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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Schleichhandel im Perl-Fluss.
der Schmuggler bei Lin-tin die Provinzial-Regierung zum Schein
des Widerstandes. In den folgenden vier Jahren dehnte sich der
Schleichhandel auf die östlich von Kan-ton gelegenen Küsten
aus und drang selbst in den Perl-Fluss ein. 1837 steigerte sich1837.
die Frechheit der Schmuggler zu höhnischem Trotz. Bis nach
Wam-poa wurde das Opium in kleinen Booten hinaufgeführt, deren
Bemannung, das frechste Raubgesindel, mit dem Auswurf der chi-
nesischen Bevölkerung verbrüdert war. Die Fluss-Ufer sind in
jener Gegend dicht bewohnt, und der Strom wimmelt von Fahr-
zeugen; unter den Augen dieser Volksmenge trotzten die Schleich-
händler den Zollbeamten mit bewaffneter Hand. Eine Räuberbande
im fernen Waldgebirge pflegt die Obrigkeit kaum zu reizen; dringt
sie aber in eine volkreiche Stadt, so folgt ein Vernichtungskampf.
Zur Zeit des Monopol-Handels hatten die Beamten der Compagnie
die Macht, den Schleichhandel auf Lin-tin zu beschränken und
allen Ungesetzlichkeiten im Flusse mit Hülfe der chinesischen
Obrigkeit zu steuern; letztere konnte mit einer Behörde verhandeln,
welcher Aufrechthaltung der Gesetze und das Wohl der Gesammt-
heit am Herzen lag. Eine solche bestand jetzt nicht mehr. Bei
gänzlicher Freigebung des Handels brauchten die englischen
Commissare weitreichende Amtsgewalt und eine angemessene See-
macht zu deren wirksamer Ausübung; sie scheinen aber trotz allen
Vorstellungen Jahre lang ohne Instruction geblieben zu sein.23)
Ohne Machtvollkommenheit, ohne Mittel, dem Unwesen zu steuern
und die drohende Katastrophe abzuwenden, sassen sie müssig in
Macao. "Die freche Ausübung des Schleichhandels," sagt Elliot in
einer Depesche, "hat wahrscheinlich am meisten dazu beigetragen,
die chinesische Regierung von der dringenden Nothwendigkeit zu
überzeugen, der steigenden Verwegenheit der fremden Schmuggler
entgegenzutreten und ihre Verbindung mit dem räuberischen

23) Die Apathie der englischen Regierung ist um so auffallender, als sie die
richtigen Grundsätze öffentlich anerkannte. 1836 wollte ein englischer Schiffscapitän,
dessen Ladung die Zollbehörden in Beschlag genommen hatten, sich durch Beraubung
chinesischer Handelsdschunken schadlos halten, wurde aber daran gehindert. Eine
Depesche der Foreign office an die Commissare erklärte nun, dass, wenn dieses In-
dividuum von seinem Vorsatze nicht abstände, "man ihn dem Schicksal überlassen
solle, welches seine Handlungsweise ihm wahrscheinlich bereiten werde; und dass
alle Commandanten königlicher Kriegsschiffe, welche ihn anträfen, ihn nach dem den
königlichen Schiffen vorgeschriebenen Verfahren gegen Seeräuber zu behandeln
hätten."

Schleichhandel im Perl-Fluss.
der Schmuggler bei Lin-tin die Provinzial-Regierung zum Schein
des Widerstandes. In den folgenden vier Jahren dehnte sich der
Schleichhandel auf die östlich von Kan-ton gelegenen Küsten
aus und drang selbst in den Perl-Fluss ein. 1837 steigerte sich1837.
die Frechheit der Schmuggler zu höhnischem Trotz. Bis nach
Wam-poa wurde das Opium in kleinen Booten hinaufgeführt, deren
Bemannung, das frechste Raubgesindel, mit dem Auswurf der chi-
nesischen Bevölkerung verbrüdert war. Die Fluss-Ufer sind in
jener Gegend dicht bewohnt, und der Strom wimmelt von Fahr-
zeugen; unter den Augen dieser Volksmenge trotzten die Schleich-
händler den Zollbeamten mit bewaffneter Hand. Eine Räuberbande
im fernen Waldgebirge pflegt die Obrigkeit kaum zu reizen; dringt
sie aber in eine volkreiche Stadt, so folgt ein Vernichtungskampf.
Zur Zeit des Monopol-Handels hatten die Beamten der Compagnie
die Macht, den Schleichhandel auf Lin-tin zu beschränken und
allen Ungesetzlichkeiten im Flusse mit Hülfe der chinesischen
Obrigkeit zu steuern; letztere konnte mit einer Behörde verhandeln,
welcher Aufrechthaltung der Gesetze und das Wohl der Gesammt-
heit am Herzen lag. Eine solche bestand jetzt nicht mehr. Bei
gänzlicher Freigebung des Handels brauchten die englischen
Commissare weitreichende Amtsgewalt und eine angemessene See-
macht zu deren wirksamer Ausübung; sie scheinen aber trotz allen
Vorstellungen Jahre lang ohne Instruction geblieben zu sein.23)
Ohne Machtvollkommenheit, ohne Mittel, dem Unwesen zu steuern
und die drohende Katastrophe abzuwenden, sassen sie müssig in
Macao. »Die freche Ausübung des Schleichhandels,« sagt Elliot in
einer Depesche, »hat wahrscheinlich am meisten dazu beigetragen,
die chinesische Regierung von der dringenden Nothwendigkeit zu
überzeugen, der steigenden Verwegenheit der fremden Schmuggler
entgegenzutreten und ihre Verbindung mit dem räuberischen

