Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

Der russische Handel. XVII.
die Behandlung der beiderseitigen Flüchtlinge und übergetretenen
Verbrecher.

Eine neue Gesandtschaft brach 1805 aus Russland auf, hatte
aber an der Grenze schon Schwierigkeiten mit den Mandarinen, die
sich der Grösse des Gefolges widersetzten. In der Mongolei be-
gannen die Verhandlungen über das Ceremoniel des Empfanges;
Graf Golovkin verweigerte unter Berufung auf die Lord Macartney
bewiesene Höflichkeit das Ko-to. Bei einem Feste, das der chine-
sische Vicekönig in des Kaisers Namen am 15. Januar trotz schnei-
denden Frostes im Freien veranstalten wollte, hätte der russische
Gesandte das Kopfstossen gar vor einem Schirm verrichten sollen,
beharrte aber auf seiner Weigerung. Das Fest unterblieb, Graf Go-
lovkin
wurde auf Befehl des Himmelssohnes verabschiedet und
musste heimreisen.

1808 und 1820 kamen abermals russische Gesandte nach
Pe-kin, hatten aber keine Audienzen; ihre Aufträge scheinen sich
auf Inspection und Ergänzung der wissenschaftlichen und geist-
lichen Mission beschränkt zu haben.

Des Versuches zur Anknüpfung des Seehandels, welchen
Russland 1806 durch Krusenstern in Kan-ton machte, ist in der
Einleitung gedacht. Die chinesische Regierung verbot diesen Han-
del: nur über Kiakta sollten zu Lande die Erzeugnisse der bei-
den Reiche ausgetauscht werden. Unter dem Schutz von Mono-
polen blühte dieser Tauschhandel viele Jahre; die russische Re-
gierung begünstigte denselben durch ein unbedingtes Verbot der
Einfuhr chinesischer Producte zur See. -- Auch über Kokand
gingen Karawanen nach Orenburg, und östlich von Kiakta wurde
mit den Grenz-Nomaden viel unerlaubter Tauschhandel betrieben,
an welchem europäische Kaufleute indirect betheiligt waren. Der
Handel am Amur beschränkte sich damals auf den geringen Ver-
kehr der Pelzjäger mit den chinesischen Verbannten.

Seit dem Frieden von Nan-kin setzte Russland Todesstrafe
auf Einführung des Opium nach China, während die chinesische
Regierung die Einführung damals thatsächlich freigab. Die Be-
schränkungen des Handels mit Russland wurden seitdem gemildert.
Das bis dahin gegen reiche chinesische Speculanten an den Grenzen
von Turkestan und an der grossen Mauer aufrecht gehaltene Prohi-
bitivsystem hatte zuweilen Aufstände veranlasst, deren Dämpfung
der chinesischen Regierung viel Geld kostete. Zudem wünschte

Der russische Handel. XVII.
die Behandlung der beiderseitigen Flüchtlinge und übergetretenen
Verbrecher.

Eine neue Gesandtschaft brach 1805 aus Russland auf, hatte
aber an der Grenze schon Schwierigkeiten mit den Mandarinen, die
sich der Grösse des Gefolges widersetzten. In der Mongolei be-
gannen die Verhandlungen über das Ceremoniel des Empfanges;
Graf Golovkin verweigerte unter Berufung auf die Lord Macartney
bewiesene Höflichkeit das Ko-to. Bei einem Feste, das der chine-
sische Vicekönig in des Kaisers Namen am 15. Januar trotz schnei-
denden Frostes im Freien veranstalten wollte, hätte der russische
Gesandte das Kopfstossen gar vor einem Schirm verrichten sollen,
beharrte aber auf seiner Weigerung. Das Fest unterblieb, Graf Go-
lovkin
wurde auf Befehl des Himmelssohnes verabschiedet und
musste heimreisen.

1808 und 1820 kamen abermals russische Gesandte nach
Pe-kiṅ, hatten aber keine Audienzen; ihre Aufträge scheinen sich
auf Inspection und Ergänzung der wissenschaftlichen und geist-
lichen Mission beschränkt zu haben.

