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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Die Tae-pin in Wan-tsau. XIII.
ankert lagen, war spurlos verschwunden. 10,000 Mann kaiserlicher
Truppen standen in den drei Städten; aber die Bevölkerung hatte
kein Vertrauen.

Herr Parkes ging mit zwei Begleitern am 22. März auf einem
Kanonenboot nach Wan-tsau. In den Vorstädten plünderten Sol-
daten; andere rissen die Häuser um die Stadtmauer nieder und
bauten ringsum einen dreifachen Wall. Eine am Thore angeheftete
Proclamation des Yin-wan versprach den Bürgern Schutz und
Sicherheit, wenn sie heimkehren, Handel und Gewerbe wieder auf-
nehmen wollten. Ein zweiter Erlass verbot die Plünderung der
umliegenden Dörfer, und ein dritter, zwei abgeschlagenen Köpfen
angehängter drohte gleiche Strafe Allen, welche den Leuten die
Kleider auszögen. Der bunte Aufzug des Raubgesindels zeigte den
Werth solcher Drohungen. Alle Provinzen von Süd- und Mittel-
China
waren in dieser Horde vertreten, und die Zahl der Knaben
auch hier sehr auffallend.

Der Yin-wan empfing Herrn Parkes mit theatralischem Ge-
pränge: Musik, bunte Fahnen, Kanonenschüsse grüssten seinen
Eintritt in den Ya-mum. Zwei Marschälle in gelben Gewändern
führten die Engländer durch grosse von Kriegern besetzte Höfe.
Die Flügelthore der Empfangshalle sprangen mit Effect vor ihnen auf;
aber Haufen zerlumpten Gesindels drängten sich, aller Kleiderordnung
achtlos, mit hinein. Der Yin-wan erzählte seinen Feldzug: er habe
in den letzten elf Tagen mit dem Heer etwa funfzig Meilen gemacht
und drei Städte genommen; jetzt wolle er entweder das kaiserliche
Heer vor Gan-kin angreifen, oder Han-kau besetzen; Letzteres
scheine ihm bedenklich, da sich dort Engländer niedergelassen
hätten. Consul Parkes bestärkte ihn darin: die Tae-pin dürften
durch ihre Bewegungen den fremden Handel nicht stören. Das
begriff der Yin-wan und wollte sich danach richten. Das kluge
bescheidene Wesen des zwanzigjährigen Feldherrn, der fast noch
jünger aussah, machte den angenehmsten Eindruck; bei den Trup-
pen schien er Ansehn zu geniessen; im Ganzen herrschte Ordnung.
Bei der Plünderung und Einquartierung ging es ganz einträchtig
zu; nirgend zankte man um die Beute, trank und spielte auch nicht.
Die Meisten hatten ihre Waffen in die Magazine abgeliefert; nur
die einrückenden Truppen führten sie noch; diese kamen schwer
beladen mit Säcken voll Reis, Hühnern, Schweinefleisch und allem
Möglichen, ein kunterbunter Pöbelhaufen.

Die Tae-piṅ in Waṅ-tšau. XIII.
ankert lagen, war spurlos verschwunden. 10,000 Mann kaiserlicher
Truppen standen in den drei Städten; aber die Bevölkerung hatte
kein Vertrauen.

Herr Parkes ging mit zwei Begleitern am 22. März auf einem
Kanonenboot nach Waṅ-tšau. In den Vorstädten plünderten Sol-
daten; andere rissen die Häuser um die Stadtmauer nieder und
bauten ringsum einen dreifachen Wall. Eine am Thore angeheftete
Proclamation des Yiṅ-waṅ versprach den Bürgern Schutz und
Sicherheit, wenn sie heimkehren, Handel und Gewerbe wieder auf-
nehmen wollten. Ein zweiter Erlass verbot die Plünderung der
umliegenden Dörfer, und ein dritter, zwei abgeschlagenen Köpfen
angehängter drohte gleiche Strafe Allen, welche den Leuten die
Kleider auszögen. Der bunte Aufzug des Raubgesindels zeigte den
Werth solcher Drohungen. Alle Provinzen von Süd- und Mittel-
China
waren in dieser Horde vertreten, und die Zahl der Knaben
auch hier sehr auffallend.

