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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XIX. Tempel.
In wenigen Familien soll sich rein portugiesisches Geblüt erhalten
haben; die Heirathen mit Chinesinnen waren besonders früher an
der Tagesordnung. Im Ganzen sind die Portugiesen von Macao
ein vertrocknetes, unschönes Geschlecht von kleinem schwächlichem
Körperbau und gelber Hautfarbe, dessen Aeusseres wenig Vertrauen
erweckt. -- Sonntags und Donnerstags versammelte sich die schöne
Welt auf der Praja, wo gegen Abend die Militärmusik spielte. Die
Garnison bestand aus 150 gut gekleideten Soldaten von der ver-
schiedensten Hautfarbe, meist Mulatten und Schwarzen aus Timur,
von wo auch viele Sclaven nach Macao gebracht wurden.

So einsam und langweilig die Praja, so belebt sind die
chinesischen Gassen am inneren Hafen; in fünf Minuten geht man
hinüber. Am Quai steht dort ein bunter Tempel neuester Gründung,
von der hohen Stufe der Ausbildung zeugend, auf welcher die Bau-
handwerke sich in China bis heute erhalten haben.47) Die Kachel-
und Stuckarbeit der Dachfirst, der Friese und Krönungen ist von
der höchsten technischen Vollendung, ebenso die Steinmetzarbeit
der Pfeiler und Schwellen aus weissem Granit, deren kunstreiche
Kehlungen und Sculpturen wie mit dem Hobel und Schnitzmesser
vollendet sind. Die vergoldeten Inschriften und Embleme stehen
darauf in flachem Relief gemeisselt, das ein schmaler Zinoberrand
scharf vom glänzenden Grunde abhebt. Das Innere bildet ein
Hypäthron, in dessen Mitte mächtiges Himmelslicht einströmt, wäh-
rend die umgebenden Hallen in magische Dämmerung gehüllt sind.
Eine reizende Wirkung macht es, wenn die hochstehende Sonne
in den weissen Pulverdampf der im Mittelraum abgebrannten Feuer-
werke hineinscheint.

Am Eingang des inneren Hafens liegt westlich von der Stadt
eine Tempelanlage zwischen grossen, von dichten Wipfeln beschat-
teten Felsblöcken. Vom Uferquai führen einige Stufen zum Portal
einer breiten mit Tempeln und Capellen umgebenen Terrasse hinan,
welche den anmuthigsten Blick auf den Hafen bietet. Weitere
Treppenfluchten steigen durch wild übereinandergewürfelte Fels-
blöcke zu anderen Tempelchen und daran vorüber nach einem
Stationspfad hinan, der an Schreinen und Götzen vorbei im won-
nigsten Schatten zum Gipfel des Hügels hinanklimmt. An einem
Bambusgebüsch auf der Höhe hängen allerlei Votivgaben gläubiger
Schiffer, welchen der Tempel besonders lieb zu sein scheint; davon

47) S. Ansichten aus Japan, China und Siam IX.

XIX. Tempel.
In wenigen Familien soll sich rein portugiesisches Geblüt erhalten
haben; die Heirathen mit Chinesinnen waren besonders früher an
der Tagesordnung. Im Ganzen sind die Portugiesen von Macao
ein vertrocknetes, unschönes Geschlecht von kleinem schwächlichem
Körperbau und gelber Hautfarbe, dessen Aeusseres wenig Vertrauen
erweckt. — Sonntags und Donnerstags versammelte sich die schöne
Welt auf der Praja, wo gegen Abend die Militärmusik spielte. Die
Garnison bestand aus 150 gut gekleideten Soldaten von der ver-
schiedensten Hautfarbe, meist Mulatten und Schwarzen aus Timur,
von wo auch viele Sclaven nach Macao gebracht wurden.

So einsam und langweilig die Praja, so belebt sind die
chinesischen Gassen am inneren Hafen; in fünf Minuten geht man
hinüber. Am Quai steht dort ein bunter Tempel neuester Gründung,
von der hohen Stufe der Ausbildung zeugend, auf welcher die Bau-
handwerke sich in China bis heute erhalten haben.47) Die Kachel-
und Stuckarbeit der Dachfirst, der Friese und Krönungen ist von
der höchsten technischen Vollendung, ebenso die Steinmetzarbeit
der Pfeiler und Schwellen aus weissem Granit, deren kunstreiche
Kehlungen und Sculpturen wie mit dem Hobel und Schnitzmesser
vollendet sind. Die vergoldeten Inschriften und Embleme stehen
darauf in flachem Relief gemeisselt, das ein schmaler Zinoberrand
scharf vom glänzenden Grunde abhebt. Das Innere bildet ein
Hypäthron, in dessen Mitte mächtiges Himmelslicht einströmt, wäh-
rend die umgebenden Hallen in magische Dämmerung gehüllt sind.
Eine reizende Wirkung macht es, wenn die hochstehende Sonne
in den weissen Pulverdampf der im Mittelraum abgebrannten Feuer-
werke hineinscheint.

