und Gehen ein merkliches Gebrüll ausstiessen. -- Es waren nur Herren-Rennen, geritten von den Eigenthümern der Pferde oder deren Freunden in Jockey-Tracht. Für einheimische Ponys gab es zwei Preise, einen für Araber; alle übrigen galten englischen Pferden und australischen englischer Race; letztere siegten in den meisten Rennen. Bei der Tribüne spielte die französische Militär- musik. Ein buntscheckiger Haufen von Chinesen, englischen, französischen und indischen Soldaten säumte die Bahn, und es ging wenig anders zu als auf englischen Rennplätzen. Die Kaufleute wenden grosse Summen auf diesen Sport und wetten so stark wie in der Heimath.
Unsere deutschen Landsleute machten uns das Leben sehr angenehm. Sie allein hatten sich damals in Shang-hae einen ge- selligen Mittelpunct geschaffen; dazu führte zunächst das musi- calische Bedürfniss. Die Liedertafel "Germania" besass einen hüb- schen Saal mit Lese- und Billardzimmer, wo die Mitglieder der Expedition gastfreie Aufnahme fanden. Der Verkehr mit den Landsleuten und die Berührung mit der heimischen Civilisation that Allen wohl; für den "Reisenden" aber bietet Shang-hae wenig Anziehendes. Man fühlt sich nicht zu Hause, denn das Volks- leben, die arbeitenden Classen fehlen, -- noch auch recht in der Fremde, weil das europäische Element so stark vertreten ist. Frei- lich bedarf es nur eines kurzen Ganges, um ganz in China zu sein; aber das chinesische Shang-hae ist so durchaus reizlos, verfallen, so unerlaubt schmutzig und übelriechend, dass wir ihm immer gern den Rücken wandten. Zudem war das Wetter während des fast siebenwöchentlichen Aufenthaltes fast durchweg ab- scheulich. Shang-hae liegt in der Breite von Kairo, wo im April die Hitze unerträglich wird. Hier aber regnete, schneite und stürmte es den März über unablässig, und im April entbehrte man ungern des Kaminfeuers. Brach einmal die Sonne durch, so glühte plötzlich die Luft, und wurde im Umsehn wieder eisig, hart und schneidend. Der Sommer ist verzehrend heiss, doch giebt es oft im Juni noch Schnee.
Zwischen der Ansiedlung der Fremden und der Stadtmauer liegt ein freier Raum, bedeckt mit wüsten Trümmerhaufen. Hier stand die reiche chinesische Vorstadt, welche beim Angriff der Tae-pin am 19. August 1860 eingeäschert wurde; alle chinesischen Grosshändler hatten dort ihre Wohnungen und Lager. Der Brand
Wettrennen. XIII.
und Gehen ein merkliches Gebrüll ausstiessen. — Es waren nur Herren-Rennen, geritten von den Eigenthümern der Pferde oder deren Freunden in Jockey-Tracht. Für einheimische Ponys gab es zwei Preise, einen für Araber; alle übrigen galten englischen Pferden und australischen englischer Race; letztere siegten in den meisten Rennen. Bei der Tribüne spielte die französische Militär- musik. Ein buntscheckiger Haufen von Chinesen, englischen, französischen und indischen Soldaten säumte die Bahn, und es ging wenig anders zu als auf englischen Rennplätzen. Die Kaufleute wenden grosse Summen auf diesen Sport und wetten so stark wie in der Heimath.
