melsthor des wahren Gottes", über dem inneren: "Das königliche Himmelsthor". Beide waren reich verziert mit grotesken Gestalten, Drachen, Phönixen u. s. w. Zur Neujahrsgratulation kamen die "Könige" in gelben Sänften; sie trugen lange gelbe Gewänder und Kronen von altchinesischer Form. Von seinem Standpunct im äusseren Hof sah Herr Muirhead die Feierlichkeit nur ungenau; sie scheint jedoch der von Herrn Holmes beschriebenen durchaus ge- glichen zu haben. Die Versammlung kniete und betete vor dem leeren Thron des Himmelsfürsten, welcher unsichtbar blieb.
Herr Forrest, ein englischer Consularbeamter, der etwas später Nan-kin besuchte, berichtet offenbar die nüchterne Wahr- heit. "Die völlige Verwüstung und Verödung der von den Tae-pin auf ihrem Marsche von Nan-kin nach Su-tsau betretenen Land- striche ist mit Worten nicht zu beschreiben. Die Gegend um letz- tere Stadt wird bald ein wucherndes Dickicht sein, und die weiten Vorstädte, einst sogar von Fremden angestaunt, sind völlig zer- stört. Vor den Thoren trifft man ein paar elende Geschöpfe, die Bohnenbrei und Gemüse verkaufen; ausserdem sind aber keine ein- heimische Bewohner mehr zu finden; wir jagten sogar wilde Enten im Stadtgraben auf, wo es vor einem Jahr nur eben möglich war durchzukommen durch die ungeheuere Masse dem Handelsverkehr dienender Boote. Eben so öde ist das Innere der Stadt. Alle Häuserfronten sind eingerissen und die zahlreichen Wasserläufe mit zerbrochenen Möbeln, faulenden Booten und Trümmern voll- gestopft. Dasselbe gilt von allen Städten am Kaiser-Canal; die Dörfer und durch keine Mauern geschützten Plätze sind so gründ- lich ausgebrannt, dass nur rauchgeschwärzte Wände noch auf- recht stehen."
Der Kan-wan war eben mit 70,000 Mann gegen Han-tsau gerückt; den Kaiser-Canal bedeckten grosse Transporte elender Waffen, mit denen gewissenlose Kaufleute in Shang-hae gute Ge- schäfte machten; die Flinten nur denen gefährlich, die sie führten. -- Die an der Mündung des Canals in den Yan-tse gelegene Stadt Tsin-kian-fu, welche seit einigen Jahren wieder kaiserlich war, bedrängten jetzt die Insurgenten in der Besorgniss, dass die Eng- länder sie nach Installirung ihres Consuls schützen möchten.
In der Umgegend von Nan-kin waren viele Landbewohner zu ihren Dörfern und Beschäftigungen zurückgekehrt. Mauer- anschläge, vom Sohne des Tien-wan und dem Tsun-wan unter-
XIII. Zustände bei den Tae-piṅ.
melsthor des wahren Gottes«, über dem inneren: »Das königliche Himmelsthor«. Beide waren reich verziert mit grotesken Gestalten, Drachen, Phönixen u. s. w. Zur Neujahrsgratulation kamen die »Könige« in gelben Sänften; sie trugen lange gelbe Gewänder und Kronen von altchinesischer Form. Von seinem Standpunct im äusseren Hof sah Herr Muirhead die Feierlichkeit nur ungenau; sie scheint jedoch der von Herrn Holmes beschriebenen durchaus ge- glichen zu haben. Die Versammlung kniete und betete vor dem leeren Thron des Himmelsfürsten, welcher unsichtbar blieb.
