Die Frauen und Kinder der ermordeten oder zu Soldaten gepressten Bewohner mussten für den Unterhalt der wilden Horde arbeiten; der Himmelsfürst weilte unsichtbar in den Tiefen seines Harems, und gab nur durch wahnwitzige Manifeste oder blutige Grausamkeit Zeichen seines Daseins.
Für Shang-hae war die Schiffahrt auf dem Yan-tse be- sonders damals wichtig, da die seine Ausfuhr producirenden Seiden- districte von den Rebellen besetzt waren und wenig Aussicht für die Zukunft boten. Man fand grade jetzt wieder besondere Reg- samkeit unter den Tae-pin und hatte wenig Vertrauen zu den kaiserlichen Kuli-Heeren, welchen militärische Organisation und Disciplin ebenso fehlten, wie den Insurgenten. Die Kassen waren erschöpft. Im Norden drohten die "Salzdschunken-Rebellen", -- die Mannschaft unzähliger dem Monopol-Handel mit Salz dienen- der Staatsboote, zu deren Benutzung das Geld fehlte, -- der Haupt- stadt die Zufuhr abzuschneiden und schlugen das Heer San-ko- lin-sin's. Diese Bewegung wurde mit den Operationen der Tae- pin in Verbindung gebracht, und Shang-hae, das bis dahin ganz vom Seidenhandel lebte, sah trübe in die Zukunft, wenn sich kein Ersatz bot. Nun standen, wie gesagt, die geöffneten Häfen am oberen Yan-tse durch Wasserstrassen mit den Thee-Districten in Verbindung; man hoffte die Hauptmasse dieses Artikels, welche bis dahin durch unwegsame Gebirge nach Kan-ton ging, weit billiger über Shang-hae exportiren zu können, wo sich eine Actiengesell- schaft zum Bau flachgehender Dampfer bildete. Sehr deprimirend wirkte hier die durch den Auszug der Bewohner von Han-kau veranlasste Nachricht, dass der Yin-wan die Dreistadt besetzt habe; wenig Stunden nach ihrem Eintreffen erschienen an allen Strassenecken grosse chinesische Maueranschläge auf rothem Pa- pier, welche die fremden Consuln aufforderten, endlich Ernst zu zeigen und die Rebellen zu vernichten.
General de Montauban wünschte schon im Frühjahr 1860 Truppen gegen die Tae-pin zu senden, wenigstens Su-tsau und die Seidenbezirke vor ihnen zu schützen. Eine auf ihre Vertreibung zielende Petition reichten später französische Kaufleute an den Consul in Shang-hae ein, welcher dem Gesandten in Pe-kin dar- über berichtete. Er betont, dass eine Betheiligung an der Yan-tse- Expedition weder den Ruhm noch den Vortheil Frankreichs hätte fördern können, dass die Anerkennung der Rebellen als krieg-
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XIII. Aussichten in Shang-hae.
Die Frauen und Kinder der ermordeten oder zu Soldaten gepressten Bewohner mussten für den Unterhalt der wilden Horde arbeiten; der Himmelsfürst weilte unsichtbar in den Tiefen seines Harems, und gab nur durch wahnwitzige Manifeste oder blutige Grausamkeit Zeichen seines Daseins.
Für Shang-hae war die Schiffahrt auf dem Yaṅ-tse be- sonders damals wichtig, da die seine Ausfuhr producirenden Seiden- districte von den Rebellen besetzt waren und wenig Aussicht für die Zukunft boten. Man fand grade jetzt wieder besondere Reg- samkeit unter den Tae-piṅ und hatte wenig Vertrauen zu den kaiserlichen Kuli-Heeren, welchen militärische Organisation und Disciplin ebenso fehlten, wie den Insurgenten. Die Kassen waren erschöpft. Im Norden drohten die »Salzdschunken-Rebellen«, — die Mannschaft unzähliger dem Monopol-Handel mit Salz dienen- der Staatsboote, zu deren Benutzung das Geld fehlte, — der Haupt- stadt die Zufuhr abzuschneiden und schlugen das Heer Saṅ-ko- lin-sin’s. Diese Bewegung wurde mit den Operationen der Tae- piṅ in Verbindung gebracht, und Shang-hae, das bis dahin ganz vom Seidenhandel lebte, sah trübe in die Zukunft, wenn sich kein Ersatz bot. Nun standen, wie gesagt, die geöffneten Häfen am oberen Yaṅ-tse durch Wasserstrassen mit den Thee-Districten in Verbindung; man hoffte die Hauptmasse dieses Artikels, welche bis dahin durch unwegsame Gebirge nach Kan-ton ging, weit billiger über Shang-hae exportiren zu können, wo sich eine Actiengesell- schaft zum Bau flachgehender Dampfer bildete. Sehr deprimirend wirkte hier die durch den Auszug der Bewohner von Han-kau veranlasste Nachricht, dass der Yiṅ-waṅ die Dreistadt besetzt habe; wenig Stunden nach ihrem Eintreffen erschienen an allen Strassenecken grosse chinesische Maueranschläge auf rothem Pa- pier, welche die fremden Consuln aufforderten, endlich Ernst zu zeigen und die Rebellen zu vernichten.
