Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.XXI. Der Erste König. Die Wohnräume waren mit europäischem Luxus eingerichtet: amFussboden kostbare englische Teppiche, an den Wänden grosse Spiegel, -- ein Geschenk der Stadt Hamburg, -- auf Tischen und Consolen prächtige Stutzuhren, Lampen, Candelaber und Vasen. -- Ehe Herr Pieschel aufbrach, führte ihn der Kalahum zu seiner Ge- mahlin, die im Garten war. In einer Halle lag eine Schaar dienen- der Mädchen vor dem Ruhebett hingestreckt, von welchem Ihre Excellenz eben aufstand; neugierig blitzten die grossen kohlschwar- zen Augen den Fremden entgegen. In der Tracht unterscheiden die Frauen sich nur dadurch von den Männern, dass sie statt der Jacke einen Shawl um Brust und Schultern schlagen; selbst die Haartracht ist dieselbe bis auf zwei kurze Büschel, welche die Frauen an den Schläfen stehn lassen. Capitän Jachmann und die Officiere der Thetis hatten am In Bankok erregte damals das Auftreten des kaiserlich fran- XXI. Der Erste König. Die Wohnräume waren mit europäischem Luxus eingerichtet: amFussboden kostbare englische Teppiche, an den Wänden grosse Spiegel, — ein Geschenk der Stadt Hamburg, — auf Tischen und Consolen prächtige Stutzuhren, Lampen, Candelaber und Vasen. — Ehe Herr Pieschel aufbrach, führte ihn der Kalahum zu seiner Ge- mahlin, die im Garten war. In einer Halle lag eine Schaar dienen- der Mädchen vor dem Ruhebett hingestreckt, von welchem Ihre Excellenz eben aufstand; neugierig blitzten die grossen kohlschwar- zen Augen den Fremden entgegen. In der Tracht unterscheiden die Frauen sich nur dadurch von den Männern, dass sie statt der Jacke einen Shawl um Brust und Schultern schlagen; selbst die Haartracht ist dieselbe bis auf zwei kurze Büschel, welche die Frauen an den Schläfen stehn lassen. 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XXI. Der Erste König.
Die Wohnräume waren mit europäischem Luxus eingerichtet: am
Fussboden kostbare englische Teppiche, an den Wänden grosse
Spiegel, — ein Geschenk der Stadt Hamburg, — auf Tischen und
Consolen prächtige Stutzuhren, Lampen, Candelaber und Vasen. —
Ehe Herr Pieschel aufbrach, führte ihn der Kalahum zu seiner Ge-
mahlin, die im Garten war. In einer Halle lag eine Schaar dienen-
der Mädchen vor dem Ruhebett hingestreckt, von welchem Ihre
Excellenz eben aufstand; neugierig blitzten die grossen kohlschwar-
zen Augen den Fremden entgegen. In der Tracht unterscheiden
die Frauen sich nur dadurch von den Männern, dass sie statt der
Jacke einen Shawl um Brust und Schultern schlagen; selbst die
Haartracht ist dieselbe bis auf zwei kurze Büschel, welche die
Frauen an den Schläfen stehn lassen.
Capitän Jachmann und die Officiere der Thetis hatten am
26. November die Ehre, von Seiner Majestät dem Ersten König
Phra-Bat Somdetš Phra Paramendr Maha Moṅkut Phra Kom Klau
Tšau Yu Hua in einer Privataudienz empfangen zu werden. Am
9. December kehrten sie auf die Fregatte zurück.
In Baṅkok erregte damals das Auftreten des kaiserlich fran-
zösischen Consuls Comte de Castelnau grosse Unruhe. Dieser hatte —
nach Mittheilungen des Prinzen Khroma-Luaṅ — am 8. November
eine Note an den Phra-Klaṅ gerichtet, welche zu peinlichen Er-
örterungen über die Stellung des Siam tributpflichtigen Reiches
Kamboǰa führte. Die Erfüllung der französischen Forderungen hätte
den König von Siam tief gedemüthigt und seine angestammte Ober-
hoheit über Kamboǰa beeinträchtigt; Prinz Khroma-Luaṅ und die
Minister sprachen darüber mit Bitterkeit und leisteten zähen Wider-
stand. — Anfang December kam nun die Nachricht nach Baṅkok,
dass französische Streitkräfte die an der Küste von Kamboǰa gele-
gene Insel Pulo Kondore besetzt hätten, welche früher der englisch-
ostindischen Compagnie gehörte, nach Vertreibung ihrer schwachen
Garnison durch die Eingebornen von derselben aber aufgegeben war.
Für Frankreich war die Insel, welche den directen Weg von Siam
nach China beherrscht, bei der Hafenlosigkeit der cochinchinesischen
Küste strategisch von grosser Wichtigkeit. — Die Nachricht von
diesem Schritt erregte in Siam doppelt peinliches Aufsehn, weil sie
mit einem Vertragsbruch von französischer Seite zusammentraf: am
9. December erschien nämlich in Baṅkok der von der französischen
Regierung gecharterte und als Kriegsschiff ausgerüstete Dampfer
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