Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.Siamesische Musik. Neujahr. XXI. mendem Hause Sir Robert Schomburgk uns führte.62) Mit seinenFrauen und Töchtern, deren Zusammenspiel wie aus einem Gusse klang, übte er die Kunst in häuslicher Zurückgezogenheit, und brachte Stücke von der reichsten eigenthümlichsten Erfindung, tiefer Leidenschaft und Gedankenfülle zu Gehör, die uns wahrhaft ent- zückten. Ein kleines Mädchen spielte mit dem Plectrum eine grosse am Boden liegende Cither mit höchster Meisterschaft. -- Vielleicht bewährt sich auch hier die Erfahrung, dass die Künste an den Höfen verflachen; denn alle Productionen, die wir bei den Grossen von Siam hörten, waren, wenn auch nicht übelklingend, doch ohne jeden tieferen Gehalt. Die Thatsache aber, dass alle Vornehmen ihre Orchester hatten, beweist die nationale Neigung zur Musik. -- Maha-monkut hatte längst gewünscht, ein militärisches Musikcorps nach europäischem Muster zu besitzen, und liess dazu die besten Blechinstrumente aus Berlin kommen; aber Niemand konnte sie spielen. Nun bat er, dass seine Sclaven vom Musikcorps der Ar- kona unterrichtet würden, was Capitän Sundewall gern erlaubte; seitdem übten die Siamesen täglich mehrere Stunden mit unseren Bläsern und fassten so schnell, dass sie trotz der Unkenntniss aller geschriebenen Noten in wenig Wochen mehrere Märsche lernten. Die letzten Tage des Jahres vergingen unter kleinen Ausflügen Unser Leben gestaltete sich in Bankok sehr angenehm. Der 62) Eine schöne siamesische Weise ist mitgetheilt in dem zu Ende des 17. Jahr-
hunderts zu Paris gedruckten Buche des Mons. de La Loubere, Envoye extraordi- naire du Roi aupres du Roi de Siam en 1687. Siamesische Musik. Neujahr. XXI. mendem Hause Sir Robert Schomburgk uns führte.62) Mit seinenFrauen und Töchtern, deren Zusammenspiel wie aus einem Gusse klang, übte er die Kunst in häuslicher Zurückgezogenheit, und brachte Stücke von der reichsten eigenthümlichsten Erfindung, tiefer Leidenschaft und Gedankenfülle zu Gehör, die uns wahrhaft ent- zückten. Ein kleines Mädchen spielte mit dem Plectrum eine grosse am Boden liegende Cither mit höchster Meisterschaft. — Vielleicht bewährt sich auch hier die Erfahrung, dass die Künste an den Höfen verflachen; denn alle Productionen, die wir bei den Grossen von Siam hörten, waren, wenn auch nicht übelklingend, doch ohne jeden tieferen Gehalt. Die Thatsache aber, dass alle Vornehmen ihre Orchester hatten, beweist die nationale Neigung zur Musik. — Maha-moṅkut hatte längst gewünscht, ein militärisches Musikcorps nach europäischem Muster zu besitzen, und liess dazu die besten Blechinstrumente aus Berlin kommen; aber Niemand konnte sie spielen. Nun bat er, dass seine Sclaven vom Musikcorps der Ar- kona unterrichtet würden, was Capitän Sundewall gern erlaubte; seitdem übten die Siamesen täglich mehrere Stunden mit unseren Bläsern und fassten so schnell, dass sie trotz der Unkenntniss aller geschriebenen Noten in wenig Wochen mehrere Märsche lernten. Die letzten Tage des Jahres vergingen unter kleinen Ausflügen Unser Leben gestaltete sich in Baṅkok sehr angenehm. Der 62) Eine schöne siamesische Weise ist mitgetheilt in dem zu Ende des 17. Jahr-
hunderts zu Paris gedruckten Buche des Mons. de La Loubère, Envoyé extraordi- naire du Roi auprès du Roi de Siam en 1687. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0286" n="272"/><fw place="top" type="header">Siamesische Musik. Neujahr. XXI.</fw><lb/> mendem Hause Sir <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118759086">Robert Schomburgk</persName> uns führte.<note place="foot" n="62)">Eine schöne siamesische Weise ist mitgetheilt in dem zu Ende des 17. Jahr-<lb/> hunderts zu <placeName>Paris</placeName> gedruckten Buche des Mons. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/124436641">de La Loubère</persName>, Envoyé extraordi-<lb/> naire du Roi auprès du Roi de <placeName>Siam</placeName> en 1687.