Des Versuches zur Anknüpfung des Seehandels, welchen
Russland 1806 durch Krusenstern in Kan-ton machte, ist in der
Einleitung gedacht. Die chinesische Regierung verbot diesen Han-
del: nur über Kiakta sollten zu Lande die Erzeugnisse der bei-
den Reiche ausgetauscht werden. Unter dem Schutz von Mono-
polen blühte dieser Tauschhandel viele Jahre; die russische Re-
gierung begünstigte denselben durch ein unbedingtes Verbot der
Einfuhr chinesischer Producte zur See. — Auch über Kokand
gingen Karawanen nach Orenburg, und östlich von Kiakta wurde
mit den Grenz-Nomaden viel unerlaubter Tauschhandel betrieben,
an welchem europäische Kaufleute indirect betheiligt waren. Der
Handel am Amur beschränkte sich damals auf den geringen Ver-
kehr der Pelzjäger mit den chinesischen Verbannten.

Seit dem Frieden von Nan-kiṅ setzte Russland Todesstrafe
auf Einführung des Opium nach China, während die chinesische
Regierung die Einführung damals thatsächlich freigab. Die Be-
schränkungen des Handels mit Russland wurden seitdem gemildert.
Das bis dahin gegen reiche chinesische Speculanten an den Grenzen
von Turkestan und an der grossen Mauer aufrecht gehaltene Prohi-
bitivsystem hatte zuweilen Aufstände veranlasst, deren Dämpfung
der chinesischen Regierung viel Geld kostete. Zudem wünschte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0144" n="130"/><fw place="top" type="header">Der russische Handel. XVII.</fw><lb/>
die Behandlung der beiderseitigen Flüchtlinge und übergetretenen<lb/>
Verbrecher.</p><lb/>
          <p>Eine neue Gesandtschaft brach 1805 aus <placeName>Russland</placeName> auf, hatte<lb/>
aber an der Grenze schon Schwierigkeiten mit den Mandarinen, die<lb/>
sich der Grösse des Gefolges widersetzten. In der <placeName>Mongolei</placeName> be-<lb/>
gannen die Verhandlungen über das Ceremoniel des Empfanges;<lb/>
Graf <persName ref="http://d-nb.info/gnd/100856160">Golovkin</persName> verweigerte unter Berufung auf die Lord <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11899591X">Macartney</persName><lb/>
bewiesene Höflichkeit das <hi rendition="#k">Ko-to</hi>. Bei einem Feste, das der chine-<lb/>
sische Vicekönig in des Kaisers Namen am 15. Januar trotz schnei-<lb/>
denden Frostes im Freien veranstalten wollte, hätte der russische<lb/>
Gesandte das Kopfstossen gar vor einem Schirm verrichten sollen,<lb/>
beharrte aber auf seiner Weigerung. Das Fest unterblieb, Graf <persName ref="http://d-nb.info/gnd/100856160">Go-<lb/>
lovkin</persName> wurde auf Befehl des Himmelssohnes verabschiedet und<lb/>
musste heimreisen.</p><lb/>
          <p>1808 und 1820 kamen abermals russische Gesandte nach<lb/><hi rendition="#k"><placeName>Pe-kin&#x0307;</placeName></hi>, hatten aber keine Audienzen; ihre Aufträge scheinen sich<lb/>
auf Inspection und Ergänzung der wissenschaftlichen und geist-<lb/>
lichen Mission beschränkt zu haben.</p><lb/>
          <p>Des Versuches zur Anknüpfung des Seehandels, welchen<lb/><placeName>Russland</placeName> 1806 durch <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119021285">Krusenstern</persName> in <hi rendition="#k"><placeName>Kan-ton</placeName></hi> machte, ist in der<lb/>
Einleitung gedacht. Die chinesische Regierung verbot diesen Han-<lb/>
del: nur über <hi rendition="#k"><placeName>Kiakta</placeName></hi> sollten zu Lande die Erzeugnisse der bei-<lb/>
den Reiche ausgetauscht werden. Unter dem Schutz von Mono-<lb/>
polen blühte dieser Tauschhandel viele Jahre; die russische Re-<lb/>
gierung begünstigte denselben durch ein unbedingtes Verbot der<lb/>
Einfuhr chinesischer Producte zur See. &#x2014; Auch über <hi rendition="#k"><placeName>Kokand</placeName></hi><lb/>
gingen Karawanen nach <placeName>Orenburg</placeName>, und östlich von <hi rendition="#k"><placeName>Kiakta</placeName></hi> wurde<lb/>
mit den Grenz-Nomaden viel unerlaubter Tauschhandel betrieben,<lb/>
an welchem europäische Kaufleute indirect betheiligt waren. Der<lb/>
Handel am <hi rendition="#k"><placeName>Amur</placeName></hi> beschränkte sich damals auf den geringen Ver-<lb/>
kehr der Pelzjäger mit den chinesischen Verbannten.</p><lb/>
          <p>Seit dem Frieden von <hi rendition="#k"><placeName>Nan-kin&#x0307;</placeName></hi> setzte <placeName>Russland</placeName> Todesstrafe<lb/>
auf Einführung des Opium nach <placeName>China</placeName>, während die chinesische<lb/>
Regierung die Einführung damals thatsächlich freigab. Die Be-<lb/>
schränkungen des Handels mit <placeName>Russland</placeName> wurden seitdem gemildert.<lb/>
Das bis dahin gegen reiche chinesische Speculanten an den Grenzen<lb/>
von <placeName>Turkestan</placeName> und an der grossen Mauer aufrecht gehaltene Prohi-<lb/>
bitivsystem hatte zuweilen Aufstände veranlasst, deren Dämpfung<lb/>
der chinesischen Regierung viel Geld kostete. Zudem wünschte<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0144] Der russische Handel. XVII. die Behandlung der beiderseitigen Flüchtlinge und übergetretenen Verbrecher. Eine neue Gesandtschaft brach 1805 aus Russland auf, hatte aber an der Grenze schon Schwierigkeiten mit den Mandarinen, die sich der Grösse des Gefolges widersetzten. In der Mongolei be- gannen die Verhandlungen über das Ceremoniel des Empfanges; Graf Golovkin verweigerte unter Berufung auf die Lord Macartney bewiesene Höflichkeit das Ko-to. Bei einem Feste, das der chine- sische Vicekönig in des Kaisers Namen am 15. Januar trotz schnei- denden Frostes im Freien veranstalten wollte, hätte der russische Gesandte das Kopfstossen gar vor einem Schirm verrichten sollen, beharrte aber auf seiner Weigerung. Das Fest unterblieb, Graf Go- lovkin wurde auf Befehl des Himmelssohnes verabschiedet und musste heimreisen. 1808 und 1820 kamen abermals russische Gesandte nach Pe-kiṅ, hatten aber keine Audienzen; ihre Aufträge scheinen sich auf Inspection und Ergänzung der wissenschaftlichen und geist- lichen Mission beschränkt zu haben. Des Versuches zur Anknüpfung des Seehandels, welchen Russland 1806 durch Krusenstern in Kan-ton machte, ist in der Einleitung gedacht. Die chinesische Regierung verbot diesen Han- del: nur über Kiakta sollten zu Lande die Erzeugnisse der bei- den Reiche ausgetauscht werden. Unter dem Schutz von Mono- polen blühte dieser Tauschhandel viele Jahre; die russische Re- gierung begünstigte denselben durch ein unbedingtes Verbot der Einfuhr chinesischer Producte zur See. — Auch über Kokand gingen Karawanen nach Orenburg, und östlich von Kiakta wurde mit den Grenz-Nomaden viel unerlaubter Tauschhandel betrieben, an welchem europäische Kaufleute indirect betheiligt waren. Der Handel am Amur beschränkte sich damals auf den geringen Ver- kehr der Pelzjäger mit den chinesischen Verbannten. Seit dem Frieden von Nan-kiṅ setzte Russland Todesstrafe auf Einführung des Opium nach China, während die chinesische Regierung die Einführung damals thatsächlich freigab. Die Be- schränkungen des Handels mit Russland wurden seitdem gemildert. Das bis dahin gegen reiche chinesische Speculanten an den Grenzen von Turkestan und an der grossen Mauer aufrecht gehaltene Prohi- bitivsystem hatte zuweilen Aufstände veranlasst, deren Dämpfung der chinesischen Regierung viel Geld kostete. Zudem wünschte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/144
Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/144>, abgerufen am 22.11.2024.