kaiserlichen Person. Die Menge des Gefolges würde, die Reise in Hast und Verwirrung beginnend, für Alles empfänglich sein, das ihnen Furcht einflössen könnte; und wenn sie sich auf der Reise zerstreuten, so möchte man kein Mittel finden, vorwärts oder rückwärts zu gehen.
Seit (1820) dem Jahre, in welchem Seine selige Majestät die Jagdreise aussetzte, soll, wie man hört, das Land sehr verödet, die Reise-Paläste sollen verfallen und unbewohnbar sein. Wir wissen auch nicht gewiss, welche Gesinnung die jetzigen Bewohner hegen; aber das können wir mit Sicherheit behaupten, dass sie nicht so treu ergeben sind, als die Bewohner der Hauptstadt, die es seit 200 Jahren ist. Ferner ist Dzehol nicht weit von San-hai-kwan, Niu-tswan und anderen den Barbaren zugänglichen Orten entfernt; es liegt auch in der Nähe der russischen Barbaren. Da nun dem so ist, wer kann es für sicher halten?
Unsere Truppen sind mehrfach zahlreicher als die der Bar- baren; verliesse Deine Majestät aber den Hof, so würde Jedem der Muth sinken, panischer Schrecken würde ausbrechen, die Barbaren würden die Gelegenheit benutzen die Stadt zu nehmen, und wir würden schlimmer die Opfer ihrer Listen werden, als da die Männer von Lu Yü und Tsan-pan-tsan die Regierung einsetzten (um 1127). Von da an würde die Hauptstadt uns nicht mehr gehören und das Reich würde ihr Loos theilen.
Was einen aus Prinzen und Ministern zu bildenden Regent- schaftsrath betrifft, der während Deiner Majestät zeitweiliger Abwesen- heit mit der Verwaltung beauftragt werden sollte, so möchten wir be- merken, dass die jetzige Zeit nicht mit derjenigen der Regierung des Kia-kin zu vergleichen ist. Unmöglich dürfte die ordentliche Ver- waltung innerer oder auswärtiger Angelegenheiten ihm mit Sicherheit anzuvertrauen sein. Nach Erfahrungen aus alter Zeit war niemals ge- wiss, dass das Ende solcher Regentschaft mit ihrem Anfang überein- stimmte. Obwohl Tai-tsin aus dem Min-Hause (1455) kein unloyaler Prinz war, so entging Yin-tsin, als er von seiner nördlichen Reise zu den Samo zurückkehrte, mit genauer Noth dem Schicksal, seine Tage im Süden des Landes (in Einsamkeit) zubringen zu müssen. Die Erfahrung aller früheren Regentschaften ist geeignet, in Betreff solcher Verwaltung die grösste Vorsicht einzuflössen.
Seit der ersten Errichtung unserer Dynastie ist viel Verkehr gewesen zwischen Einheimischen und Ausländern, und ihr beider- seitiger Wohlstand hat geblüht; davon hatten wir kein früheres Bei- spiel. Die Barbaren des heutigen Tages sind an Wildheit nicht zu vergleichen denen der Zeit des Yun-kia in der Tsin-Dynastie (A. D.
Denkschriften gegen das Kaisers Flucht. XIX.
kaiserlichen Person. Die Menge des Gefolges würde, die Reise in Hast und Verwirrung beginnend, für Alles empfänglich sein, das ihnen Furcht einflössen könnte; und wenn sie sich auf der Reise zerstreuten, so möchte man kein Mittel finden, vorwärts oder rückwärts zu gehen.
Seit (1820) dem Jahre, in welchem Seine selige Majestät die Jagdreise aussetzte, soll, wie man hört, das Land sehr verödet, die Reise-Paläste sollen verfallen und unbewohnbar sein. Wir wissen auch nicht gewiss, welche Gesinnung die jetzigen Bewohner hegen; aber das können wir mit Sicherheit behaupten, dass sie nicht so treu ergeben sind, als die Bewohner der Hauptstadt, die es seit 200 Jahren ist. Ferner ist Džehol nicht weit von San-hai-kwan, Niu-tšwaṅ und anderen den Barbaren zugänglichen Orten entfernt; es liegt auch in der Nähe der russischen Barbaren. Da nun dem so ist, wer kann es für sicher halten?
Unsere Truppen sind mehrfach zahlreicher als die der Bar- baren; verliesse Deine Majestät aber den Hof, so würde Jedem der Muth sinken, panischer Schrecken würde ausbrechen, die Barbaren würden die Gelegenheit benutzen die Stadt zu nehmen, und wir würden schlimmer die Opfer ihrer Listen werden, als da die Männer von Lu Yü und Tšan-pan-tšan die Regierung einsetzten (um 1127). Von da an würde die Hauptstadt uns nicht mehr gehören und das Reich würde ihr Loos theilen.