Am Eingang des inneren Hafens liegt westlich von der Stadt
eine Tempelanlage zwischen grossen, von dichten Wipfeln beschat-
teten Felsblöcken. Vom Uferquai führen einige Stufen zum Portal
einer breiten mit Tempeln und Capellen umgebenen Terrasse hinan,
welche den anmuthigsten Blick auf den Hafen bietet. Weitere
Treppenfluchten steigen durch wild übereinandergewürfelte Fels-
blöcke zu anderen Tempelchen und daran vorüber nach einem
Stationspfad hinan, der an Schreinen und Götzen vorbei im won-
nigsten Schatten zum Gipfel des Hügels hinanklimmt. An einem
Bambusgebüsch auf der Höhe hängen allerlei Votivgaben gläubiger
Schiffer, welchen der Tempel besonders lieb zu sein scheint; davon

47) S. Ansichten aus Japan, China und Siam IX.
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[201/0215] XIX. Tempel. In wenigen Familien soll sich rein portugiesisches Geblüt erhalten haben; die Heirathen mit Chinesinnen waren besonders früher an der Tagesordnung. Im Ganzen sind die Portugiesen von Macao ein vertrocknetes, unschönes Geschlecht von kleinem schwächlichem Körperbau und gelber Hautfarbe, dessen Aeusseres wenig Vertrauen erweckt. — Sonntags und Donnerstags versammelte sich die schöne Welt auf der Praja, wo gegen Abend die Militärmusik spielte. Die Garnison bestand aus 150 gut gekleideten Soldaten von der ver- schiedensten Hautfarbe, meist Mulatten und Schwarzen aus Timur, von wo auch viele Sclaven nach Macao gebracht wurden. So einsam und langweilig die Praja, so belebt sind die chinesischen Gassen am inneren Hafen; in fünf Minuten geht man hinüber. Am Quai steht dort ein bunter Tempel neuester Gründung, von der hohen Stufe der Ausbildung zeugend, auf welcher die Bau- handwerke sich in China bis heute erhalten haben. 47) Die Kachel- und Stuckarbeit der Dachfirst, der Friese und Krönungen ist von der höchsten technischen Vollendung, ebenso die Steinmetzarbeit der Pfeiler und Schwellen aus weissem Granit, deren kunstreiche Kehlungen und Sculpturen wie mit dem Hobel und Schnitzmesser vollendet sind. Die vergoldeten Inschriften und Embleme stehen darauf in flachem Relief gemeisselt, das ein schmaler Zinoberrand scharf vom glänzenden Grunde abhebt. Das Innere bildet ein Hypäthron, in dessen Mitte mächtiges Himmelslicht einströmt, wäh- rend die umgebenden Hallen in magische Dämmerung gehüllt sind. Eine reizende Wirkung macht es, wenn die hochstehende Sonne in den weissen Pulverdampf der im Mittelraum abgebrannten Feuer- werke hineinscheint. Am Eingang des inneren Hafens liegt westlich von der Stadt eine Tempelanlage zwischen grossen, von dichten Wipfeln beschat- teten Felsblöcken. Vom Uferquai führen einige Stufen zum Portal einer breiten mit Tempeln und Capellen umgebenen Terrasse hinan, welche den anmuthigsten Blick auf den Hafen bietet. Weitere Treppenfluchten steigen durch wild übereinandergewürfelte Fels- blöcke zu anderen Tempelchen und daran vorüber nach einem Stationspfad hinan, der an Schreinen und Götzen vorbei im won- nigsten Schatten zum Gipfel des Hügels hinanklimmt. An einem Bambusgebüsch auf der Höhe hängen allerlei Votivgaben gläubiger Schiffer, welchen der Tempel besonders lieb zu sein scheint; davon 47) S. Ansichten aus Japan, China und Siam IX.

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/215>, abgerufen am 26.12.2024.