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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Todtenverbrennung. XXI
besonders das grosse Staatsboot mit der Leiche, an dessen Balda-
chin viele Laternen hingen. Die Verbrennung geschah am folgen-
den Tage. Zwischen den Bäumen vor dem Tempel stand ein hoher
Katafalk, mit weissem goldbesterntem Stoff behangen; innerhalb
führten mehrere Stufen zu einer Estrade hinan, auf welcher der
Holzstoss aus versilberten Scheiten aufgebaut war; oben darauf
unter einem von vier vergoldeten Stäben getragenen leichten Balda-
chin der sargartige unten vergitterte Kasten in weisse Decken ge-
hüllt; es war die Leiche eines dem Könige nahe stehenden Grossen.
Ein breiter Bandstreifen hing aus dem Sarge und wurde von fünf
am Fuss der Estrade sitzenden Bonzen gehalten, die Gebete sangen
und von Zeit zu Zeit das Band immer weiter herauszogen: das
soll andeuten, dass Gebete die Sünden von dem Verstorbenen
wegnehmen.

Um den Katafalk lagerten vornehme Siamesen, am Ufer
standen Soldaten aufmarschirt. In einer von Amazonen bewachten
Tempelhalle befanden sich Frauen aus dem Harem des Ersten Kö-
nigs, dessen Kinder ihm bei seinem Erscheinen gegen Abend froh
entgegenrannten. Nun kroch Alles am Boden; nur die Spalier bil-
denden Soldaten blieben zweibeinig, folgten aber, als der König auf
den Katafalk zuschritt, präsentirend mit komisch verdrehtem Kör-
per allen seinen Bewegungen. Vor dem Scheiterhaufen verrichtete
er ein Gebet, beschenkte die Priester mit neuen Gewändern und
zündete den Holzstoss an, nachdem er eine Blume in den Sarg ge-
worfen. Dann traten die leidtragenden Frauen, in weisse Gewänder
gehüllt, und die Königskinder heran, um Wachskerzen in das Feuer
zu werfen, während einige Trabanten rothe Beutelchen mit Silber-
geld unter das Volk warfen. Der König hockte eine Weile auf
einem Stein und zog sich bald zurück; dann traten auch die Grossen
heran, warfen Wachskerzen in die Flammen und zerstreuten sich.
Die ganze Feierlichkeit dauerte eine halbe Stunde.

Weit prächtiger war die Verbrennung eines Halbbruders des
Königs bei Wat Dzen, die bald darauf stattfand. Der siebzig Fuss
hohe Katafalk ruhte auf einer vier Fuss hohen Estrade, deren
Wände künstliche Felsen darstellten, mit Büschen, Affen und an-
deren Thieren aus Papiermasse. Zwei Treppen führten zum Estrich
hinan, wo auf einer mit reicher Goldzier geschmückten Erhöhung
der vergoldete Sarg mit der Leiche stand; zwei andere Särge zu
seinen Füssen, einen Sohn und eine Tochter des Verstorbenen ber-

Todtenverbrennung. XXI
besonders das grosse Staatsboot mit der Leiche, an dessen Balda-
chin viele Laternen hingen. Die Verbrennung geschah am folgen-
den Tage. Zwischen den Bäumen vor dem Tempel stand ein hoher
Katafalk, mit weissem goldbesterntem Stoff behangen; innerhalb
führten mehrere Stufen zu einer Estrade hinan, auf welcher der
Holzstoss aus versilberten Scheiten aufgebaut war; oben darauf
unter einem von vier vergoldeten Stäben getragenen leichten Balda-
chin der sargartige unten vergitterte Kasten in weisse Decken ge-
hüllt; es war die Leiche eines dem Könige nahe stehenden Grossen.
Ein breiter Bandstreifen hing aus dem Sarge und wurde von fünf
am Fuss der Estrade sitzenden Bonzen gehalten, die Gebete sangen
und von Zeit zu Zeit das Band immer weiter herauszogen: das
soll andeuten, dass Gebete die Sünden von dem Verstorbenen
wegnehmen.

