Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.XVIII. Rebellen vor Tsi-fu. Dzen-tai39) gerückt, dessen Bewohner grossentheils flüchteten, wäh-rend Tausende ausgeraubter Landleute wehklagend in die Stadt zo- gen; es soll ein jammervoller Anblick gewesen sein, wie die Frauen mit verkrüppelten Füssen die steinigen Gebirgspfade herabhink- ten. Die Verwirrung benutzend rotteten sich die Mannschaften süd- chinesischer Dschunken zusammen um die Stadt zu plündern, wurden aber handgemein mit einer anderen Schaar, die wohl dasselbe wollte. Die französischen Truppen, welche Dzen-tai vom Kriege her noch besetzt hielten, mussten mit dem Bajonet die Gassen säubern und stiessen viele Chinesen nieder. -- Ein englischer und ein america- nischer Missionar, die früher bei den Tae-pin gute Aufnahme fanden, gingen den auf Dzen-tai rückenden Horden im thörichten Wahn ihres Einflusses entgegen, kehrten aber nicht zurück und wurden sicher erschlagen. Der Bruder des Americaners, der eben zu Lande von Tien-tsin kam, hörte bei Dzen-tai von Ermordung zweier Frem- den durch die Banditen, ahnte aber nicht, dass sein Bruder betroffen sei. Die Frauen der beiden Missionare und andere Ansiedler flüch- teten auf die fremden Schiffe. -- Am 9. October zeigten sich die Rebellen sämmtlich beritten auf den Dzen-tai umschliessenden Höhen. Eine Bombe vom englischen Kanonenboot Drake, die unter ihnen platzte, schlug die ganze Horde in die Flucht; sie hielten jedoch, wie man glaubte, etwa 3000 Mann stark die Stadt in weitem Kreise umstellt. -- Inzwischen war Contre-Admiral Protet aus Shang-hae eingetroffen und kurz vor unserer Ankunft mit 500 Mann landeinwärts marschirt, um sie zu züchtigen. Die Bestürzung in Dzen-tai hemmte jeden Verkehr; Arkona Die Reise nach Japan wurde aus triftigen Gründen beschlos- 39) Dzen-tai heisst die Stadt an der Bucht von Tsi-fu. Die Fremden bezeichnen
mit letzterem Namen gewöhnlich auch die Stadt. XVIII. Rebellen vor Tši-fu. Džen-tai39) gerückt, dessen Bewohner grossentheils flüchteten, wäh-rend Tausende ausgeraubter Landleute wehklagend in die Stadt zo- gen; es soll ein jammervoller Anblick gewesen sein, wie die Frauen mit verkrüppelten Füssen die steinigen Gebirgspfade herabhink- ten. Die Verwirrung benutzend rotteten sich die Mannschaften süd- chinesischer Dschunken zusammen um die Stadt zu plündern, wurden aber handgemein mit einer anderen Schaar, die wohl dasselbe wollte. Die französischen Truppen, welche Džen-tai vom Kriege her noch besetzt hielten, mussten mit dem Bajonet die Gassen säubern und stiessen viele Chinesen nieder. — Ein englischer und ein america- nischer Missionar, die früher bei den Tae-piṅ gute Aufnahme fanden, gingen den auf Džen-tai rückenden Horden im thörichten Wahn ihres Einflusses entgegen, kehrten aber nicht zurück und wurden sicher erschlagen. Der Bruder des Americaners, der eben zu Lande von Tien-tsin kam, hörte bei Džen-tai von Ermordung zweier Frem- den durch die Banditen, ahnte aber nicht, dass sein Bruder betroffen sei. Die Frauen der beiden Missionare und andere Ansiedler flüch- teten auf die fremden Schiffe. — Am 9. October zeigten sich die Rebellen sämmtlich beritten auf den Džen-tai umschliessenden Höhen. Eine Bombe vom englischen Kanonenboot Drake, die unter ihnen platzte, schlug die ganze Horde in die Flucht; sie hielten jedoch, wie man glaubte, etwa 3000 Mann stark die Stadt in weitem Kreise umstellt. — Inzwischen war Contre-Admiral Protet aus Shang-hae eingetroffen und kurz vor unserer Ankunft mit 500 Mann landeinwärts marschirt, um sie zu züchtigen. Die Bestürzung in Džen-tai hemmte jeden Verkehr; Arkona Die Reise nach Japan wurde aus triftigen Gründen beschlos- 39) Džen-tai heisst die Stadt an der Bucht von Tši-fu. Die Fremden bezeichnen
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XVIII. Rebellen vor Tši-fu.
Džen-tai 39) gerückt, dessen Bewohner grossentheils flüchteten, wäh-
rend Tausende ausgeraubter Landleute wehklagend in die Stadt zo-
gen; es soll ein jammervoller Anblick gewesen sein, wie die Frauen
mit verkrüppelten Füssen die steinigen Gebirgspfade herabhink-
ten. Die Verwirrung benutzend rotteten sich die Mannschaften süd-
chinesischer Dschunken zusammen um die Stadt zu plündern, wurden
aber handgemein mit einer anderen Schaar, die wohl dasselbe wollte.
Die französischen Truppen, welche Džen-tai vom Kriege her noch
besetzt hielten, mussten mit dem Bajonet die Gassen säubern und
stiessen viele Chinesen nieder. — Ein englischer und ein america-
nischer Missionar, die früher bei den Tae-piṅ gute Aufnahme fanden,
gingen den auf Džen-tai rückenden Horden im thörichten Wahn ihres
Einflusses entgegen, kehrten aber nicht zurück und wurden sicher
erschlagen. Der Bruder des Americaners, der eben zu Lande von
Tien-tsin kam, hörte bei Džen-tai von Ermordung zweier Frem-
den durch die Banditen, ahnte aber nicht, dass sein Bruder betroffen
sei. Die Frauen der beiden Missionare und andere Ansiedler flüch-
teten auf die fremden Schiffe. — Am 9. October zeigten sich die
Rebellen sämmtlich beritten auf den Džen-tai umschliessenden
Höhen. Eine Bombe vom englischen Kanonenboot Drake, die unter
ihnen platzte, schlug die ganze Horde in die Flucht; sie hielten
jedoch, wie man glaubte, etwa 3000 Mann stark die Stadt in
weitem Kreise umstellt. — Inzwischen war Contre-Admiral Protet
aus Shang-hae eingetroffen und kurz vor unserer Ankunft mit 500
Mann landeinwärts marschirt, um sie zu züchtigen.
Die Bestürzung in Džen-tai hemmte jeden Verkehr; Arkona
konnte sich weder mit Wasser noch mit frischem Proviant versehen.
Da nun deutsche Interessen dort nicht zu vertreten waren, so be-
schlossen der Gesandte und Capitän Sundewall, die Reise noch an
demselben Abend fortzusetzen. An der Elbe hatte sich plötzlich ein
schlimmes Leck gezeigt; Commandant Werner erhielt den Befehl, nach
thunlicher Verstopfung desselben direct nach Hong-kong zu segeln,
wo das Schiff gründlich ausgebessert werden sollte. Arkona nahm
den Cours auf Naṅgasaki.
Die Reise nach Japan wurde aus triftigen Gründen beschlos-
sen. Einmal ist der Aufenthalt in Siam auch im Spätherbst noch
ungesund und den Schiffsmannschaften oft verderblich; dann waren
39) Džen-tai heisst die Stadt an der Bucht von Tši-fu. Die Fremden bezeichnen
mit letzterem Namen gewöhnlich auch die Stadt.
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