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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Weitere Conflicte.
auch andere Härten zur Sprache kamen, vor allem die über-
mässige Höhe der Hafengebühren und die willkürlichen Erpressun-
gen der Zollbeamten. In seiner Antwort zeigte der Vice-König
sich nachgiebig im ersten Punkt, wies aber die anderen Beschwer-
den zurück und blieb gegen alle Vorstellungen taub. Der Aus-
schuss wandte sich nun an den General-Gouverneur von Indien
mit der Bitte, ein Schreiben an den chinesischen Kaiser zu richten,
wurde aber abschläglich beschieden. Die Verlegenheit der Eng-
länder steigerte sich; im Ausschuss war man nicht einig; der Ver-
lust aus der Verzögerung der Handelsgeschäfte stand zu den
angestrebten Zwecken ausser Verhältniss. Als daher am 2. Februar
der Vice-König erklärte, dass ein neuer Non-Kaufmann ernannt
sei und weitere Ernennungen bevorständen, die übrigen Vorstellung-
gen aber zur Entscheidung nach Pe-kin berichtet wären, gaben die
Engländer bereitwillig nach. Das Handelsgeschwader ging nach
Wam-poa, die Geschäfte begannen, und bis zum 1. März wurden
dem Hon-Verbande drei neue Mitglieder hinzugefügt.

Die nächste Handels-Saison war wieder sehr unruhig.
Einige Parsees tödteten in einer nächtlichen Schlägerei einen Eng-
länder, wurden festgenommen und zur Aburtheilung nach Bombay
eingeschifft. Die chinesischen Behörden verlangten ihre Auslieferung
und bezogen sich dabei auf einen 1780 vorgekommenen Fall: ein
französischer Matrose, der damals einen Portugiesen erschlug, war
von den französischen Beamten der einheimischen Justiz ausgeliefert
worden, die denselben ohne Umstände stranguliren liess. -- Der
englische Ausschuss wies nun aber jenes Ansinnen zurück. Darauf
befahl der Vice-König die schleunige Entfernung der Gemahlin des
Handelsvorstehers, welche gegen die alten Vorschriften nach
Kan-ton gekommen war; denn europäische Frauen durften nur
in Macao wohnen. Die Androhung von Gewalt, welche jenen Be-
fehl begleitete, veranlasste den Ausschuss, hundert bewaffnete Ma-
trosen und zwei Achtzehnpfünder von Wam-poa kommen zu lassen;
die Chinesen erklärten nun aber, dass kein Zwang beabsichtigt
werde, und die Seeleute wurden nach vierzehntägigem Aufenthalt
in den Factoreien wieder fortgeschickt.

Die Zurückhaltung der Schiffe vor der Flussmündung im
Jahre 1829 war von dem Directorium der Compagnie missbilligt
und der Ausschuss durch neue Beamte ersetzt worden, welche bald
nach den erzählten Vorfällen im November 1830 in Kan-ton ein-

Weitere Conflicte.
auch andere Härten zur Sprache kamen, vor allem die über-
mässige Höhe der Hafengebühren und die willkürlichen Erpressun-
gen der Zollbeamten. In seiner Antwort zeigte der Vice-König
sich nachgiebig im ersten Punkt, wies aber die anderen Beschwer-
den zurück und blieb gegen alle Vorstellungen taub. Der Aus-
schuss wandte sich nun an den General-Gouverneur von Indien
mit der Bitte, ein Schreiben an den chinesischen Kaiser zu richten,
wurde aber abschläglich beschieden. Die Verlegenheit der Eng-
länder steigerte sich; im Ausschuss war man nicht einig; der Ver-
lust aus der Verzögerung der Handelsgeschäfte stand zu den
angestrebten Zwecken ausser Verhältniss. Als daher am 2. Februar
der Vice-König erklärte, dass ein neuer Noṅ-Kaufmann ernannt
sei und weitere Ernennungen bevorständen, die übrigen Vorstellung-
gen aber zur Entscheidung nach Pe-kiṅ berichtet wären, gaben die
Engländer bereitwillig nach. Das Handelsgeschwader ging nach
Wam-poa, die Geschäfte begannen, und bis zum 1. März wurden
dem Hoṅ-Verbande drei neue Mitglieder hinzugefügt.