Unsere deutschen Landsleute machten uns das Leben sehr angenehm. Sie allein hatten sich damals in Shang-hae einen ge- selligen Mittelpunct geschaffen; dazu führte zunächst das musi- calische Bedürfniss. Die Liedertafel »Germania« besass einen hüb- schen Saal mit Lese- und Billardzimmer, wo die Mitglieder der Expedition gastfreie Aufnahme fanden. Der Verkehr mit den Landsleuten und die Berührung mit der heimischen Civilisation that Allen wohl; für den »Reisenden« aber bietet Shang-hae wenig Anziehendes. Man fühlt sich nicht zu Hause, denn das Volks- leben, die arbeitenden Classen fehlen, — noch auch recht in der Fremde, weil das europäische Element so stark vertreten ist. Frei- lich bedarf es nur eines kurzen Ganges, um ganz in China zu sein; aber das chinesische Shang-hae ist so durchaus reizlos, verfallen, so unerlaubt schmutzig und übelriechend, dass wir ihm immer gern den Rücken wandten. Zudem war das Wetter während des fast siebenwöchentlichen Aufenthaltes fast durchweg ab- scheulich. Shang-hae liegt in der Breite von Kaïro, wo im April die Hitze unerträglich wird. Hier aber regnete, schneite und stürmte es den März über unablässig, und im April entbehrte man ungern des Kaminfeuers. Brach einmal die Sonne durch, so glühte plötzlich die Luft, und wurde im Umsehn wieder eisig, hart und schneidend. Der Sommer ist verzehrend heiss, doch giebt es oft im Juni noch Schnee.
Zwischen der Ansiedlung der Fremden und der Stadtmauer liegt ein freier Raum, bedeckt mit wüsten Trümmerhaufen. Hier stand die reiche chinesische Vorstadt, welche beim Angriff der Tae-piṅ am 19. August 1860 eingeäschert wurde; alle chinesischen Grosshändler hatten dort ihre Wohnungen und Lager. Der Brand
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Wettrennen. XIII.
und Gehen ein merkliches Gebrüll ausstiessen. — Es waren nur
Herren-Rennen, geritten von den Eigenthümern der Pferde oder
deren Freunden in Jockey-Tracht. Für einheimische Ponys gab
es zwei Preise, einen für Araber; alle übrigen galten englischen
Pferden und australischen englischer Race; letztere siegten in den
meisten Rennen. Bei der Tribüne spielte die französische Militär-
musik. Ein buntscheckiger Haufen von Chinesen, englischen,
französischen und indischen Soldaten säumte die Bahn, und es ging
wenig anders zu als auf englischen Rennplätzen. Die Kaufleute
wenden grosse Summen auf diesen Sport und wetten so stark wie
in der Heimath.
Unsere deutschen Landsleute machten uns das Leben sehr
angenehm. Sie allein hatten sich damals in Shang-hae einen ge-
selligen Mittelpunct geschaffen; dazu führte zunächst das musi-
calische Bedürfniss. Die Liedertafel »Germania« besass einen hüb-
schen Saal mit Lese- und Billardzimmer, wo die Mitglieder der
Expedition gastfreie Aufnahme fanden. Der Verkehr mit den
Landsleuten und die Berührung mit der heimischen Civilisation that
Allen wohl; für den »Reisenden« aber bietet Shang-hae wenig
Anziehendes. Man fühlt sich nicht zu Hause, denn das Volks-
leben, die arbeitenden Classen fehlen, — noch auch recht in der
Fremde, weil das europäische Element so stark vertreten ist. Frei-
lich bedarf es nur eines kurzen Ganges, um ganz in China zu sein;
aber das chinesische Shang-hae ist so durchaus reizlos, verfallen,
so unerlaubt schmutzig und übelriechend, dass wir ihm immer
gern den Rücken wandten. Zudem war das Wetter während
des fast siebenwöchentlichen Aufenthaltes fast durchweg ab-
scheulich. Shang-hae liegt in der Breite von Kaïro, wo im April
die Hitze unerträglich wird. Hier aber regnete, schneite und
stürmte es den März über unablässig, und im April entbehrte man
ungern des Kaminfeuers. Brach einmal die Sonne durch, so glühte
plötzlich die Luft, und wurde im Umsehn wieder eisig, hart und
schneidend. Der Sommer ist verzehrend heiss, doch giebt es oft
im Juni noch Schnee.
Zwischen der Ansiedlung der Fremden und der Stadtmauer
liegt ein freier Raum, bedeckt mit wüsten Trümmerhaufen. Hier
stand die reiche chinesische Vorstadt, welche beim Angriff der
Tae-piṅ am 19. August 1860 eingeäschert wurde; alle chinesischen
Grosshändler hatten dort ihre Wohnungen und Lager. Der Brand
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/402>, abgerufen am 16.07.2024.
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