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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Beamten. Unterthanen. XXII.

Aus dem Königsschatz, in den die gesammten Einkünfte des
Landes fliessen, beziehen auch die königlichen Prinzen und deren
Nachkommen bis zu bestimmten Graden der Verwandtschaft ihr
Einkommen; die entfernteren Sprossen treten in den Privatstand
und sind auf sich selbst angewiesen. -- Sämmtliche Beamten haben
vom König ein festes Jahrgehalt, das aber den kleinsten Theil
ihres Einkommens ausmacht; die unbemittelten stehlen und die be-
mittelten auch; Bestechlichkeit gilt kaum für schimpflich. Eine
Hauptquelle des Einkommens ist der Raxakan oder königliche Dienst,
dem das ganze Volk unterworfen ist, ausgenommen eingewanderte
Chinesen, deren in Siam geborene Kinder dagegen als siamesische
Unterthanen gelten.

Das ganze Volk scheint in Freie, Clienten und Knechte zu
zerfallen. Die Freien schulden dem Könige jährlich drei Monate
Frohndienst, wovon sie sich oft durch Bestechung loskaufen. In
den entfernteren Landestheilen sind sie statt der Arbeit -- neben
den anderen Steuern -- zu bestimmten Naturallieferungen je nach
den Erzeugnissen ihrer Gegend verbunden. Die Clienten zahlen
dem König oder den Grossen, in deren Schutz sie stehen, eine
bestimmte Geldsteuer und werden nur gelegentlich zu Dienst-
leistungen einberufen. Die Prinzen und Grossen verfügen über
zehn bis fünfhundert Clientenfamilen, welche nebenbei eine Geld-
steuer an den königlichen Schatz zahlen; können sie diese nicht
erschwingen, so zahlt ihr Herr bis zu einer bestimmten Summe,
für welche sie dann seine Sclaven werden. Ihre Arbeit gilt für die
Zinsen der Schuld.

Diese Angaben sind eben so lückenhaft, wie die anderen
Nachrichten über die Knechtschaft. Sclaven sind zunächst alle
Kriegsgefangenen; einen Theil behält der König nach jedem Feldzug
im eigenen Dienst, die anderen verschenkt er an die Grossen.
Selbst diese Sclaven sollen, mit ihrem Herrn unzufrieden, in den
Dienst eines anderen zu treten befugt sein, der einen gesetzlich
festgestellten Preis für sie erlegt, gegen ihren Willen aber nicht
verkauft werden dürfen. Ueber ihre Kinder sollen sie frei ver-
fügen, auch dieselben, wie alle anderen Siamesen, verkaufen dürfen.
Die Knechtschaft der verkauften Kinder, meist Mädchen, ist un-
lösbar; der Verkäufer kann aber nicht zur Rechenschaft gezogen
werden, wenn sie entfliehen. -- Die meisten Sclaven sind Schuld-
sclaven. Für jedes Alter ist ein Preis bestimmt, um den ein

Beamten. Unterthanen. XXII.

Aus dem Königsschatz, in den die gesammten Einkünfte des
Landes fliessen, beziehen auch die königlichen Prinzen und deren
Nachkommen bis zu bestimmten Graden der Verwandtschaft ihr
Einkommen; die entfernteren Sprossen treten in den Privatstand
und sind auf sich selbst angewiesen. — Sämmtliche Beamten haben
vom König ein festes Jahrgehalt, das aber den kleinsten Theil
ihres Einkommens ausmacht; die unbemittelten stehlen und die be-
mittelten auch; Bestechlichkeit gilt kaum für schimpflich. Eine
Hauptquelle des Einkommens ist der Raxakan oder königliche Dienst,
dem das ganze Volk unterworfen ist, ausgenommen eingewanderte
Chinesen, deren in Siam geborene Kinder dagegen als siamesische
Unterthanen gelten.

Das ganze Volk scheint in Freie, Clienten und Knechte zu
zerfallen. Die Freien schulden dem Könige jährlich drei Monate
Frohndienst, wovon sie sich oft durch Bestechung loskaufen. In
den entfernteren Landestheilen sind sie statt der Arbeit — neben
den anderen Steuern — zu bestimmten Naturallieferungen je nach
den Erzeugnissen ihrer Gegend verbunden. Die Clienten zahlen
dem König oder den Grossen, in deren Schutz sie stehen, eine
bestimmte Geldsteuer und werden nur gelegentlich zu Dienst-
leistungen einberufen. Die Prinzen und Grossen verfügen über
zehn bis fünfhundert Clientenfamilen, welche nebenbei eine Geld-
steuer an den königlichen Schatz zahlen; können sie diese nicht
erschwingen, so zahlt ihr Herr bis zu einer bestimmten Summe,
für welche sie dann seine Sclaven werden. Ihre Arbeit gilt für die
Zinsen der Schuld.

