dort in offenen mit Palmblättern gedeckten Schuppen eine Menge Reismühlen, wo die Körner vor der Verladung von der äusseren Hülse befreit werden. Weiter hinauf liegt ein kleines Fort im üppigsten Uferdickicht. Dann kreuzen den Klon mehrere belebte in die Stadt führende Rinnsale; hier und da spiegelt sich ein schmucker Tempelbau. Nah der Binnenstadt liegen, theils im Ufer- morast vermodernd, theils in Schuppen verwahrt, Hunderte langer Kanonenboote, zum Rudern eingerichtet, mit vergoldetem Zierrath und erhöhtem Vorder- und Hintertheil, wo die Geschütze stehen sollen.
Je näher der Binnenstadt, desto belebter sind die Wasser- gassen, besonders an Kreuzungen. Fünfjährige Kinder rudern sich behende in Nussschalen herum; was uns ein Paar Schuhe, das ist dem Siamesen sein Boot. Abends bei eintretender Kühlung wim- melt es in den Canälen; jeden Augenblick glaubt man anzurennen; da werden noch Lebensmittel, besonders köstliche Früchte aus- gerufen; aber die Fischboote hauchen unnahbaren Duft. -- Dann kleidet sich der Himmel bis zum Zenith in glühendes Gold; ein Feuermeer spiegelt die Masten, Pyramiden und fedrige Palmen wieder. Auf die Wipfel der Tempelgründe senken sich, vom Fisch- fang heimkehrend, wolkenähnliche Reiherschaaren.
Wie Klon-katmei die östliche, so umfliessen zwei stärkere Arme, Klon Banpran und Klon Bankok Noi die westliche Hälfte der Stadt. In der Nähe des Hauptstroms tragen sie Reihen schwimmender Häuser; weiter entfernt sind die Ufer ganz ländlich, nur einzelne Häuser liegen dort in dichten üppigen Gärten. In allen Wassergassen stehen, auf Pfähle gesetzt, viele winzige Tem- pelschreine von Holz, die Andächtige mit Goldflittern und Blumen schmücken. Andere grössere Capellen an den Ufern enthalten Priapusbilder von drei Fuss Höhe, die meist unter Opferkränzen und Blumen begraben sind.
Das königliche Lustschloss der Lotosblume liegt an einem von Osten einströmenden Arm, dessen Ufer vorwiegend von Ma- layen bewohnt sind; ihre unsauberen Hütten stehen auf Stelzen wie in den Sumpf gesteckt. Von unglaublicher Ueppigkeit ist hier der Pflanzenwuchs: die Nipa, -- eine gefiederte Pandanee, -- und eine stammlose Sumpfpalme säumen das Wasser mit mächtigen Wedeln; darüber lehnen allerlei Bambus, Cocos-, Areca-Palmen und die dop- peltgefiederte Caryota urens zwischen durchsichtigen Casuarinen,
Nebenarme des Menam. XXI.
dort in offenen mit Palmblättern gedeckten Schuppen eine Menge Reismühlen, wo die Körner vor der Verladung von der äusseren Hülse befreit werden. Weiter hinauf liegt ein kleines Fort im üppigsten Uferdickicht. Dann kreuzen den Kloṅ mehrere belebte in die Stadt führende Rinnsale; hier und da spiegelt sich ein schmucker Tempelbau. Nah der Binnenstadt liegen, theils im Ufer- morast vermodernd, theils in Schuppen verwahrt, Hunderte langer Kanonenboote, zum Rudern eingerichtet, mit vergoldetem Zierrath und erhöhtem Vorder- und Hintertheil, wo die Geschütze stehen sollen.
Je näher der Binnenstadt, desto belebter sind die Wasser- gassen, besonders an Kreuzungen. Fünfjährige Kinder rudern sich behende in Nussschalen herum; was uns ein Paar Schuhe, das ist dem Siamesen sein Boot. Abends bei eintretender Kühlung wim- melt es in den Canälen; jeden Augenblick glaubt man anzurennen; da werden noch Lebensmittel, besonders köstliche Früchte aus- gerufen; aber die Fischboote hauchen unnahbaren Duft. — Dann kleidet sich der Himmel bis zum Zenith in glühendes Gold; ein Feuermeer spiegelt die Masten, Pyramiden und fedrige Palmen wieder. Auf die Wipfel der Tempelgründe senken sich, vom Fisch- fang heimkehrend, wolkenähnliche Reiherschaaren.
