sonen; sie bezweckten keine Umgestaltung des Systemes, keine Er- kämpfung von Rechten für die Unterthanen. Und was den Söhnen des blumigen Reiches niemals eingefallen war, das wollten jetzt die fremden Barbaren erzwingen! Der Kaiser sollte nicht mehr unum- schränkter Gebieter sein, und Fremdlinge waren es, die ihm Gesetze vorschrieben! Das war unerhört und widersinnig!
Die Niederländer, welche zunächst nach den Portugiesen kamen, hatten wenig Erfolg mit ihren Handelsunternehmungen nach 1624.China, bis von Batavia aus 1624 eine Niederlassung auf der Süd- westküste von Formosa gegründet wurde. Die dort angelegte Festung nannte man Zeeland. Das Aufblühen dieser Colonie sahen die Spanier und Portugiesen mit grossem Neide; sie hatten alle Versuche der Niederländer, in China Fuss zu fassen, offen und heimlich hintertrieben, und die chinesische Regierung verbot den- selben auch jetzt noch den Handelsverkehr. Die Holländer schei- nen nun aber von Zeeland aus die chinesische Schiffahrt so lange gestört zu haben, bis man ihnen die gewünschten Zugeständnisse machte. Dagegen mussten sie die Pescadores-Inseln räumen und sich auf die Festung Zeeland beschränken, wo sie Verbindungen mit den Eingeborenen anknüpften und die angrenzenden Landstriche anbauten. Nach dem Sturze des Min-Hauses flüchteten zahllose Chinesen in das Ausland; 25,000 Familien sollen sich damals auf Tae-wan oder Formosa niedergelassen haben. Die Holländer be- günstigten anfangs die Einwanderung in der Nähe ihrer Colonie; in der Folge wuchs sie ihnen über den Kopf und förderte wesentlich ihre Vertreibung von der Insel.
Sonderbarer Weise scheint der Festung Zeeland von den 1654.holländischen Gesandten, welche 1654 von Batavia nach der chine- sischen Hauptstadt gingen, in ihren Verhandlungen mit den kaiserlichen Räthen niemals gedacht worden zu sein. Die Tartaren mögen, damals ganz neu in der Herrschaft, von der Geo- graphie des Landes wenig gewusst, vielleicht auch nicht geahnt haben, dass die batavischen Sendboten und die Ansiedler auf For- mosa demselben Barbarenstamme angehörten. Jene aber mussten sich freuen, dem Usurpator gegenüber von der Colonie zu schwei- gen; denn das frühere Abkommen war noch mit Beamten des Min- Kaisers geschlossen worden. -- Die Gesandtschaft wurde in Kan-ton
Die Niederländer.
sonen; sie bezweckten keine Umgestaltung des Systemes, keine Er- kämpfung von Rechten für die Unterthanen. Und was den Söhnen des blumigen Reiches niemals eingefallen war, das wollten jetzt die fremden Barbaren erzwingen! Der Kaiser sollte nicht mehr unum- schränkter Gebieter sein, und Fremdlinge waren es, die ihm Gesetze vorschrieben! Das war unerhört und widersinnig!
Die Niederländer, welche zunächst nach den Portugiesen kamen, hatten wenig Erfolg mit ihren Handelsunternehmungen nach 1624.China, bis von Batavia aus 1624 eine Niederlassung auf der Süd- westküste von Formosa gegründet wurde. Die dort angelegte Festung nannte man Zeeland. Das Aufblühen dieser Colonie sahen die Spanier und Portugiesen mit grossem Neide; sie hatten alle Versuche der Niederländer, in China Fuss zu fassen, offen und heimlich hintertrieben, und die chinesische Regierung verbot den- selben auch jetzt noch den Handelsverkehr. Die Holländer schei- nen nun aber von Zeeland aus die chinesische Schiffahrt so lange gestört zu haben, bis man ihnen die gewünschten Zugeständnisse machte. Dagegen mussten sie die Pescadores-Inseln räumen und sich auf die Festung Zeeland beschränken, wo sie Verbindungen mit den Eingeborenen anknüpften und die angrenzenden Landstriche anbauten. Nach dem Sturze des Miṅ-Hauses flüchteten zahllose Chinesen in das Ausland; 25,000 Familien sollen sich damals auf Tae-waṅ oder Formosa niedergelassen haben. Die Holländer be- günstigten anfangs die Einwanderung in der Nähe ihrer Colonie; in der Folge wuchs sie ihnen über den Kopf und förderte wesentlich ihre Vertreibung von der Insel.