General de Montauban wünschte schon im Frühjahr 1860 Truppen gegen die Tae-piṅ zu senden, wenigstens Su-tšau und die Seidenbezirke vor ihnen zu schützen. Eine auf ihre Vertreibung zielende Petition reichten später französische Kaufleute an den Consul in Shang-hae ein, welcher dem Gesandten in Pe-kiṅ dar- über berichtete. Er betont, dass eine Betheiligung an der Yaṅ-tse- Expedition weder den Ruhm noch den Vortheil Frankreichs hätte fördern können, dass die Anerkennung der Rebellen als krieg-
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Die Frauen und Kinder der ermordeten oder zu Soldaten gepressten
Bewohner mussten für den Unterhalt der wilden Horde arbeiten;
der Himmelsfürst weilte unsichtbar in den Tiefen seines Harems,
und gab nur durch wahnwitzige Manifeste oder blutige Grausamkeit
Zeichen seines Daseins.
Für Shang-hae war die Schiffahrt auf dem Yaṅ-tse be-
sonders damals wichtig, da die seine Ausfuhr producirenden Seiden-
districte von den Rebellen besetzt waren und wenig Aussicht für
die Zukunft boten. Man fand grade jetzt wieder besondere Reg-
samkeit unter den Tae-piṅ und hatte wenig Vertrauen zu den
kaiserlichen Kuli-Heeren, welchen militärische Organisation und
Disciplin ebenso fehlten, wie den Insurgenten. Die Kassen waren
erschöpft. Im Norden drohten die »Salzdschunken-Rebellen«, —
die Mannschaft unzähliger dem Monopol-Handel mit Salz dienen-
der Staatsboote, zu deren Benutzung das Geld fehlte, — der Haupt-
stadt die Zufuhr abzuschneiden und schlugen das Heer Saṅ-ko-
lin-sin’s. Diese Bewegung wurde mit den Operationen der Tae-
piṅ in Verbindung gebracht, und Shang-hae, das bis dahin ganz
vom Seidenhandel lebte, sah trübe in die Zukunft, wenn sich kein
Ersatz bot. Nun standen, wie gesagt, die geöffneten Häfen am
oberen Yaṅ-tse durch Wasserstrassen mit den Thee-Districten in
Verbindung; man hoffte die Hauptmasse dieses Artikels, welche bis
dahin durch unwegsame Gebirge nach Kan-ton ging, weit billiger
über Shang-hae exportiren zu können, wo sich eine Actiengesell-
schaft zum Bau flachgehender Dampfer bildete. Sehr deprimirend
wirkte hier die durch den Auszug der Bewohner von Han-kau
veranlasste Nachricht, dass der Yiṅ-waṅ die Dreistadt besetzt
habe; wenig Stunden nach ihrem Eintreffen erschienen an allen
Strassenecken grosse chinesische Maueranschläge auf rothem Pa-
pier, welche die fremden Consuln aufforderten, endlich Ernst zu
zeigen und die Rebellen zu vernichten.
General de Montauban wünschte schon im Frühjahr 1860
Truppen gegen die Tae-piṅ zu senden, wenigstens Su-tšau und
die Seidenbezirke vor ihnen zu schützen. Eine auf ihre Vertreibung
zielende Petition reichten später französische Kaufleute an den
Consul in Shang-hae ein, welcher dem Gesandten in Pe-kiṅ dar-
über berichtete. Er betont, dass eine Betheiligung an der Yaṅ-tse-
Expedition weder den Ruhm noch den Vortheil Frankreichs hätte
fördern können, dass die Anerkennung der Rebellen als krieg-
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/441>, abgerufen am 16.02.2025.
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