Geschütze jeder Grösse, von einer neunzölligen achtzehn Fuss langen Kanone bis zum kleinsten Mörser. Eine der Kasernen be- wohnt die Amazonengarde von schrecklichem Aussehn.
Oestlich von der Königsstadt liegt ein zu öffentlichen Lust- barkeiten bestimmter Platz; hier ersetzt die Ringmauer ein langes Gebäude mit Fenstern und einem Ausbau in der Mitte, wo der Hof den Volksbelustigungen zuschaut. Ein goldener Thron steht im mittelsten Fenster. -- Zwischen den Palaststädten des Ersten und des Zweiten Königs liegt ein zu Verbrennung der Leichen aus der Königsfamilie bestimmter freier Platz, wo damals grade Vorbereitun- gen für die Verbrennung der jüngst verstorbenen Königin getroffen wurden. In der Nähe ist ein Acker mit Reis bestellt, nach dessen Ertrag man die Ernte des ganzen Landes abschätzt. -- Die Palast- stadt des Zweiten Königs ist viel kleiner als die des Ersten, ent- hält aber ähnliche Tempel, Paläste, Kasernen, Höfe und Gärten.
An der Ringmauer der Binnenstadt, welche östlich von den beiden Palaststädten ausgedehnte Stadtviertel einschliesst, läuft innerhalb ein breiter Weg herum; dort giebt es Marktplätze. Grosse Haufen getrockneter Fische, Gemüse und Früchte liegen da auf- gestapelt; als Tauschmittel dient die Cowrie-Muschel (Cypraea Moneta), welche die Marktfrauen auf breiten Bananenblättern auf- zuschütten pflegen. Nach diesen Blättern, die auch zur Unterlage von Süssigkeiten dienen, sind die Kühe sehr lüstern, deren sich viele in dieser Stadtgegend herumtreiben. Oft setzt es da einen lärmenden Strauss, wenn sie die erhaschten Blätter sammt dem daran klebenden Kleingeld und Zuckerwerk schlingen wollen. -- 6400 Muscheln gehen auf einen Tikal oder Bat, dessen Silberwerth etwa 26 Silbergroschen beträgt.
Der vornehmste Tempel der Binnenstadt ist Wat Borowa- nivet, wo König Maha-monkut vor seiner Thronbesteigung als Bonze lebte; alle Mönche dieses Klosters sollen aus Adelsfamilien sein. -- In der südlichen Ecke der Binnenstadt liegt Wat Po, der grösste Tempel von Bankok, mit seinen Höfen, Gärten, Klöstern und Kapellen ein ganzes Stadtviertel bildend, das nordwestlich an die Palaststadt des Ersten Königs grenzt. Die Raumvertheilung ist unsymmetrisch, eine Folge hallenumgebener Höfe, in welchen die dem Buddacultus geweihten Bauwerke und riesige Bildsäulen stehen. Das von einigen Hundert Mönchen bewohnte Kloster bildet mehrere Strassen. Manche Höfe enthalten Gärten mit künstlichen Felsen,
Märkte. — Wat Borowanivet. XXI.
Geschütze jeder Grösse, von einer neunzölligen achtzehn Fuss langen Kanone bis zum kleinsten Mörser. Eine der Kasernen be- wohnt die Amazonengarde von schrecklichem Aussehn.
Oestlich von der Königsstadt liegt ein zu öffentlichen Lust- barkeiten bestimmter Platz; hier ersetzt die Ringmauer ein langes Gebäude mit Fenstern und einem Ausbau in der Mitte, wo der Hof den Volksbelustigungen zuschaut. Ein goldener Thron steht im mittelsten Fenster. — Zwischen den Palaststädten des Ersten und des Zweiten Königs liegt ein zu Verbrennung der Leichen aus der Königsfamilie bestimmter freier Platz, wo damals grade Vorbereitun- gen für die Verbrennung der jüngst verstorbenen Königin getroffen wurden. In der Nähe ist ein Acker mit Reis bestellt, nach dessen Ertrag man die Ernte des ganzen Landes abschätzt. — Die Palast- stadt des Zweiten Königs ist viel kleiner als die des Ersten, ent- hält aber ähnliche Tempel, Paläste, Kasernen, Höfe und Gärten.