Sonderbarer Weise scheint der Festung Zeeland von den 1654.holländischen Gesandten, welche 1654 von Batavia nach der chine- sischen Hauptstadt gingen, in ihren Verhandlungen mit den kaiserlichen Räthen niemals gedacht worden zu sein. Die Tartaren mögen, damals ganz neu in der Herrschaft, von der Geo- graphie des Landes wenig gewusst, vielleicht auch nicht geahnt haben, dass die batavischen Sendboten und die Ansiedler auf For- mosa demselben Barbarenstamme angehörten. Jene aber mussten sich freuen, dem Usurpator gegenüber von der Colonie zu schwei- gen; denn das frühere Abkommen war noch mit Beamten des Miṅ- Kaisers geschlossen worden. — Die Gesandtschaft wurde in Kan-ton
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Die Niederländer.
sonen; sie bezweckten keine Umgestaltung des Systemes, keine Er-
kämpfung von Rechten für die Unterthanen. Und was den Söhnen
des blumigen Reiches niemals eingefallen war, das wollten jetzt die
fremden Barbaren erzwingen! Der Kaiser sollte nicht mehr unum-
schränkter Gebieter sein, und Fremdlinge waren es, die ihm Gesetze
vorschrieben! Das war unerhört und widersinnig!
Die Niederländer, welche zunächst nach den Portugiesen
kamen, hatten wenig Erfolg mit ihren Handelsunternehmungen nach
China, bis von Batavia aus 1624 eine Niederlassung auf der Süd-
westküste von Formosa gegründet wurde. Die dort angelegte
Festung nannte man Zeeland. Das Aufblühen dieser Colonie sahen
die Spanier und Portugiesen mit grossem Neide; sie hatten alle
Versuche der Niederländer, in China Fuss zu fassen, offen und
heimlich hintertrieben, und die chinesische Regierung verbot den-
selben auch jetzt noch den Handelsverkehr. Die Holländer schei-
nen nun aber von Zeeland aus die chinesische Schiffahrt so lange
gestört zu haben, bis man ihnen die gewünschten Zugeständnisse
machte. Dagegen mussten sie die Pescadores-Inseln räumen und
sich auf die Festung Zeeland beschränken, wo sie Verbindungen
mit den Eingeborenen anknüpften und die angrenzenden Landstriche
anbauten. Nach dem Sturze des Miṅ-Hauses flüchteten zahllose
Chinesen in das Ausland; 25,000 Familien sollen sich damals auf
Tae-waṅ oder Formosa niedergelassen haben. Die Holländer be-
günstigten anfangs die Einwanderung in der Nähe ihrer Colonie; in
der Folge wuchs sie ihnen über den Kopf und förderte wesentlich
ihre Vertreibung von der Insel.
1624.
Sonderbarer Weise scheint der Festung Zeeland von den
holländischen Gesandten, welche 1654 von Batavia nach der chine-
sischen Hauptstadt gingen, in ihren Verhandlungen mit den
kaiserlichen Räthen niemals gedacht worden zu sein. Die
Tartaren mögen, damals ganz neu in der Herrschaft, von der Geo-
graphie des Landes wenig gewusst, vielleicht auch nicht geahnt
haben, dass die batavischen Sendboten und die Ansiedler auf For-
mosa demselben Barbarenstamme angehörten. Jene aber mussten
sich freuen, dem Usurpator gegenüber von der Colonie zu schwei-
gen; denn das frühere Abkommen war noch mit Beamten des Miṅ-
Kaisers geschlossen worden. — Die Gesandtschaft wurde in Kan-ton
1654.
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/44>, abgerufen am 16.02.2025.
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