Wie Kloṅ-katmei die östliche, so umfliessen zwei stärkere Arme, Kloṅ Baṅpraṅ und Kloṅ Baṅkok Noi die westliche Hälfte der Stadt. In der Nähe des Hauptstroms tragen sie Reihen schwimmender Häuser; weiter entfernt sind die Ufer ganz ländlich, nur einzelne Häuser liegen dort in dichten üppigen Gärten. In allen Wassergassen stehen, auf Pfähle gesetzt, viele winzige Tem- pelschreine von Holz, die Andächtige mit Goldflittern und Blumen schmücken. Andere grössere Capellen an den Ufern enthalten Priapusbilder von drei Fuss Höhe, die meist unter Opferkränzen und Blumen begraben sind.
Das königliche Lustschloss der Lotosblume liegt an einem von Osten einströmenden Arm, dessen Ufer vorwiegend von Ma- layen bewohnt sind; ihre unsauberen Hütten stehen auf Stelzen wie in den Sumpf gesteckt. Von unglaublicher Ueppigkeit ist hier der Pflanzenwuchs: die Nipa, — eine gefiederte Pandanee, — und eine stammlose Sumpfpalme säumen das Wasser mit mächtigen Wedeln; darüber lehnen allerlei Bambus, Cocos-, Areca-Palmen und die dop- peltgefiederte Caryota urens zwischen durchsichtigen Casuarinen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0300"n="286"/><fwplace="top"type="header">Nebenarme des <hirendition="#k"><placeName>Menam</placeName></hi>. XXI.</fw><lb/>
dort in offenen mit Palmblättern gedeckten Schuppen eine Menge<lb/>
Reismühlen, wo die Körner vor der Verladung von der äusseren<lb/>
Hülse befreit werden. Weiter hinauf liegt ein kleines Fort im<lb/>
üppigsten Uferdickicht. Dann kreuzen den <hirendition="#k"><placeName>Kloṅ</placeName></hi> mehrere belebte in<lb/>
die Stadt führende Rinnsale; hier und da spiegelt sich ein<lb/>
schmucker Tempelbau. Nah der Binnenstadt liegen, theils im Ufer-<lb/>
morast vermodernd, theils in Schuppen verwahrt, Hunderte langer<lb/>
Kanonenboote, zum Rudern eingerichtet, mit vergoldetem Zierrath<lb/>
und erhöhtem Vorder- und Hintertheil, wo die Geschütze stehen<lb/>
sollen.</p><lb/><p>Je näher der Binnenstadt, desto belebter sind die Wasser-<lb/>
gassen, besonders an Kreuzungen. Fünfjährige Kinder rudern sich<lb/>
behende in Nussschalen herum; was uns ein Paar Schuhe, das ist<lb/>
dem Siamesen sein Boot. Abends bei eintretender Kühlung wim-<lb/>
melt es in den Canälen; jeden Augenblick glaubt man anzurennen;<lb/>
da werden noch Lebensmittel, besonders köstliche Früchte aus-<lb/>
gerufen; aber die Fischboote hauchen unnahbaren Duft. — Dann<lb/>
kleidet sich der Himmel bis zum Zenith in glühendes Gold; ein<lb/>
Feuermeer spiegelt die Masten, Pyramiden und fedrige Palmen<lb/>
wieder. Auf die Wipfel der Tempelgründe senken sich, vom Fisch-<lb/>
fang heimkehrend, wolkenähnliche Reiherschaaren.</p><lb/><p>Wie <hirendition="#k"><placeName>Kloṅ-katmei</placeName></hi> die östliche, so umfliessen zwei stärkere<lb/>
Arme, <hirendition="#k"><placeName>Kloṅ Baṅpraṅ</placeName></hi> und <hirendition="#k"><placeName>Kloṅ Baṅkok</placeName> Noi</hi> die westliche<lb/>
Hälfte der Stadt. In der Nähe des Hauptstroms tragen sie Reihen<lb/>
schwimmender Häuser; weiter entfernt sind die Ufer ganz ländlich,<lb/>
nur einzelne Häuser liegen dort in dichten üppigen Gärten. In<lb/>
allen Wassergassen stehen, auf Pfähle gesetzt, viele winzige Tem-<lb/>
pelschreine von Holz, die Andächtige mit Goldflittern und Blumen<lb/>
schmücken. Andere grössere Capellen an den Ufern enthalten<lb/>
Priapusbilder von drei Fuss Höhe, die meist unter Opferkränzen<lb/>
und Blumen begraben sind.</p><lb/><p>Das königliche Lustschloss der Lotosblume liegt an einem<lb/>
von Osten einströmenden Arm, dessen Ufer vorwiegend von Ma-<lb/>
layen bewohnt sind; ihre unsauberen Hütten stehen auf Stelzen wie<lb/>
in den Sumpf gesteckt. Von unglaublicher Ueppigkeit ist hier der<lb/>
Pflanzenwuchs: die Nipa, — eine gefiederte Pandanee, — und eine<lb/>
stammlose Sumpfpalme säumen das Wasser mit mächtigen Wedeln;<lb/>
darüber lehnen allerlei Bambus, Cocos-, Areca-Palmen und die dop-<lb/>
peltgefiederte Caryota urens zwischen durchsichtigen Casuarinen,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[286/0300]
Nebenarme des Menam. XXI.