An der Ringmauer der Binnenstadt, welche östlich von den beiden Palaststädten ausgedehnte Stadtviertel einschliesst, läuft innerhalb ein breiter Weg herum; dort giebt es Marktplätze. Grosse Haufen getrockneter Fische, Gemüse und Früchte liegen da auf- gestapelt; als Tauschmittel dient die Cowrie-Muschel (Cypraea Moneta), welche die Marktfrauen auf breiten Bananenblättern auf- zuschütten pflegen. Nach diesen Blättern, die auch zur Unterlage von Süssigkeiten dienen, sind die Kühe sehr lüstern, deren sich viele in dieser Stadtgegend herumtreiben. Oft setzt es da einen lärmenden Strauss, wenn sie die erhaschten Blätter sammt dem daran klebenden Kleingeld und Zuckerwerk schlingen wollen. — 6400 Muscheln gehen auf einen Tikal oder Bat, dessen Silberwerth etwa 26 Silbergroschen beträgt.
Der vornehmste Tempel der Binnenstadt ist Wat Borowa- nivet, wo König Maha-moṅkut vor seiner Thronbesteigung als Bonze lebte; alle Mönche dieses Klosters sollen aus Adelsfamilien sein. — In der südlichen Ecke der Binnenstadt liegt Wat Po, der grösste Tempel von Baṅkok, mit seinen Höfen, Gärten, Klöstern und Kapellen ein ganzes Stadtviertel bildend, das nordwestlich an die Palaststadt des Ersten Königs grenzt. Die Raumvertheilung ist unsymmetrisch, eine Folge hallenumgebener Höfe, in welchen die dem Buddacultus geweihten Bauwerke und riesige Bildsäulen stehen. Das von einigen Hundert Mönchen bewohnte Kloster bildet mehrere Strassen. Manche Höfe enthalten Gärten mit künstlichen Felsen,
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Märkte. — Wat Borowanivet. XXI.
Geschütze jeder Grösse, von einer neunzölligen achtzehn Fuss
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wohnt die Amazonengarde von schrecklichem Aussehn.
Oestlich von der Königsstadt liegt ein zu öffentlichen Lust-
barkeiten bestimmter Platz; hier ersetzt die Ringmauer ein langes
Gebäude mit Fenstern und einem Ausbau in der Mitte, wo der Hof
den Volksbelustigungen zuschaut. Ein goldener Thron steht im
mittelsten Fenster. — Zwischen den Palaststädten des Ersten und
des Zweiten Königs liegt ein zu Verbrennung der Leichen aus der
Königsfamilie bestimmter freier Platz, wo damals grade Vorbereitun-
gen für die Verbrennung der jüngst verstorbenen Königin getroffen
wurden. In der Nähe ist ein Acker mit Reis bestellt, nach dessen
Ertrag man die Ernte des ganzen Landes abschätzt. — Die Palast-
stadt des Zweiten Königs ist viel kleiner als die des Ersten, ent-
hält aber ähnliche Tempel, Paläste, Kasernen, Höfe und Gärten.
An der Ringmauer der Binnenstadt, welche östlich von den
beiden Palaststädten ausgedehnte Stadtviertel einschliesst, läuft
innerhalb ein breiter Weg herum; dort giebt es Marktplätze. Grosse
Haufen getrockneter Fische, Gemüse und Früchte liegen da auf-
gestapelt; als Tauschmittel dient die Cowrie-Muschel (Cypraea
Moneta), welche die Marktfrauen auf breiten Bananenblättern auf-
zuschütten pflegen. Nach diesen Blättern, die auch zur Unterlage
von Süssigkeiten dienen, sind die Kühe sehr lüstern, deren sich
viele in dieser Stadtgegend herumtreiben. Oft setzt es da einen
lärmenden Strauss, wenn sie die erhaschten Blätter sammt dem
daran klebenden Kleingeld und Zuckerwerk schlingen wollen. —
6400 Muscheln gehen auf einen Tikal oder Bat, dessen Silberwerth
etwa 26 Silbergroschen beträgt.
Der vornehmste Tempel der Binnenstadt ist Wat Borowa-
nivet, wo König Maha-moṅkut vor seiner Thronbesteigung als
Bonze lebte; alle Mönche dieses Klosters sollen aus Adelsfamilien
sein. — In der südlichen Ecke der Binnenstadt liegt Wat Po, der
grösste Tempel von Baṅkok, mit seinen Höfen, Gärten, Klöstern
und Kapellen ein ganzes Stadtviertel bildend, das nordwestlich an
die Palaststadt des Ersten Königs grenzt. Die Raumvertheilung ist
unsymmetrisch, eine Folge hallenumgebener Höfe, in welchen die
dem Buddacultus geweihten Bauwerke und riesige Bildsäulen stehen.
Das von einigen Hundert Mönchen bewohnte Kloster bildet mehrere
Strassen. Manche Höfe enthalten Gärten mit künstlichen Felsen,
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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/290>, abgerufen am 23.11.2024.
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