druck nicht verschliessen, dass sie dort segenreich und anders wirken, als in europäischen Landen, wo der Orden freilich andere Zwecke verfolgt. -- Durch frühlingsduftende Gefilde kehrten wir bei Mondschein nach der Stadt zurück.
Tae-pin-Truppen standen damals in unmittelbarer Nähe von Shang-hae. Seit der Zurückweisung im Sommer 1860 wagten sie auf die Stadt keinen Angriff mehr, streiften aber bis in ihre nächste Umgebung. Si-ka-be, wo im August 1860 ein Missionar ermordet wurde, hatte französische Besatzung. Oft stiegen am Horizont die Rauchsäulen brennender Ortschaften auf; zuweilen wurden Dörfer kaum eine halbe Stunde vor den Thoren zerstört. Dann flüchteten die Bewohner unter die Mauern von Shang-hae und schlugen La- ger von Strohhütten auf, wo des Jammers kein Ende war. Man sah diese Streifzüge nur als Recognoscirungen der Rebellen an, welche erkunden sollten, ob fremde Truppen die Stadt noch be- setzt hielten; das in Shang-hae garnisonirende anglo-indische Reiter-Regiment sandte stehende Patrouillen nach allen Richtungen. Zuweilen zogen kaiserliche Truppen gegen die Aufrührer, hausten aber eben so schlimm wie diese und pressten den Dorfbewohnern durch die Drohung, sie als Hehler von Rebellen anzugeben, oft den letzten Heller ab; wo solcher Verdacht einmal erwachte, übten die Behörden summarische Justiz und mordeten manchen Schuldlosen. Der Tau-tae bedrohte die Erpressungen seiner Krieger umsonst mit den härtesten Strafen: ein zum Ankauf von Seide ausgeschickter Inspector des Hauses Jardine Matheson wurde bald nach unserer Abreise in seinem Boote von kaiserlichen Soldaten überfallen und der baaren Summe von 80,000 Dollars beraubt. Der englische Con- sul machte den Tau-tae von Shang-hae verantwortlich, in dessen Bezirk die That verübt war; schon nach zwei Tagen hatte man dreissig Räuber mit 50,000 Dollars gefangen; das Fehlende mussten die Behörden ersetzen.
Täglich hörte man von der Ruchlosigkeit der kaiserlichen Soldaten: so schlachtete ein zum Kampfe ausziehendes Detache- ment vor den Thoren von Shang-hae einen Gefangenen, um die Waffen in sein Blut zu tauchen, im Wahn, das mache siegreich. Einzelne Tae-pin wurden auf diesen Streifzügen wohl gefangen, ihre Häupter barbarisch in den Strassen angenagelt; von ernster Action hörte man niemals. Die Truppen näherten sich dem Feinde in aufgelösten Schaaren auf Schussweite; Jeder nahm einen Gegner
Die Tae-piṅ und die Kaiserlichen. XIII.
druck nicht verschliessen, dass sie dort segenreich und anders wirken, als in europäischen Landen, wo der Orden freilich andere Zwecke verfolgt. — Durch frühlingsduftende Gefilde kehrten wir bei Mondschein nach der Stadt zurück.
Tae-piṅ-Truppen standen damals in unmittelbarer Nähe von Shang-hae. Seit der Zurückweisung im Sommer 1860 wagten sie auf die Stadt keinen Angriff mehr, streiften aber bis in ihre nächste Umgebung. Si-ka-be, wo im August 1860 ein Missionar ermordet wurde, hatte französische Besatzung. Oft stiegen am Horizont die Rauchsäulen brennender Ortschaften auf; zuweilen wurden Dörfer kaum eine halbe Stunde vor den Thoren zerstört. Dann flüchteten die Bewohner unter die Mauern von Shang-hae und schlugen La- ger von Strohhütten auf, wo des Jammers kein Ende war. Man sah diese Streifzüge nur als Recognoscirungen der Rebellen an, welche erkunden sollten, ob fremde Truppen die Stadt noch be- setzt hielten; das in Shang-hae garnisonirende anglo-indische Reiter-Regiment sandte stehende Patrouillen nach allen Richtungen. Zuweilen zogen kaiserliche Truppen gegen die Aufrührer, hausten aber eben so schlimm wie diese und pressten den Dorfbewohnern durch die Drohung, sie als Hehler von Rebellen anzugeben, oft den letzten Heller ab; wo solcher Verdacht einmal erwachte, übten die Behörden summarische Justiz und mordeten manchen Schuldlosen. Der Tau-tae bedrohte die Erpressungen seiner Krieger umsonst mit den härtesten Strafen: ein zum Ankauf von Seide ausgeschickter Inspector des Hauses Jardine Matheson wurde bald nach unserer Abreise in seinem Boote von kaiserlichen Soldaten überfallen und der baaren Summe von 80,000 Dollars beraubt. Der englische Con- sul machte den Tau-tae von Shang-hae verantwortlich, in dessen Bezirk die That verübt war; schon nach zwei Tagen hatte man dreissig Räuber mit 50,000 Dollars gefangen; das Fehlende mussten die Behörden ersetzen.