Herr Forrest, ein englischer Consularbeamter, der etwas später Nan-kiṅ besuchte, berichtet offenbar die nüchterne Wahr- heit. »Die völlige Verwüstung und Verödung der von den Tae-piṅ auf ihrem Marsche von Nan-kiṅ nach Su-tšau betretenen Land- striche ist mit Worten nicht zu beschreiben. Die Gegend um letz- tere Stadt wird bald ein wucherndes Dickicht sein, und die weiten Vorstädte, einst sogar von Fremden angestaunt, sind völlig zer- stört. Vor den Thoren trifft man ein paar elende Geschöpfe, die Bohnenbrei und Gemüse verkaufen; ausserdem sind aber keine ein- heimische Bewohner mehr zu finden; wir jagten sogar wilde Enten im Stadtgraben auf, wo es vor einem Jahr nur eben möglich war durchzukommen durch die ungeheuere Masse dem Handelsverkehr dienender Boote. Eben so öde ist das Innere der Stadt. Alle Häuserfronten sind eingerissen und die zahlreichen Wasserläufe mit zerbrochenen Möbeln, faulenden Booten und Trümmern voll- gestopft. Dasselbe gilt von allen Städten am Kaiser-Canal; die Dörfer und durch keine Mauern geschützten Plätze sind so gründ- lich ausgebrannt, dass nur rauchgeschwärzte Wände noch auf- recht stehen.«
Der Kan-waṅ war eben mit 70,000 Mann gegen Haṅ-tšau gerückt; den Kaiser-Canal bedeckten grosse Transporte elender Waffen, mit denen gewissenlose Kaufleute in Shang-hae gute Ge- schäfte machten; die Flinten nur denen gefährlich, die sie führten. — Die an der Mündung des Canals in den Yaṅ-tse gelegene Stadt Tšiṅ-kiaṅ-fu, welche seit einigen Jahren wieder kaiserlich war, bedrängten jetzt die Insurgenten in der Besorgniss, dass die Eng- länder sie nach Installirung ihres Consuls schützen möchten.
In der Umgegend von Nan-kiṅ waren viele Landbewohner zu ihren Dörfern und Beschäftigungen zurückgekehrt. Mauer- anschläge, vom Sohne des Tien-waṅ und dem Tšun-waṅ unter-
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XIII. Zustände bei den Tae-piṅ.
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Himmelsthor«. Beide waren reich verziert mit grotesken Gestalten,
Drachen, Phönixen u. s. w. Zur Neujahrsgratulation kamen die
»Könige« in gelben Sänften; sie trugen lange gelbe Gewänder und
Kronen von altchinesischer Form. Von seinem Standpunct im
äusseren Hof sah Herr Muirhead die Feierlichkeit nur ungenau; sie
scheint jedoch der von Herrn Holmes beschriebenen durchaus ge-
glichen zu haben. Die Versammlung kniete und betete vor dem
leeren Thron des Himmelsfürsten, welcher unsichtbar blieb.
Herr Forrest, ein englischer Consularbeamter, der etwas
später Nan-kiṅ besuchte, berichtet offenbar die nüchterne Wahr-
heit. »Die völlige Verwüstung und Verödung der von den Tae-piṅ
auf ihrem Marsche von Nan-kiṅ nach Su-tšau betretenen Land-
striche ist mit Worten nicht zu beschreiben. Die Gegend um letz-
tere Stadt wird bald ein wucherndes Dickicht sein, und die weiten
Vorstädte, einst sogar von Fremden angestaunt, sind völlig zer-
stört. Vor den Thoren trifft man ein paar elende Geschöpfe, die
Bohnenbrei und Gemüse verkaufen; ausserdem sind aber keine ein-
heimische Bewohner mehr zu finden; wir jagten sogar wilde Enten
im Stadtgraben auf, wo es vor einem Jahr nur eben möglich war
durchzukommen durch die ungeheuere Masse dem Handelsverkehr
dienender Boote. Eben so öde ist das Innere der Stadt. Alle
Häuserfronten sind eingerissen und die zahlreichen Wasserläufe
mit zerbrochenen Möbeln, faulenden Booten und Trümmern voll-
gestopft. Dasselbe gilt von allen Städten am Kaiser-Canal; die
Dörfer und durch keine Mauern geschützten Plätze sind so gründ-
lich ausgebrannt, dass nur rauchgeschwärzte Wände noch auf-
recht stehen.«
Der Kan-waṅ war eben mit 70,000 Mann gegen Haṅ-tšau
gerückt; den Kaiser-Canal bedeckten grosse Transporte elender
Waffen, mit denen gewissenlose Kaufleute in Shang-hae gute Ge-
schäfte machten; die Flinten nur denen gefährlich, die sie führten.
— Die an der Mündung des Canals in den Yaṅ-tse gelegene Stadt
Tšiṅ-kiaṅ-fu, welche seit einigen Jahren wieder kaiserlich war,
bedrängten jetzt die Insurgenten in der Besorgniss, dass die Eng-
länder sie nach Installirung ihres Consuls schützen möchten.
In der Umgegend von Nan-kiṅ waren viele Landbewohner
zu ihren Dörfern und Beschäftigungen zurückgekehrt. Mauer-
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/431>, abgerufen am 16.02.2025.
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