23) Die Apathie der englischen Regierung ist um so auffallender, als sie die
richtigen Grundsätze öffentlich anerkannte. 1836 wollte ein englischer Schiffscapitän,
dessen Ladung die Zollbehörden in Beschlag genommen hatten, sich durch Beraubung
chinesischer Handelsdschunken schadlos halten, wurde aber daran gehindert. Eine
Depesche der Foreign office an die Commissare erklärte nun, dass, wenn dieses In-
dividuum von seinem Vorsatze nicht abstände, »man ihn dem Schicksal überlassen
solle, welches seine Handlungsweise ihm wahrscheinlich bereiten werde; und dass
alle Commandanten königlicher Kriegsschiffe, welche ihn anträfen, ihn nach dem den
königlichen Schiffen vorgeschriebenen Verfahren gegen Seeräuber zu behandeln
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[63/0085] Schleichhandel im Perl-Fluss. der Schmuggler bei Lin-tin die Provinzial-Regierung zum Schein des Widerstandes. In den folgenden vier Jahren dehnte sich der Schleichhandel auf die östlich von Kan-ton gelegenen Küsten aus und drang selbst in den Perl-Fluss ein. 1837 steigerte sich die Frechheit der Schmuggler zu höhnischem Trotz. Bis nach Wam-poa wurde das Opium in kleinen Booten hinaufgeführt, deren Bemannung, das frechste Raubgesindel, mit dem Auswurf der chi- nesischen Bevölkerung verbrüdert war. Die Fluss-Ufer sind in jener Gegend dicht bewohnt, und der Strom wimmelt von Fahr- zeugen; unter den Augen dieser Volksmenge trotzten die Schleich- händler den Zollbeamten mit bewaffneter Hand. Eine Räuberbande im fernen Waldgebirge pflegt die Obrigkeit kaum zu reizen; dringt sie aber in eine volkreiche Stadt, so folgt ein Vernichtungskampf. Zur Zeit des Monopol-Handels hatten die Beamten der Compagnie die Macht, den Schleichhandel auf Lin-tin zu beschränken und allen Ungesetzlichkeiten im Flusse mit Hülfe der chinesischen Obrigkeit zu steuern; letztere konnte mit einer Behörde verhandeln, welcher Aufrechthaltung der Gesetze und das Wohl der Gesammt- heit am Herzen lag. Eine solche bestand jetzt nicht mehr. Bei gänzlicher Freigebung des Handels brauchten die englischen Commissare weitreichende Amtsgewalt und eine angemessene See- macht zu deren wirksamer Ausübung; sie scheinen aber trotz allen Vorstellungen Jahre lang ohne Instruction geblieben zu sein. 23) Ohne Machtvollkommenheit, ohne Mittel, dem Unwesen zu steuern und die drohende Katastrophe abzuwenden, sassen sie müssig in Macao. »Die freche Ausübung des Schleichhandels,« sagt Elliot in einer Depesche, »hat wahrscheinlich am meisten dazu beigetragen, die chinesische Regierung von der dringenden Nothwendigkeit zu überzeugen, der steigenden Verwegenheit der fremden Schmuggler entgegenzutreten und ihre Verbindung mit dem räuberischen 1837. 23) Die Apathie der englischen Regierung ist um so auffallender, als sie die richtigen Grundsätze öffentlich anerkannte. 1836 wollte ein englischer Schiffscapitän, dessen Ladung die Zollbehörden in Beschlag genommen hatten, sich durch Beraubung chinesischer Handelsdschunken schadlos halten, wurde aber daran gehindert. Eine Depesche der Foreign office an die Commissare erklärte nun, dass, wenn dieses In- dividuum von seinem Vorsatze nicht abstände, »man ihn dem Schicksal überlassen solle, welches seine Handlungsweise ihm wahrscheinlich bereiten werde; und dass alle Commandanten königlicher Kriegsschiffe, welche ihn anträfen, ihn nach dem den königlichen Schiffen vorgeschriebenen Verfahren gegen Seeräuber zu behandeln hätten.«

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/85>, abgerufen am 26.11.2024.