Der Yiṅ-waṅ empfing Herrn Parkes mit theatralischem Ge-
pränge: Musik, bunte Fahnen, Kanonenschüsse grüssten seinen
Eintritt in den Ya-mum. Zwei Marschälle in gelben Gewändern
führten die Engländer durch grosse von Kriegern besetzte Höfe.
Die Flügelthore der Empfangshalle sprangen mit Effect vor ihnen auf;
aber Haufen zerlumpten Gesindels drängten sich, aller Kleiderordnung
achtlos, mit hinein. Der Yiṅ-waṅ erzählte seinen Feldzug: er habe
in den letzten elf Tagen mit dem Heer etwa funfzig Meilen gemacht
und drei Städte genommen; jetzt wolle er entweder das kaiserliche
Heer vor Gan-kiṅ angreifen, oder Han-kau besetzen; Letzteres
scheine ihm bedenklich, da sich dort Engländer niedergelassen
hätten. Consul Parkes bestärkte ihn darin: die Tae-piṅ dürften
durch ihre Bewegungen den fremden Handel nicht stören. Das
begriff der Yiṅ-waṅ und wollte sich danach richten. Das kluge
bescheidene Wesen des zwanzigjährigen Feldherrn, der fast noch
jünger aussah, machte den angenehmsten Eindruck; bei den Trup-
pen schien er Ansehn zu geniessen; im Ganzen herrschte Ordnung.
Bei der Plünderung und Einquartierung ging es ganz einträchtig
zu; nirgend zankte man um die Beute, trank und spielte auch nicht.
Die Meisten hatten ihre Waffen in die Magazine abgeliefert; nur
die einrückenden Truppen führten sie noch; diese kamen schwer
beladen mit Säcken voll Reis, Hühnern, Schweinefleisch und allem
Möglichen, ein kunterbunter Pöbelhaufen.

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[414/0436] Die Tae-piṅ in Waṅ-tšau. XIII. ankert lagen, war spurlos verschwunden. 10,000 Mann kaiserlicher Truppen standen in den drei Städten; aber die Bevölkerung hatte kein Vertrauen. Herr Parkes ging mit zwei Begleitern am 22. März auf einem Kanonenboot nach Waṅ-tšau. In den Vorstädten plünderten Sol- daten; andere rissen die Häuser um die Stadtmauer nieder und bauten ringsum einen dreifachen Wall. Eine am Thore angeheftete Proclamation des Yiṅ-waṅ versprach den Bürgern Schutz und Sicherheit, wenn sie heimkehren, Handel und Gewerbe wieder auf- nehmen wollten. Ein zweiter Erlass verbot die Plünderung der umliegenden Dörfer, und ein dritter, zwei abgeschlagenen Köpfen angehängter drohte gleiche Strafe Allen, welche den Leuten die Kleider auszögen. Der bunte Aufzug des Raubgesindels zeigte den Werth solcher Drohungen. Alle Provinzen von Süd- und Mittel- China waren in dieser Horde vertreten, und die Zahl der Knaben auch hier sehr auffallend. Der Yiṅ-waṅ empfing Herrn Parkes mit theatralischem Ge- pränge: Musik, bunte Fahnen, Kanonenschüsse grüssten seinen Eintritt in den Ya-mum. Zwei Marschälle in gelben Gewändern führten die Engländer durch grosse von Kriegern besetzte Höfe. Die Flügelthore der Empfangshalle sprangen mit Effect vor ihnen auf; aber Haufen zerlumpten Gesindels drängten sich, aller Kleiderordnung achtlos, mit hinein. Der Yiṅ-waṅ erzählte seinen Feldzug: er habe in den letzten elf Tagen mit dem Heer etwa funfzig Meilen gemacht und drei Städte genommen; jetzt wolle er entweder das kaiserliche Heer vor Gan-kiṅ angreifen, oder Han-kau besetzen; Letzteres scheine ihm bedenklich, da sich dort Engländer niedergelassen hätten. Consul Parkes bestärkte ihn darin: die Tae-piṅ dürften durch ihre Bewegungen den fremden Handel nicht stören. Das begriff der Yiṅ-waṅ und wollte sich danach richten. Das kluge bescheidene Wesen des zwanzigjährigen Feldherrn, der fast noch jünger aussah, machte den angenehmsten Eindruck; bei den Trup- pen schien er Ansehn zu geniessen; im Ganzen herrschte Ordnung. Bei der Plünderung und Einquartierung ging es ganz einträchtig zu; nirgend zankte man um die Beute, trank und spielte auch nicht. Die Meisten hatten ihre Waffen in die Magazine abgeliefert; nur die einrückenden Truppen führten sie noch; diese kamen schwer beladen mit Säcken voll Reis, Hühnern, Schweinefleisch und allem Möglichen, ein kunterbunter Pöbelhaufen.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/436>, abgerufen am 24.11.2024.