Diese Angaben sind eben so lückenhaft, wie die anderen
Nachrichten über die Knechtschaft. Sclaven sind zunächst alle
Kriegsgefangenen; einen Theil behält der König nach jedem Feldzug
im eigenen Dienst, die anderen verschenkt er an die Grossen.
Selbst diese Sclaven sollen, mit ihrem Herrn unzufrieden, in den
Dienst eines anderen zu treten befugt sein, der einen gesetzlich
festgestellten Preis für sie erlegt, gegen ihren Willen aber nicht
verkauft werden dürfen. Ueber ihre Kinder sollen sie frei ver-
fügen, auch dieselben, wie alle anderen Siamesen, verkaufen dürfen.
Die Knechtschaft der verkauften Kinder, meist Mädchen, ist un-
lösbar; der Verkäufer kann aber nicht zur Rechenschaft gezogen
werden, wenn sie entfliehen. — Die meisten Sclaven sind Schuld-
sclaven. Für jedes Alter ist ein Preis bestimmt, um den ein

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[324/0338] Beamten. Unterthanen. XXII. Aus dem Königsschatz, in den die gesammten Einkünfte des Landes fliessen, beziehen auch die königlichen Prinzen und deren Nachkommen bis zu bestimmten Graden der Verwandtschaft ihr Einkommen; die entfernteren Sprossen treten in den Privatstand und sind auf sich selbst angewiesen. — Sämmtliche Beamten haben vom König ein festes Jahrgehalt, das aber den kleinsten Theil ihres Einkommens ausmacht; die unbemittelten stehlen und die be- mittelten auch; Bestechlichkeit gilt kaum für schimpflich. Eine Hauptquelle des Einkommens ist der Raxakan oder königliche Dienst, dem das ganze Volk unterworfen ist, ausgenommen eingewanderte Chinesen, deren in Siam geborene Kinder dagegen als siamesische Unterthanen gelten. Das ganze Volk scheint in Freie, Clienten und Knechte zu zerfallen. Die Freien schulden dem Könige jährlich drei Monate Frohndienst, wovon sie sich oft durch Bestechung loskaufen. In den entfernteren Landestheilen sind sie statt der Arbeit — neben den anderen Steuern — zu bestimmten Naturallieferungen je nach den Erzeugnissen ihrer Gegend verbunden. Die Clienten zahlen dem König oder den Grossen, in deren Schutz sie stehen, eine bestimmte Geldsteuer und werden nur gelegentlich zu Dienst- leistungen einberufen. Die Prinzen und Grossen verfügen über zehn bis fünfhundert Clientenfamilen, welche nebenbei eine Geld- steuer an den königlichen Schatz zahlen; können sie diese nicht erschwingen, so zahlt ihr Herr bis zu einer bestimmten Summe, für welche sie dann seine Sclaven werden. Ihre Arbeit gilt für die Zinsen der Schuld. Diese Angaben sind eben so lückenhaft, wie die anderen Nachrichten über die Knechtschaft. Sclaven sind zunächst alle Kriegsgefangenen; einen Theil behält der König nach jedem Feldzug im eigenen Dienst, die anderen verschenkt er an die Grossen. Selbst diese Sclaven sollen, mit ihrem Herrn unzufrieden, in den Dienst eines anderen zu treten befugt sein, der einen gesetzlich festgestellten Preis für sie erlegt, gegen ihren Willen aber nicht verkauft werden dürfen. Ueber ihre Kinder sollen sie frei ver- fügen, auch dieselben, wie alle anderen Siamesen, verkaufen dürfen. Die Knechtschaft der verkauften Kinder, meist Mädchen, ist un- lösbar; der Verkäufer kann aber nicht zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie entfliehen. — Die meisten Sclaven sind Schuld- sclaven. Für jedes Alter ist ein Preis bestimmt, um den ein

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/338>, abgerufen am 26.11.2024.