichen Landestracht eine brodlose Kunst. Ein grosser Theil der Feld- und Gartenarbeit fällt den Weibern schon dadurch zu, dass die Männer oft Monate lang Frohndienste leisten. In der ärmeren Classe werden die Mädchen meist ihren Bewerbern für eine Geld- summe verkauft, können aber trotzdem deren rechtmässige Gattinnen werden; doch hat der Mann das Recht, auch diese, wenn sie Schulden macht, zu verkaufen. Nur solche Frauen, die eine Mit- gift brachten, dürfen nicht verkauft werden. Die väterliche Gewalt ist fast unumschränkt; Eltern können ihre Kinder in Fesseln legen und nach Gefallen in unlösbare Knechtschaft verkaufen.
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XXII. Die Bonzen.
nehmen zum Predigen eingeladen, erwarten dafür aber reiche Ge-
schenke; selbst die Grossen bedienen sie in ihren Häusern sehr
ehrerbietig.
Zur Regenzeit versammeln sich die Bonzen jede Nacht in
ihrem Tempel und singen Litaneien zum Lobe des Budda. Eine
Zeit lang, etwa drei Wochen jedes Jahr, müssen sie in selbst-
gebauten Hütten auf dem Lande zur Busse ihrer Süden nächt-
liche Andachten halten, verschlafen dafür aber den Tag in ihrer
Klosterzelle. Nur drei Monate im Jahre muss der Bonze in sei-
nem Kloster wohnen; die übrige Zeit darf er sich nach Gefallen
herumtreiben. Viele reisen von Kloster zu Kloster bis in die
fernsten Wälder, theils zum Vergnügen, theils um Pflanzen und
Minerale für ihre Elixire und alchymistischen Zaubereien zu suchen.
Man unterscheidet königliche Klöster und solche die von
Privatleuten gestiftet sind; jedes hat seinen Vorsteher oder Abt.
Viele Wittwen und andere Frauen, die kein Unterkommen haben,
widmen sich dem Klosterdienst; für gröbere Arbeit haben die
königlichen Klöster auch Sclaven. Der König ernennt den Ober-
bonzen, der über sämmtliche Aebte gesetzt ist, und verleiht einem
königlichen Prinzen die Jurisdiction über alle Klöster des Landes;
nur Dieser darf durch eigene Häscher die Bonzen verhaften lassen,
des gelben Gewandes berauben und nach des Gesetzes Strenge be-
strafen. Vor seinem Tode legt der Bonze das Priesterkleid ab,
darin zu sterben gilt für ein grobes Verbrechen.
Viele Klöster in Baṅkok haben kostbare Bibliotheken; auch
soll es gelehrte und fromme Mönche geben, die theologische, histo-
rische, sprachliche Studien treiben und ein sittliches Leben führen,
— doch nicht allzuviele.
Die Mädchen lernen nur kochen, selbst Nähen wäre bei der
üblichen Landestracht eine brodlose Kunst. Ein grosser Theil der
Feld- und Gartenarbeit fällt den Weibern schon dadurch zu, dass
die Männer oft Monate lang Frohndienste leisten. In der ärmeren
Classe werden die Mädchen meist ihren Bewerbern für eine Geld-
summe verkauft, können aber trotzdem deren rechtmässige Gattinnen
werden; doch hat der Mann das Recht, auch diese, wenn sie
Schulden macht, zu verkaufen. Nur solche Frauen, die eine Mit-
gift brachten, dürfen nicht verkauft werden. Die väterliche Gewalt
ist fast unumschränkt; Eltern können ihre Kinder in Fesseln legen
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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/345>, abgerufen am 26.11.2024.
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