Verbrechern aus der Gesammtzahl von 73 bezeichnet, welche die schwersten Ketten tragen mussten. Dennoch befahlen die Manda- rinen, ihm essbare Nahrung, d. h. zweimal täglich Reis oder Nu- deln mit etwas Fleisch oder Gemüse, Thee und Tabak zu geben, welche der vermögendste unter den Mitgefangenen bezahlen musste; -- und gerade dieser behandelte ihn am gütigsten.
Am 22. September erhielt Parkes mit seinen vier Wächtern einen besonderen Raum von acht Fuss im Geviert. Der Kerker- meister liess ihn nicht mehr, wie sonst, vor sich knieen. -- An demselben Tage zeigte der Prinz von Kun Lord Elgin seine Bevoll- mächtigung an. -- Parkes wurde gefragt, ob er nicht einen Brief schreiben oder auf andere Weise für Ausgleichung des Streites wirken könne. Dann erschien Han-ki, stellte sich sehr mitleidig und beschwor ihn, den Frieden herzustellen, verweigerte aber jede Mittheilung der letzten Ereignisse und meldete nur die Ernennung des Prinzen von Kun. Da er beim Scheiden versprach, bald wie- der zu kommen, am 23. und 24. September aber nicht erschien, so schrieb Parkes auf seine chinesische Karte die Bitte um Han-ki's Besuch. -- Prinz Kun sandte dieselbe an Lord Elgin, als Zeichen, dass der Gefangene sich wohl und in bequemer Lage befinde.
Am 26. September erschien Han-ki mit zwei Kerkermeistern und hielt eine lange Rede: Der grosse Staatsrath habe Sitzungen gehalten wegen der auswärtigen Beziehungen; er sehe die jetzigen Feindseligkeiten der Alliirten ganz anders an als alle früheren Kriege; diese seien nur gegen die Vicekönige geführt worden, jene be- drohten den Thron. Der Kaiser wolle sich aus Vorsicht nach seinem Jagdschloss Dzehol in der Tartarei zurückziehen und die Hülfe der 48 Mongolen-Fürsten anrufen, von denen jeder gegen 20,000 Mann stellen könne. Würde Pe-kin genommen und die kaiserliche Kriegsmacht über die Reichsgrenze gedrängt, so zer- fiele das Reich, und mit dem Handel wäre es zu Ende. Wollte man es darauf wagen? Die Majorität der Prinzen und Minister seien dafür. Die Prinzen von Tsin, von Ei und San-ko-lin-sin behaup- teten, dass kein Frieden mit den Fremden möglich sei, weil sie immer neue Forderungen stellten; der auswärtige Handel sei China schädlich u. s. w. Der Prinz von Kun aber wünsche andere Wege einzuschlagen und diese möge Herr Parkes bezeichnen. Thue er das nicht, so müsse er das Ziel der Volkswuth werden, die sich im Augenblick der äussersten Noth nicht bändigen lasse.
Verbrechern aus der Gesammtzahl von 73 bezeichnet, welche die schwersten Ketten tragen mussten. Dennoch befahlen die Manda- rinen, ihm essbare Nahrung, d. h. zweimal täglich Reis oder Nu- deln mit etwas Fleisch oder Gemüse, Thee und Tabak zu geben, welche der vermögendste unter den Mitgefangenen bezahlen musste; — und gerade dieser behandelte ihn am gütigsten.
Am 22. September erhielt Parkes mit seinen vier Wächtern einen besonderen Raum von acht Fuss im Geviert. Der Kerker- meister liess ihn nicht mehr, wie sonst, vor sich knieen. — An demselben Tage zeigte der Prinz von Kuṅ Lord Elgin seine Bevoll- mächtigung an. — Parkes wurde gefragt, ob er nicht einen Brief schreiben oder auf andere Weise für Ausgleichung des Streites wirken könne. Dann erschien Haṅ-ki, stellte sich sehr mitleidig und beschwor ihn, den Frieden herzustellen, verweigerte aber jede Mittheilung der letzten Ereignisse und meldete nur die Ernennung des Prinzen von Kuṅ. Da er beim Scheiden versprach, bald wie- der zu kommen, am 23. und 24. September aber nicht erschien, so schrieb Parkes auf seine chinesische Karte die Bitte um Haṅ-ki’s Besuch. — Prinz Kuṅ sandte dieselbe an Lord Elgin, als Zeichen, dass der Gefangene sich wohl und in bequemer Lage befinde.