Die nächste Handels-Saison war wieder sehr unruhig.
Einige Parsees tödteten in einer nächtlichen Schlägerei einen Eng-
länder, wurden festgenommen und zur Aburtheilung nach Bombay
eingeschifft. Die chinesischen Behörden verlangten ihre Auslieferung
und bezogen sich dabei auf einen 1780 vorgekommenen Fall: ein
französischer Matrose, der damals einen Portugiesen erschlug, war
von den französischen Beamten der einheimischen Justiz ausgeliefert
worden, die denselben ohne Umstände stranguliren liess. — Der
englische Ausschuss wies nun aber jenes Ansinnen zurück. Darauf
befahl der Vice-König die schleunige Entfernung der Gemahlin des
Handelsvorstehers, welche gegen die alten Vorschriften nach
Kan-ton gekommen war; denn europäische Frauen durften nur
in Macao wohnen. Die Androhung von Gewalt, welche jenen Be-
fehl begleitete, veranlasste den Ausschuss, hundert bewaffnete Ma-
trosen und zwei Achtzehnpfünder von Wam-poa kommen zu lassen;
die Chinesen erklärten nun aber, dass kein Zwang beabsichtigt
werde, und die Seeleute wurden nach vierzehntägigem Aufenthalt
in den Factoreien wieder fortgeschickt.

Die Zurückhaltung der Schiffe vor der Flussmündung im
Jahre 1829 war von dem Directorium der Compagnie missbilligt
und der Ausschuss durch neue Beamte ersetzt worden, welche bald
nach den erzählten Vorfällen im November 1830 in Kan-ton ein-

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[52/0074] Weitere Conflicte. auch andere Härten zur Sprache kamen, vor allem die über- mässige Höhe der Hafengebühren und die willkürlichen Erpressun- gen der Zollbeamten. In seiner Antwort zeigte der Vice-König sich nachgiebig im ersten Punkt, wies aber die anderen Beschwer- den zurück und blieb gegen alle Vorstellungen taub. Der Aus- schuss wandte sich nun an den General-Gouverneur von Indien mit der Bitte, ein Schreiben an den chinesischen Kaiser zu richten, wurde aber abschläglich beschieden. Die Verlegenheit der Eng- länder steigerte sich; im Ausschuss war man nicht einig; der Ver- lust aus der Verzögerung der Handelsgeschäfte stand zu den angestrebten Zwecken ausser Verhältniss. Als daher am 2. Februar der Vice-König erklärte, dass ein neuer Noṅ-Kaufmann ernannt sei und weitere Ernennungen bevorständen, die übrigen Vorstellung- gen aber zur Entscheidung nach Pe-kiṅ berichtet wären, gaben die Engländer bereitwillig nach. Das Handelsgeschwader ging nach Wam-poa, die Geschäfte begannen, und bis zum 1. März wurden dem Hoṅ-Verbande drei neue Mitglieder hinzugefügt. Die nächste Handels-Saison war wieder sehr unruhig. Einige Parsees tödteten in einer nächtlichen Schlägerei einen Eng- länder, wurden festgenommen und zur Aburtheilung nach Bombay eingeschifft. Die chinesischen Behörden verlangten ihre Auslieferung und bezogen sich dabei auf einen 1780 vorgekommenen Fall: ein französischer Matrose, der damals einen Portugiesen erschlug, war von den französischen Beamten der einheimischen Justiz ausgeliefert worden, die denselben ohne Umstände stranguliren liess. — Der englische Ausschuss wies nun aber jenes Ansinnen zurück. Darauf befahl der Vice-König die schleunige Entfernung der Gemahlin des Handelsvorstehers, welche gegen die alten Vorschriften nach Kan-ton gekommen war; denn europäische Frauen durften nur in Macao wohnen. Die Androhung von Gewalt, welche jenen Be- fehl begleitete, veranlasste den Ausschuss, hundert bewaffnete Ma- trosen und zwei Achtzehnpfünder von Wam-poa kommen zu lassen; die Chinesen erklärten nun aber, dass kein Zwang beabsichtigt werde, und die Seeleute wurden nach vierzehntägigem Aufenthalt in den Factoreien wieder fortgeschickt. Die Zurückhaltung der Schiffe vor der Flussmündung im Jahre 1829 war von dem Directorium der Compagnie missbilligt und der Ausschuss durch neue Beamte ersetzt worden, welche bald nach den erzählten Vorfällen im November 1830 in Kan-ton ein-

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/74>, abgerufen am 25.11.2024.