Täglich hörte man von der Ruchlosigkeit der kaiserlichen Soldaten: so schlachtete ein zum Kampfe ausziehendes Detache- ment vor den Thoren von Shang-hae einen Gefangenen, um die Waffen in sein Blut zu tauchen, im Wahn, das mache siegreich. Einzelne Tae-piṅ wurden auf diesen Streifzügen wohl gefangen, ihre Häupter barbarisch in den Strassen angenagelt; von ernster Action hörte man niemals. Die Truppen näherten sich dem Feinde in aufgelösten Schaaren auf Schussweite; Jeder nahm einen Gegner
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[398/0420]
Die Tae-piṅ und die Kaiserlichen. XIII.
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wirken, als in europäischen Landen, wo der Orden freilich andere
Zwecke verfolgt. — Durch frühlingsduftende Gefilde kehrten wir
bei Mondschein nach der Stadt zurück.
Tae-piṅ-Truppen standen damals in unmittelbarer Nähe von
Shang-hae. Seit der Zurückweisung im Sommer 1860 wagten sie
auf die Stadt keinen Angriff mehr, streiften aber bis in ihre nächste
Umgebung. Si-ka-be, wo im August 1860 ein Missionar ermordet
wurde, hatte französische Besatzung. Oft stiegen am Horizont die
Rauchsäulen brennender Ortschaften auf; zuweilen wurden Dörfer
kaum eine halbe Stunde vor den Thoren zerstört. Dann flüchteten
die Bewohner unter die Mauern von Shang-hae und schlugen La-
ger von Strohhütten auf, wo des Jammers kein Ende war. Man
sah diese Streifzüge nur als Recognoscirungen der Rebellen an,
welche erkunden sollten, ob fremde Truppen die Stadt noch be-
setzt hielten; das in Shang-hae garnisonirende anglo-indische
Reiter-Regiment sandte stehende Patrouillen nach allen Richtungen.
Zuweilen zogen kaiserliche Truppen gegen die Aufrührer, hausten
aber eben so schlimm wie diese und pressten den Dorfbewohnern
durch die Drohung, sie als Hehler von Rebellen anzugeben, oft den
letzten Heller ab; wo solcher Verdacht einmal erwachte, übten die
Behörden summarische Justiz und mordeten manchen Schuldlosen.
Der Tau-tae bedrohte die Erpressungen seiner Krieger umsonst
mit den härtesten Strafen: ein zum Ankauf von Seide ausgeschickter
Inspector des Hauses Jardine Matheson wurde bald nach unserer
Abreise in seinem Boote von kaiserlichen Soldaten überfallen und
der baaren Summe von 80,000 Dollars beraubt. Der englische Con-
sul machte den Tau-tae von Shang-hae verantwortlich, in dessen
Bezirk die That verübt war; schon nach zwei Tagen hatte man
dreissig Räuber mit 50,000 Dollars gefangen; das Fehlende mussten
die Behörden ersetzen.
Täglich hörte man von der Ruchlosigkeit der kaiserlichen
Soldaten: so schlachtete ein zum Kampfe ausziehendes Detache-
ment vor den Thoren von Shang-hae einen Gefangenen, um die
Waffen in sein Blut zu tauchen, im Wahn, das mache siegreich.
Einzelne Tae-piṅ wurden auf diesen Streifzügen wohl gefangen,
ihre Häupter barbarisch in den Strassen angenagelt; von ernster
Action hörte man niemals. Die Truppen näherten sich dem Feinde
in aufgelösten Schaaren auf Schussweite; Jeder nahm einen Gegner
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/420>, abgerufen am 22.11.2024.
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