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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Bedrohung der Factoreien.
tiren in angemessener Form geleistet wurde. Admiral Maitland
kehrte auf den früheren Ankerplatz zurück und segelte bald darauf
ab. Seine Anwesenheit hatte weder auf die Schuldregulirung noch
sonst auf die Verhältnisse Einfluss; es fehlte an ausreichender
Vollmacht.

Zwei Monat später wurde in Kan-ton eine Quantität Opium
fortgenommen, und der Hon-Kaufmann, der, unkundig der verbote-
nen Fracht, für das englische Schiff gebürgt hatte, mit dem Kan-go24)
bestraft, auch der Handel so lange gesperrt, bis der Schuldige
Kan-ton verlassen hatte. -- Um die Fremden zu schrecken, wollte
die Obrigkeit ein Beispiel statuiren und liess auf dem Platz vor
den Factoreien Anstalten zu Strangulirung eines chinesischen
Schmugglers treffen. Die Fremden vertrieben jedoch die Schergen,
ohne von der müssigen Volksmenge gehindert zu werden. Als nun
der Haufen sich mehrte, schlugen unbesonnene Kaufleute aus den
Factoreien ohne Provocation mit Stöcken dazwischen, wurden aber
mit einem Steinhagel zurückgewiesen und in ihre Wohnungen
gedrängt, deren Thore sie schlossen. Die Wuth der Volksmenge,
welche die Factoreien stürmen wollte, hätte tragische Folgen
gehabt, wenn nicht chinesisches Militär eingeschritten wäre. "Und
solchen Gefahren," schreibt Elliot in einer Depesche, "setzte man
sich wegen des unredlich zusammengescharrten und verhältniss-
mässig geringen Gewinnes ruchloser Menschen aus, welche sowohl
den englischen als den chinesischen Gesetzen trotzen zu dürfen
glaubten."

Capitän Elliot sah die wachsende Gefahr und berief eine
Versammlung der Engländer in Kan-ton, welcher auch viele andere
Fremde beiwohnten. Er stellte denselben vor, dass der Grund der
Uebelstände in dem mit schrankenloser Frechheit betriebenen
Opium-Handel im Perl-Flusse liege; Folgen davon seien die Schä-
digung und Unterbrechung des erlaubten Handels, Verhaftung und
Bestrafung von Unschuldigen, übele Beleumdung aller Fremden
und die Gewissheit, dass dieser ungesetzliche und gewaltsame
Handel den wildesten Verbrechern und dem Auswurf aller Länder
anheim fallen werde. -- An die englischen Schmuggel-Schiffe
erging der Befehl, den Perl-Fluss binnen drei Tagen zu verlassen.

24) Ein hölzernes Halsband oder vielmehr ein dickes Brett, in welches ein
Loch zum Durchstecken des Kopfes geschnitten ist.
III. 5

Bedrohung der Factoreien.
tiren in angemessener Form geleistet wurde. Admiral Maitland
kehrte auf den früheren Ankerplatz zurück und segelte bald darauf
ab. Seine Anwesenheit hatte weder auf die Schuldregulirung noch
sonst auf die Verhältnisse Einfluss; es fehlte an ausreichender
Vollmacht.

Zwei Monat später wurde in Kan-ton eine Quantität Opium
fortgenommen, und der Hoṅ-Kaufmann, der, unkundig der verbote-
nen Fracht, für das englische Schiff gebürgt hatte, mit dem Kaṅ-go24)
bestraft, auch der Handel so lange gesperrt, bis der Schuldige
Kan-ton verlassen hatte. — Um die Fremden zu schrecken, wollte
die Obrigkeit ein Beispiel statuiren und liess auf dem Platz vor
den Factoreien Anstalten zu Strangulirung eines chinesischen
Schmugglers treffen. Die Fremden vertrieben jedoch die Schergen,
ohne von der müssigen Volksmenge gehindert zu werden. Als nun
der Haufen sich mehrte, schlugen unbesonnene Kaufleute aus den
Factoreien ohne Provocation mit Stöcken dazwischen, wurden aber
mit einem Steinhagel zurückgewiesen und in ihre Wohnungen
gedrängt, deren Thore sie schlossen. Die Wuth der Volksmenge,
welche die Factoreien stürmen wollte, hätte tragische Folgen
gehabt, wenn nicht chinesisches Militär eingeschritten wäre. »Und
solchen Gefahren,« schreibt Elliot in einer Depesche, »setzte man
sich wegen des unredlich zusammengescharrten und verhältniss-
mässig geringen Gewinnes ruchloser Menschen aus, welche sowohl
den englischen als den chinesischen Gesetzen trotzen zu dürfen
glaubten.«

