Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.Die Lyemoon-Passage. XVIII. aber grosse Heiterkeit erregte. Der Hang zur Lustigkeit war all-gemein. Hinter uns lagen schwere Zeiten, und eine schnelle glückliche Seefahrt wirkt immer erfrischend, doppelt aber, wenn sie heimwärts führt. -- Der Gesandte versammelte an seiner Tafel einige Gäste; grade beim Essen schaukelte das Schiff so verkehrt, dass sich Flaschen und Gläser eine blutige Schlacht lieferten. In der Nacht zum 11. November rannten wir, der Küste Wir bogen um ein Felscap: da lag die Stadt Victoria vor 43) S. Ansichten aus Japan, China und Siam VIII.
Die Lyemoon-Passage. XVIII. aber grosse Heiterkeit erregte. Der Hang zur Lustigkeit war all-gemein. Hinter uns lagen schwere Zeiten, und eine schnelle glückliche Seefahrt wirkt immer erfrischend, doppelt aber, wenn sie heimwärts führt. — Der Gesandte versammelte an seiner Tafel einige Gäste; grade beim Essen schaukelte das Schiff so verkehrt, dass sich Flaschen und Gläser eine blutige Schlacht lieferten. In der Nacht zum 11. November rannten wir, der Küste Wir bogen um ein Felscap: da lag die Stadt Victoria vor 43) S. Ansichten aus Japan, China und Siam VIII.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0194" n="180"/><fw place="top" type="header">Die <placeName>Lyemoon-Passage</placeName>. XVIII.</fw><lb/> aber grosse Heiterkeit erregte. Der Hang zur Lustigkeit war all-<lb/> gemein. Hinter uns lagen schwere Zeiten, und eine schnelle<lb/> glückliche Seefahrt wirkt immer erfrischend, doppelt aber, wenn<lb/> sie heimwärts führt. — Der Gesandte versammelte an seiner<lb/> Tafel einige Gäste; grade beim Essen schaukelte das Schiff so<lb/> verkehrt, dass sich Flaschen und Gläser eine blutige Schlacht<lb/> lieferten.</p><lb/> <p>In der Nacht zum 11. November rannten wir, der Küste<lb/> nahend, unter queergebrasstem Grossmarssegel vor dem Winde<lb/> her. Die Angaben des Lootsen stimmten genau zur Berechnung;<lb/> in dunkeler Nacht fand das gute Schiff seinen Weg in die schmale<lb/> gewundene Meerenge, den kürzesten Weg nach <hi rendition="#k"><placeName>Hong-kong</placeName></hi> hinein.<lb/> Gegen vier Uhr Morgens wurde Dampf gemacht, um durch die<lb/> »<placeName>Lyemoon-Passage</placeName>« zu laufen, die an einer Stelle nur 200 Schritte<lb/> breit ist. — Immer näher tauchten die hohen Felsküsten aus der<lb/> schwarzen Dämmerung; kahle Riffe und <placeName>Klippeninseln</placeName> säumten<lb/> den Weg. Bei Morgengrauen quollen kanonengespickte Dschunken<lb/> aus den vielen Engen hervor; hier grüsst der Pirat den Piraten.<lb/> Oft hört man in <hi rendition="#k"><placeName>Hong-kong</placeName></hi> den Kanonendonner, wenn sie sich<lb/> zwischen den Inseln schlagen. Die Oertlichkeit ist reizend geeignet<lb/> zu Hinterhalt, Fallen und Wegelagerung, die auf das Meer ange-<lb/> wiesene Bevölkerung der Fischer, denen ihre Felsen kein Hälm-<lb/> chen bieten, zu wild und beweglich, als dass sie so bald zu zähmen<lb/> wäre. Selbst bei sicherem Erwerbe würde sie das abenteuernde<lb/> Fischer- und Räuberhandwerk der fleissigen Arbeit vorziehen. Je-<lb/> der Boden erzeugt seine eigenen Gewächse.</p><lb/> <p>Wir bogen um ein Felscap: da lag die Stadt <placeName>Victoria</placeName> vor<lb/> steilem Felsberg ausgebreitet. Nördlich gegenüber streckt sich die<lb/> Halbinsel <hi rendition="#k"><placeName>Kau-luṅ</placeName></hi> ins Meer; östlich schwimmen vor der Mündung<lb/> des <placeName>Perl-Flusses</placeName> hohe Inseln, und in duftiger Ferne die Kämme des<lb/> Festlandes. <note place="foot" n="43)">S. Ansichten aus <placeName>Japan</placeName>, <placeName>China</placeName> und <placeName>Siam</placeName> VIII.</note> — Die weite sichere Rhede könnte die grössten<lb/> Flotten bergen. In den seichteren Buchten ankern Dschunken von<lb/> allen chinesischen Küsten; schlanke Lorcha’s mit fächerförmigen<lb/> Mattensegeln gleiten pfeilschnell über die Fläche: das sind die ein-<lb/> zigen auf den Kiel gebauten chinesischen Fahrzeuge. Sie sollen<lb/> den portugiesischen Schiffen nachgeahmt sein, welche im 16. Jahr-<lb/> hundert zuerst diese Küsten besuchten. — Vor der Stadt liegt ein<lb/> abgetakelter Zweidecker, zum Hospital eingerichtet. Unter den<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [180/0194]
Die Lyemoon-Passage. XVIII.