Um den Katafalk lagerten vornehme Siamesen, am Ufer
standen Soldaten aufmarschirt. In einer von Amazonen bewachten
Tempelhalle befanden sich Frauen aus dem Harem des Ersten Kö-
nigs, dessen Kinder ihm bei seinem Erscheinen gegen Abend froh
entgegenrannten. Nun kroch Alles am Boden; nur die Spalier bil-
denden Soldaten blieben zweibeinig, folgten aber, als der König auf
den Katafalk zuschritt, präsentirend mit komisch verdrehtem Kör-
per allen seinen Bewegungen. Vor dem Scheiterhaufen verrichtete
er ein Gebet, beschenkte die Priester mit neuen Gewändern und
zündete den Holzstoss an, nachdem er eine Blume in den Sarg ge-
worfen. Dann traten die leidtragenden Frauen, in weisse Gewänder
gehüllt, und die Königskinder heran, um Wachskerzen in das Feuer
zu werfen, während einige Trabanten rothe Beutelchen mit Silber-
geld unter das Volk warfen. Der König hockte eine Weile auf
einem Stein und zog sich bald zurück; dann traten auch die Grossen
heran, warfen Wachskerzen in die Flammen und zerstreuten sich.
Die ganze Feierlichkeit dauerte eine halbe Stunde.

Weit prächtiger war die Verbrennung eines Halbbruders des
Königs bei Wat Džeṅ, die bald darauf stattfand. Der siebzig Fuss
hohe Katafalk ruhte auf einer vier Fuss hohen Estrade, deren
Wände künstliche Felsen darstellten, mit Büschen, Affen und an-
deren Thieren aus Papiermasse. Zwei Treppen führten zum Estrich
hinan, wo auf einer mit reicher Goldzier geschmückten Erhöhung
der vergoldete Sarg mit der Leiche stand; zwei andere Särge zu
seinen Füssen, einen Sohn und eine Tochter des Verstorbenen ber-

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[292/0306] Todtenverbrennung. XXI besonders das grosse Staatsboot mit der Leiche, an dessen Balda- chin viele Laternen hingen. Die Verbrennung geschah am folgen- den Tage. Zwischen den Bäumen vor dem Tempel stand ein hoher Katafalk, mit weissem goldbesterntem Stoff behangen; innerhalb führten mehrere Stufen zu einer Estrade hinan, auf welcher der Holzstoss aus versilberten Scheiten aufgebaut war; oben darauf unter einem von vier vergoldeten Stäben getragenen leichten Balda- chin der sargartige unten vergitterte Kasten in weisse Decken ge- hüllt; es war die Leiche eines dem Könige nahe stehenden Grossen. Ein breiter Bandstreifen hing aus dem Sarge und wurde von fünf am Fuss der Estrade sitzenden Bonzen gehalten, die Gebete sangen und von Zeit zu Zeit das Band immer weiter herauszogen: das soll andeuten, dass Gebete die Sünden von dem Verstorbenen wegnehmen. Um den Katafalk lagerten vornehme Siamesen, am Ufer standen Soldaten aufmarschirt. In einer von Amazonen bewachten Tempelhalle befanden sich Frauen aus dem Harem des Ersten Kö- nigs, dessen Kinder ihm bei seinem Erscheinen gegen Abend froh entgegenrannten. Nun kroch Alles am Boden; nur die Spalier bil- denden Soldaten blieben zweibeinig, folgten aber, als der König auf den Katafalk zuschritt, präsentirend mit komisch verdrehtem Kör- per allen seinen Bewegungen. Vor dem Scheiterhaufen verrichtete er ein Gebet, beschenkte die Priester mit neuen Gewändern und zündete den Holzstoss an, nachdem er eine Blume in den Sarg ge- worfen. Dann traten die leidtragenden Frauen, in weisse Gewänder gehüllt, und die Königskinder heran, um Wachskerzen in das Feuer zu werfen, während einige Trabanten rothe Beutelchen mit Silber- geld unter das Volk warfen. Der König hockte eine Weile auf einem Stein und zog sich bald zurück; dann traten auch die Grossen heran, warfen Wachskerzen in die Flammen und zerstreuten sich. Die ganze Feierlichkeit dauerte eine halbe Stunde. Weit prächtiger war die Verbrennung eines Halbbruders des Königs bei Wat Džeṅ, die bald darauf stattfand. Der siebzig Fuss hohe Katafalk ruhte auf einer vier Fuss hohen Estrade, deren Wände künstliche Felsen darstellten, mit Büschen, Affen und an- deren Thieren aus Papiermasse. Zwei Treppen führten zum Estrich hinan, wo auf einer mit reicher Goldzier geschmückten Erhöhung der vergoldete Sarg mit der Leiche stand; zwei andere Särge zu seinen Füssen, einen Sohn und eine Tochter des Verstorbenen ber-

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/306>, abgerufen am 27.11.2024.