Was einen aus Prinzen und Ministern zu bildenden Regent- schaftsrath betrifft, der während Deiner Majestät zeitweiliger Abwesen- heit mit der Verwaltung beauftragt werden sollte, so möchten wir be- merken, dass die jetzige Zeit nicht mit derjenigen der Regierung des Kia-kiṅ zu vergleichen ist. Unmöglich dürfte die ordentliche Ver- waltung innerer oder auswärtiger Angelegenheiten ihm mit Sicherheit anzuvertrauen sein. Nach Erfahrungen aus alter Zeit war niemals ge- wiss, dass das Ende solcher Regentschaft mit ihrem Anfang überein- stimmte. Obwohl Tai-tsin aus dem Miṅ-Hause (1455) kein unloyaler Prinz war, so entging Yiṅ-tsiṅ, als er von seiner nördlichen Reise zu den Samo zurückkehrte, mit genauer Noth dem Schicksal, seine Tage im Süden des Landes (in Einsamkeit) zubringen zu müssen. Die Erfahrung aller früheren Regentschaften ist geeignet, in Betreff solcher Verwaltung die grösste Vorsicht einzuflössen.
Seit der ersten Errichtung unserer Dynastie ist viel Verkehr gewesen zwischen Einheimischen und Ausländern, und ihr beider- seitiger Wohlstand hat geblüht; davon hatten wir kein früheres Bei- spiel. Die Barbaren des heutigen Tages sind an Wildheit nicht zu vergleichen denen der Zeit des Yuṅ-kia in der Tsiṅ-Dynastie (A. D.
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Denkschriften gegen das Kaisers Flucht. XIX.
kaiserlichen Person. Die Menge des Gefolges würde, die Reise in
Hast und Verwirrung beginnend, für Alles empfänglich sein, das ihnen
Furcht einflössen könnte; und wenn sie sich auf der Reise zerstreuten,
so möchte man kein Mittel finden, vorwärts oder rückwärts zu gehen.
Seit (1820) dem Jahre, in welchem Seine selige Majestät die
Jagdreise aussetzte, soll, wie man hört, das Land sehr verödet, die
Reise-Paläste sollen verfallen und unbewohnbar sein. Wir wissen
auch nicht gewiss, welche Gesinnung die jetzigen Bewohner hegen;
aber das können wir mit Sicherheit behaupten, dass sie nicht so treu
ergeben sind, als die Bewohner der Hauptstadt, die es seit 200 Jahren
ist. Ferner ist Džehol nicht weit von San-hai-kwan, Niu-tšwaṅ
und anderen den Barbaren zugänglichen Orten entfernt; es liegt auch
in der Nähe der russischen Barbaren. Da nun dem so ist, wer kann
es für sicher halten?
Unsere Truppen sind mehrfach zahlreicher als die der Bar-
baren; verliesse Deine Majestät aber den Hof, so würde Jedem der
Muth sinken, panischer Schrecken würde ausbrechen, die Barbaren
würden die Gelegenheit benutzen die Stadt zu nehmen, und wir würden
schlimmer die Opfer ihrer Listen werden, als da die Männer von Lu
Yü und Tšan-pan-tšan die Regierung einsetzten (um 1127). Von
da an würde die Hauptstadt uns nicht mehr gehören und das Reich
würde ihr Loos theilen.
Was einen aus Prinzen und Ministern zu bildenden Regent-
schaftsrath betrifft, der während Deiner Majestät zeitweiliger Abwesen-
heit mit der Verwaltung beauftragt werden sollte, so möchten wir be-
merken, dass die jetzige Zeit nicht mit derjenigen der Regierung des
Kia-kiṅ zu vergleichen ist. Unmöglich dürfte die ordentliche Ver-
waltung innerer oder auswärtiger Angelegenheiten ihm mit Sicherheit
anzuvertrauen sein. Nach Erfahrungen aus alter Zeit war niemals ge-
wiss, dass das Ende solcher Regentschaft mit ihrem Anfang überein-
stimmte. Obwohl Tai-tsin aus dem Miṅ-Hause (1455) kein unloyaler
Prinz war, so entging Yiṅ-tsiṅ, als er von seiner nördlichen Reise
zu den Samo zurückkehrte, mit genauer Noth dem Schicksal, seine
Tage im Süden des Landes (in Einsamkeit) zubringen zu müssen. Die
Erfahrung aller früheren Regentschaften ist geeignet, in Betreff solcher
Verwaltung die grösste Vorsicht einzuflössen.
Seit der ersten Errichtung unserer Dynastie ist viel Verkehr
gewesen zwischen Einheimischen und Ausländern, und ihr beider-
seitiger Wohlstand hat geblüht; davon hatten wir kein früheres Bei-
spiel. Die Barbaren des heutigen Tages sind an Wildheit nicht zu
vergleichen denen der Zeit des Yuṅ-kia in der Tsiṅ-Dynastie (A. D.
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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/236>, abgerufen am 17.02.2025.
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