aber grosse Heiterkeit erregte. Der Hang zur Lustigkeit war all-
gemein. Hinter uns lagen schwere Zeiten, und eine schnelle
glückliche Seefahrt wirkt immer erfrischend, doppelt aber, wenn
sie heimwärts führt. — Der Gesandte versammelte an seiner
Tafel einige Gäste; grade beim Essen schaukelte das Schiff so
verkehrt, dass sich Flaschen und Gläser eine blutige Schlacht
lieferten.
In der Nacht zum 11. November rannten wir, der Küste
nahend, unter queergebrasstem Grossmarssegel vor dem Winde
her. Die Angaben des Lootsen stimmten genau zur Berechnung;
in dunkeler Nacht fand das gute Schiff seinen Weg in die schmale
gewundene Meerenge, den kürzesten Weg nach Hong-kong hinein.
Gegen vier Uhr Morgens wurde Dampf gemacht, um durch die
»Lyemoon-Passage« zu laufen, die an einer Stelle nur 200 Schritte
breit ist. — Immer näher tauchten die hohen Felsküsten aus der
schwarzen Dämmerung; kahle Riffe und Klippeninseln säumten
den Weg. Bei Morgengrauen quollen kanonengespickte Dschunken
aus den vielen Engen hervor; hier grüsst der Pirat den Piraten.
Oft hört man in Hong-kong den Kanonendonner, wenn sie sich
zwischen den Inseln schlagen. Die Oertlichkeit ist reizend geeignet
zu Hinterhalt, Fallen und Wegelagerung, die auf das Meer ange-
wiesene Bevölkerung der Fischer, denen ihre Felsen kein Hälm-
chen bieten, zu wild und beweglich, als dass sie so bald zu zähmen
wäre. Selbst bei sicherem Erwerbe würde sie das abenteuernde
Fischer- und Räuberhandwerk der fleissigen Arbeit vorziehen. Je-
der Boden erzeugt seine eigenen Gewächse.
Wir bogen um ein Felscap: da lag die Stadt Victoria vor
steilem Felsberg ausgebreitet. Nördlich gegenüber streckt sich die
Halbinsel Kau-luṅ ins Meer; östlich schwimmen vor der Mündung
des Perl-Flusses hohe Inseln, und in duftiger Ferne die Kämme des
Festlandes. 43) — Die weite sichere Rhede könnte die grössten
Flotten bergen. In den seichteren Buchten ankern Dschunken von
allen chinesischen Küsten; schlanke Lorcha’s mit fächerförmigen
Mattensegeln gleiten pfeilschnell über die Fläche: das sind die ein-
zigen auf den Kiel gebauten chinesischen Fahrzeuge. Sie sollen
den portugiesischen Schiffen nachgeahmt sein, welche im 16. Jahr-
hundert zuerst diese Küsten besuchten. — Vor der Stadt liegt ein
abgetakelter Zweidecker, zum Hospital eingerichtet. Unter den
43) S. Ansichten aus Japan, China und Siam VIII.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |