Approbationsdecret sei in Pe-kin eingetroffen. Eine Mittheilung gleichen Inhalts ging dem Gesandten von den Commissaren zu, welche zugleich bemerkten, dass während des Trauermonats alle Staatsgeschäfte ruhten und nur in dringenden Fällen das blaue Trauersiegel angewendet werde; es scheine deshalb zweckmässig, die Unterzeichnung des Vertrages einen Monat zu verschieben, da- mit demselben das rothe Siegel beigedruckt werden könne. Graf Eulenburg äusserte ihnen dagegen den lebhaften Wunsch, die Unterzeichnung recht bald vollzogen zu sehen, und die Commissare versprachen, nach Kräften darauf hinzuwirken.
Die auf dem preussischen Gesandtschaftshause wehende Flagge wurde der Trauer wegen drei Tage lang auf Halbmast ge- hisst; die Commissare dankten verbindlich für diese Aufmerksamkeit. Am 1. September machte Graf Eulenburg ihnen einen Condolenz- besuch und erhielt die Meldung, dass sämmtliche Exemplare des Vertrages, mit dem blauen Siegel versehen, und das Approbations- decret in Abschrift aus Pe-kin eingetroffen seien: der Unterzeich- nung stehe nichts mehr im Wege. Die Commissare bedauerten, dass die Trauer jede Ausschmückung eines öffentlichen Gebäudes und die bei so feierlichem Anlass übliche Kanonade verwehre, und erboten sich, die Unterzeichnung am folgenden Tage im Hause des Gesandten zu vollziehen.
Am 2. September Morgens schickten die Bevollmächtigten dem Gesandten das amtliche Schreiben über die Genehmigung des Vertrages und erschienen bald darauf selbst mit grossem Gefolge. Sämmtliche Mandarinen trugen lange Trauerkleider aus grobem weissem Baumwollenstoff und einfache Strohhüte mit kleinem schwarzem Knopf auf der Spitze. Die Mitglieder der Gesandtschaft waren in Uniform. Die Commissare überreichten die in gelbseidenem Umschlag steckende Abschrift des Approbationsdecretes; nach kurzem Gespräch schritt man zu Unterzeichnung des in vier deut- schen, vier chinesischen und vier französischen Exemplaren aus- gefertigten Vertrages. Tsun-luen äusserte mit verdrehten Augen den Wunsch, dass der Himmel ihn lange genug leben lasse, um einen preussischen Gesandten in Pe-kin zu sehen, und versprach voll Salbung, ein treuer Hüter des Vertrages zu werden. Nach Unterzeichnung und Auswechselung der Urkunden fand ein Früh- stück statt. Tsun-luen erschöpfte sich in Wehklagen, dass die Trauer um den Kaiser ihn an Veranstaltung der vorbereiteten
Unterzeichnung des Vertrages. XVI.
Approbationsdecret sei in Pe-kiṅ eingetroffen. Eine Mittheilung gleichen Inhalts ging dem Gesandten von den Commissaren zu, welche zugleich bemerkten, dass während des Trauermonats alle Staatsgeschäfte ruhten und nur in dringenden Fällen das blaue Trauersiegel angewendet werde; es scheine deshalb zweckmässig, die Unterzeichnung des Vertrages einen Monat zu verschieben, da- mit demselben das rothe Siegel beigedruckt werden könne. Graf Eulenburg äusserte ihnen dagegen den lebhaften Wunsch, die Unterzeichnung recht bald vollzogen zu sehen, und die Commissare versprachen, nach Kräften darauf hinzuwirken.
Die auf dem preussischen Gesandtschaftshause wehende Flagge wurde der Trauer wegen drei Tage lang auf Halbmast ge- hisst; die Commissare dankten verbindlich für diese Aufmerksamkeit. Am 1. September machte Graf Eulenburg ihnen einen Condolenz- besuch und erhielt die Meldung, dass sämmtliche Exemplare des Vertrages, mit dem blauen Siegel versehen, und das Approbations- decret in Abschrift aus Pe-kiṅ eingetroffen seien: der Unterzeich- nung stehe nichts mehr im Wege. Die Commissare bedauerten, dass die Trauer jede Ausschmückung eines öffentlichen Gebäudes und die bei so feierlichem Anlass übliche Kanonade verwehre, und erboten sich, die Unterzeichnung am folgenden Tage im Hause des Gesandten zu vollziehen.
Am 2. September Morgens schickten die Bevollmächtigten dem Gesandten das amtliche Schreiben über die Genehmigung des Vertrages und erschienen bald darauf selbst mit grossem Gefolge. Sämmtliche Mandarinen trugen lange Trauerkleider aus grobem weissem Baumwollenstoff und einfache Strohhüte mit kleinem schwarzem Knopf auf der Spitze. Die Mitglieder der Gesandtschaft waren in Uniform. Die Commissare überreichten die in gelbseidenem Umschlag steckende Abschrift des Approbationsdecretes; nach kurzem Gespräch schritt man zu Unterzeichnung des in vier deut- schen, vier chinesischen und vier französischen Exemplaren aus- gefertigten Vertrages. Tsuṅ-luen äusserte mit verdrehten Augen den Wunsch, dass der Himmel ihn lange genug leben lasse, um einen preussischen Gesandten in Pe-kiṅ zu sehen, und versprach voll Salbung, ein treuer Hüter des Vertrages zu werden. Nach Unterzeichnung und Auswechselung der Urkunden fand ein Früh- stück statt. Tsuṅ-luen erschöpfte sich in Wehklagen, dass die Trauer um den Kaiser ihn an Veranstaltung der vorbereiteten
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Unterzeichnung des Vertrages. XVI.
Approbationsdecret sei in Pe-kiṅ eingetroffen. Eine Mittheilung
gleichen Inhalts ging dem Gesandten von den Commissaren zu,
welche zugleich bemerkten, dass während des Trauermonats alle
Staatsgeschäfte ruhten und nur in dringenden Fällen das blaue
Trauersiegel angewendet werde; es scheine deshalb zweckmässig,
die Unterzeichnung des Vertrages einen Monat zu verschieben, da-
mit demselben das rothe Siegel beigedruckt werden könne. Graf
Eulenburg äusserte ihnen dagegen den lebhaften Wunsch, die
Unterzeichnung recht bald vollzogen zu sehen, und die Commissare
versprachen, nach Kräften darauf hinzuwirken.
Die auf dem preussischen Gesandtschaftshause wehende
Flagge wurde der Trauer wegen drei Tage lang auf Halbmast ge-
hisst; die Commissare dankten verbindlich für diese Aufmerksamkeit.
Am 1. September machte Graf Eulenburg ihnen einen Condolenz-
besuch und erhielt die Meldung, dass sämmtliche Exemplare des
Vertrages, mit dem blauen Siegel versehen, und das Approbations-
decret in Abschrift aus Pe-kiṅ eingetroffen seien: der Unterzeich-
nung stehe nichts mehr im Wege. Die Commissare bedauerten,
dass die Trauer jede Ausschmückung eines öffentlichen Gebäudes
und die bei so feierlichem Anlass übliche Kanonade verwehre, und
erboten sich, die Unterzeichnung am folgenden Tage im Hause des
Gesandten zu vollziehen.
Am 2. September Morgens schickten die Bevollmächtigten
dem Gesandten das amtliche Schreiben über die Genehmigung des
Vertrages und erschienen bald darauf selbst mit grossem Gefolge.
Sämmtliche Mandarinen trugen lange Trauerkleider aus grobem
weissem Baumwollenstoff und einfache Strohhüte mit kleinem
schwarzem Knopf auf der Spitze. Die Mitglieder der Gesandtschaft
waren in Uniform. Die Commissare überreichten die in gelbseidenem
Umschlag steckende Abschrift des Approbationsdecretes; nach
kurzem Gespräch schritt man zu Unterzeichnung des in vier deut-
schen, vier chinesischen und vier französischen Exemplaren aus-
gefertigten Vertrages. Tsuṅ-luen äusserte mit verdrehten Augen
den Wunsch, dass der Himmel ihn lange genug leben lasse, um
einen preussischen Gesandten in Pe-kiṅ zu sehen, und versprach
voll Salbung, ein treuer Hüter des Vertrages zu werden. Nach
Unterzeichnung und Auswechselung der Urkunden fand ein Früh-
stück statt. Tsuṅ-luen erschöpfte sich in Wehklagen, dass die
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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/106>, abgerufen am 16.07.2024.
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