</note> Mit seinen<lb/> Frauen und Töchtern, deren Zusammenspiel wie aus einem Gusse<lb/> klang, übte er die Kunst in häuslicher Zurückgezogenheit, und<lb/> brachte Stücke von der reichsten eigenthümlichsten Erfindung, tiefer<lb/> Leidenschaft und Gedankenfülle zu Gehör, die uns wahrhaft ent-<lb/> zückten. Ein kleines Mädchen spielte mit dem Plectrum eine grosse<lb/> am Boden liegende Cither mit höchster Meisterschaft. — Vielleicht<lb/> bewährt sich auch hier die Erfahrung, dass die Künste an den<lb/> Höfen verflachen; denn alle Productionen, die wir bei den Grossen<lb/> von <hi rendition="#k"><placeName>Siam</placeName></hi> hörten, waren, wenn auch nicht übelklingend, doch ohne<lb/> jeden tieferen Gehalt. Die Thatsache aber, dass alle Vornehmen<lb/> ihre Orchester hatten, beweist die nationale Neigung zur Musik. —<lb/><hi rendition="#k"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/119137003">Maha-moṅkut</persName></hi> hatte längst gewünscht, ein militärisches Musikcorps<lb/> nach europäischem Muster zu besitzen, und liess dazu die besten<lb/> Blechinstrumente aus <placeName>Berlin</placeName> kommen; aber Niemand konnte sie<lb/> spielen. Nun bat er, dass seine Sclaven vom Musikcorps der Ar-<lb/> kona unterrichtet würden, was Capitän <persName ref="nognd">Sundewall</persName> gern erlaubte;<lb/> seitdem übten die Siamesen täglich mehrere Stunden mit unseren<lb/> Bläsern und fassten so schnell, dass sie trotz der Unkenntniss aller<lb/> geschriebenen Noten in wenig Wochen mehrere Märsche lernten.</p><lb/> <p>Die letzten Tage des Jahres vergingen unter kleinen Ausflügen<lb/> und Besuchen auf den Consulaten. Am Abend des 30. December<lb/> war Concert beim <persName ref="nognd">Prinzen <hi rendition="#k">Khroma-luaṅ</hi></persName>. Den Sylvesterabend brach-<lb/> ten der Gesandte und einige seiner Begleiter mit dem grössten Theil<lb/> der europäischen Gesellschaft im Hause des englischen Consuls zu.<lb/> Der Aufgang war festlich mit Palmen und Blattpflanzen geschmückt,<lb/> die breite das Haus umgebende Veranda, wo die Gesellschaft sich<lb/> am meisten bewegte, mit Flaggen decorirt. Gegen zehn wurde im Gar-<lb/> ten ein hübsches Feuerwerk abgebrannt. Um Mitternacht spielte das<lb/> Musikcorps der Arkona »Nun danket Alle Gott« dann wurden die Glück-<lb/> wünsche unter den Klängen des Dessauer Marsches ausgetauscht.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Unser Leben gestaltete sich in <hi rendition="#k"><placeName>Baṅkok</placeName></hi> sehr angenehm. Der<lb/> Vertrag machte kaum Sorgen; die Verhandlungen wären sogar in<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [272/0286]
Siamesische Musik. Neujahr. XXI.
mendem Hause Sir Robert Schomburgk uns führte. 62) Mit seinen
Frauen und Töchtern, deren Zusammenspiel wie aus einem Gusse
klang, übte er die Kunst in häuslicher Zurückgezogenheit, und
brachte Stücke von der reichsten eigenthümlichsten Erfindung, tiefer
Leidenschaft und Gedankenfülle zu Gehör, die uns wahrhaft ent-
zückten. Ein kleines Mädchen spielte mit dem Plectrum eine grosse
am Boden liegende Cither mit höchster Meisterschaft. — Vielleicht
bewährt sich auch hier die Erfahrung, dass die Künste an den
Höfen verflachen; denn alle Productionen, die wir bei den Grossen
von Siam hörten, waren, wenn auch nicht übelklingend, doch ohne
jeden tieferen Gehalt. Die Thatsache aber, dass alle Vornehmen
ihre Orchester hatten, beweist die nationale Neigung zur Musik. —
Maha-moṅkut hatte längst gewünscht, ein militärisches Musikcorps
nach europäischem Muster zu besitzen, und liess dazu die besten
Blechinstrumente aus Berlin kommen; aber Niemand konnte sie
spielen. Nun bat er, dass seine Sclaven vom Musikcorps der Ar-
kona unterrichtet würden, was Capitän Sundewall gern erlaubte;
seitdem übten die Siamesen täglich mehrere Stunden mit unseren
Bläsern und fassten so schnell, dass sie trotz der Unkenntniss aller
geschriebenen Noten in wenig Wochen mehrere Märsche lernten.
Die letzten Tage des Jahres vergingen unter kleinen Ausflügen
und Besuchen auf den Consulaten. Am Abend des 30. December
war Concert beim Prinzen Khroma-luaṅ. Den Sylvesterabend brach-
ten der Gesandte und einige seiner Begleiter mit dem grössten Theil
der europäischen Gesellschaft im Hause des englischen Consuls zu.
Der Aufgang war festlich mit Palmen und Blattpflanzen geschmückt,
die breite das Haus umgebende Veranda, wo die Gesellschaft sich
am meisten bewegte, mit Flaggen decorirt. Gegen zehn wurde im Gar-
ten ein hübsches Feuerwerk abgebrannt. Um Mitternacht spielte das
Musikcorps der Arkona »Nun danket Alle Gott« dann wurden die Glück-
wünsche unter den Klängen des Dessauer Marsches ausgetauscht.
Unser Leben gestaltete sich in Baṅkok sehr angenehm. Der
Vertrag machte kaum Sorgen; die Verhandlungen wären sogar in
62) Eine schöne siamesische Weise ist mitgetheilt in dem zu Ende des 17. Jahr-
hunderts zu Paris gedruckten Buche des Mons. de La Loubère, Envoyé extraordi-
naire du Roi auprès du Roi de Siam en 1687.
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