Capitän Elliot sah die wachsende Gefahr und berief eine
Versammlung der Engländer in Kan-ton, welcher auch viele andere
Fremde beiwohnten. Er stellte denselben vor, dass der Grund der
Uebelstände in dem mit schrankenloser Frechheit betriebenen
Opium-Handel im Perl-Flusse liege; Folgen davon seien die Schä-
digung und Unterbrechung des erlaubten Handels, Verhaftung und
Bestrafung von Unschuldigen, übele Beleumdung aller Fremden
und die Gewissheit, dass dieser ungesetzliche und gewaltsame
Handel den wildesten Verbrechern und dem Auswurf aller Länder
anheim fallen werde. — An die englischen Schmuggel-Schiffe
erging der Befehl, den Perl-Fluss binnen drei Tagen zu verlassen.

24) Ein hölzernes Halsband oder vielmehr ein dickes Brett, in welches ein
Loch zum Durchstecken des Kopfes geschnitten ist.
III. 5
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[65/0087] Bedrohung der Factoreien. tiren in angemessener Form geleistet wurde. Admiral Maitland kehrte auf den früheren Ankerplatz zurück und segelte bald darauf ab. Seine Anwesenheit hatte weder auf die Schuldregulirung noch sonst auf die Verhältnisse Einfluss; es fehlte an ausreichender Vollmacht. Zwei Monat später wurde in Kan-ton eine Quantität Opium fortgenommen, und der Hoṅ-Kaufmann, der, unkundig der verbote- nen Fracht, für das englische Schiff gebürgt hatte, mit dem Kaṅ-go 24) bestraft, auch der Handel so lange gesperrt, bis der Schuldige Kan-ton verlassen hatte. — Um die Fremden zu schrecken, wollte die Obrigkeit ein Beispiel statuiren und liess auf dem Platz vor den Factoreien Anstalten zu Strangulirung eines chinesischen Schmugglers treffen. Die Fremden vertrieben jedoch die Schergen, ohne von der müssigen Volksmenge gehindert zu werden. Als nun der Haufen sich mehrte, schlugen unbesonnene Kaufleute aus den Factoreien ohne Provocation mit Stöcken dazwischen, wurden aber mit einem Steinhagel zurückgewiesen und in ihre Wohnungen gedrängt, deren Thore sie schlossen. Die Wuth der Volksmenge, welche die Factoreien stürmen wollte, hätte tragische Folgen gehabt, wenn nicht chinesisches Militär eingeschritten wäre. »Und solchen Gefahren,« schreibt Elliot in einer Depesche, »setzte man sich wegen des unredlich zusammengescharrten und verhältniss- mässig geringen Gewinnes ruchloser Menschen aus, welche sowohl den englischen als den chinesischen Gesetzen trotzen zu dürfen glaubten.« Capitän Elliot sah die wachsende Gefahr und berief eine Versammlung der Engländer in Kan-ton, welcher auch viele andere Fremde beiwohnten. Er stellte denselben vor, dass der Grund der Uebelstände in dem mit schrankenloser Frechheit betriebenen Opium-Handel im Perl-Flusse liege; Folgen davon seien die Schä- digung und Unterbrechung des erlaubten Handels, Verhaftung und Bestrafung von Unschuldigen, übele Beleumdung aller Fremden und die Gewissheit, dass dieser ungesetzliche und gewaltsame Handel den wildesten Verbrechern und dem Auswurf aller Länder anheim fallen werde. — An die englischen Schmuggel-Schiffe erging der Befehl, den Perl-Fluss binnen drei Tagen zu verlassen. 24) Ein hölzernes Halsband oder vielmehr ein dickes Brett, in welches ein Loch zum Durchstecken des Kopfes geschnitten ist. III. 5

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/87>, abgerufen am 27.11.2024.