dort in offenen mit Palmblättern gedeckten Schuppen eine Menge
Reismühlen, wo die Körner vor der Verladung von der äusseren
Hülse befreit werden. Weiter hinauf liegt ein kleines Fort im
üppigsten Uferdickicht. Dann kreuzen den Kloṅ mehrere belebte in
die Stadt führende Rinnsale; hier und da spiegelt sich ein
schmucker Tempelbau. Nah der Binnenstadt liegen, theils im Ufer-
morast vermodernd, theils in Schuppen verwahrt, Hunderte langer
Kanonenboote, zum Rudern eingerichtet, mit vergoldetem Zierrath
und erhöhtem Vorder- und Hintertheil, wo die Geschütze stehen
sollen.
Je näher der Binnenstadt, desto belebter sind die Wasser-
gassen, besonders an Kreuzungen. Fünfjährige Kinder rudern sich
behende in Nussschalen herum; was uns ein Paar Schuhe, das ist
dem Siamesen sein Boot. Abends bei eintretender Kühlung wim-
melt es in den Canälen; jeden Augenblick glaubt man anzurennen;
da werden noch Lebensmittel, besonders köstliche Früchte aus-
gerufen; aber die Fischboote hauchen unnahbaren Duft. — Dann
kleidet sich der Himmel bis zum Zenith in glühendes Gold; ein
Feuermeer spiegelt die Masten, Pyramiden und fedrige Palmen
wieder. Auf die Wipfel der Tempelgründe senken sich, vom Fisch-
fang heimkehrend, wolkenähnliche Reiherschaaren.
Wie Kloṅ-katmei die östliche, so umfliessen zwei stärkere
Arme, Kloṅ Baṅpraṅ und Kloṅ Baṅkok Noi die westliche
Hälfte der Stadt. In der Nähe des Hauptstroms tragen sie Reihen
schwimmender Häuser; weiter entfernt sind die Ufer ganz ländlich,
nur einzelne Häuser liegen dort in dichten üppigen Gärten. In
allen Wassergassen stehen, auf Pfähle gesetzt, viele winzige Tem-
pelschreine von Holz, die Andächtige mit Goldflittern und Blumen
schmücken. Andere grössere Capellen an den Ufern enthalten
Priapusbilder von drei Fuss Höhe, die meist unter Opferkränzen
und Blumen begraben sind.
Das königliche Lustschloss der Lotosblume liegt an einem
von Osten einströmenden Arm, dessen Ufer vorwiegend von Ma-
layen bewohnt sind; ihre unsauberen Hütten stehen auf Stelzen wie
in den Sumpf gesteckt. Von unglaublicher Ueppigkeit ist hier der
Pflanzenwuchs: die Nipa, — eine gefiederte Pandanee, — und eine
stammlose Sumpfpalme säumen das Wasser mit mächtigen Wedeln;
darüber lehnen allerlei Bambus, Cocos-, Areca-Palmen und die dop-
peltgefiederte Caryota urens zwischen durchsichtigen Casuarinen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/300>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.