Am 26. September erschien Haṅ-ki mit zwei Kerkermeistern und hielt eine lange Rede: Der grosse Staatsrath habe Sitzungen gehalten wegen der auswärtigen Beziehungen; er sehe die jetzigen Feindseligkeiten der Alliirten ganz anders an als alle früheren Kriege; diese seien nur gegen die Vicekönige geführt worden, jene be- drohten den Thron. Der Kaiser wolle sich aus Vorsicht nach seinem Jagdschloss Džehol in der Tartarei zurückziehen und die Hülfe der 48 Mongolen-Fürsten anrufen, von denen jeder gegen 20,000 Mann stellen könne. Würde Pe-kiṅ genommen und die kaiserliche Kriegsmacht über die Reichsgrenze gedrängt, so zer- fiele das Reich, und mit dem Handel wäre es zu Ende. Wollte man es darauf wagen? Die Majorität der Prinzen und Minister seien dafür. Die Prinzen von Tšiṅ, von Ei und Saṅ-ko-lin-sin behaup- teten, dass kein Frieden mit den Fremden möglich sei, weil sie immer neue Forderungen stellten; der auswärtige Handel sei China schädlich u. s. w. Der Prinz von Kuṅ aber wünsche andere Wege einzuschlagen und diese möge Herr Parkes bezeichnen. Thue er das nicht, so müsse er das Ziel der Volkswuth werden, die sich im Augenblick der äussersten Noth nicht bändigen lasse.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0376"n="354"/><fwplace="top"type="header"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/119456648">Parkes</persName> im Kerker.</fw><lb/>
Verbrechern aus der Gesammtzahl von 73 bezeichnet, welche die<lb/>
schwersten Ketten tragen mussten. Dennoch befahlen die Manda-<lb/>
rinen, ihm essbare Nahrung, d. h. zweimal täglich Reis oder Nu-<lb/>
deln mit etwas Fleisch oder Gemüse, Thee und Tabak zu geben,<lb/>
welche der vermögendste unter den Mitgefangenen bezahlen musste;<lb/>— und gerade dieser behandelte ihn am gütigsten.</p><lb/><p>Am 22. September erhielt <persNameref="http://d-nb.info/gnd/119456648">Parkes</persName> mit seinen vier Wächtern<lb/>
einen besonderen Raum von acht Fuss im Geviert. Der Kerker-<lb/>
meister liess ihn nicht mehr, wie sonst, vor sich knieen. — An<lb/>
demselben Tage zeigte der Prinz von <hirendition="#k"><placeName>Kuṅ</placeName></hi> Lord <persNameref="http://d-nb.info/gnd/122820339">Elgin</persName> seine Bevoll-<lb/>
mächtigung an. —<persNameref="http://d-nb.info/gnd/119456648">Parkes</persName> wurde gefragt, ob er nicht einen Brief<lb/>
schreiben oder auf andere Weise für Ausgleichung des Streites<lb/>
wirken könne. Dann erschien <hirendition="#k"><persNameref="nognd">Haṅ-ki</persName></hi>, stellte sich sehr mitleidig<lb/>
und beschwor ihn, den Frieden herzustellen, verweigerte aber jede<lb/>
Mittheilung der letzten Ereignisse und meldete nur die Ernennung<lb/>
des Prinzen von <hirendition="#k"><placeName>Kuṅ</placeName></hi>. Da er beim Scheiden versprach, bald wie-<lb/>
der zu kommen, am 23. und 24. September aber nicht erschien, so<lb/>
schrieb <persNameref="http://d-nb.info/gnd/119456648">Parkes</persName> auf seine chinesische Karte die Bitte um <persNameref="nognd"><hirendition="#k">Haṅ-ki</hi>’s</persName><lb/>
Besuch. —<persNameref="http://d-nb.info/gnd/1042219869">Prinz <hirendition="#k">Kuṅ</hi></persName> sandte dieselbe an Lord <persNameref="http://d-nb.info/gnd/122820339">Elgin</persName>, als Zeichen,<lb/>
dass der Gefangene sich wohl und in bequemer Lage befinde.</p><lb/><p>Am 26. September erschien <hirendition="#k"><persNameref="nognd">Haṅ-ki</persName></hi> mit zwei Kerkermeistern<lb/>
und hielt eine lange Rede: Der grosse Staatsrath habe Sitzungen<lb/>
gehalten wegen der auswärtigen Beziehungen; er sehe die jetzigen<lb/>
Feindseligkeiten der Alliirten ganz anders an als alle früheren Kriege;<lb/>
diese seien nur gegen die Vicekönige geführt worden, jene be-<lb/>
drohten den Thron. Der Kaiser wolle sich aus Vorsicht nach<lb/>
seinem Jagdschloss <hirendition="#k">Džehol</hi> in der Tartarei zurückziehen und die<lb/>
Hülfe der 48 Mongolen-Fürsten anrufen, von denen jeder gegen<lb/>
20,000 Mann stellen könne. Würde <hirendition="#k"><placeName>Pe-kiṅ</placeName></hi> genommen und die<lb/>
kaiserliche Kriegsmacht über die Reichsgrenze gedrängt, so zer-<lb/>
fiele das Reich, und mit dem Handel wäre es zu Ende. Wollte man<lb/>
es darauf wagen? Die Majorität der Prinzen und Minister seien<lb/>
dafür. Die Prinzen von <hirendition="#k"><placeName>Tšiṅ</placeName></hi>, von <hirendition="#k"><placeName>Ei</placeName></hi> und <hirendition="#k"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/1043030107">Saṅ-ko-lin-sin</persName></hi> behaup-<lb/>
teten, dass kein Frieden mit den Fremden möglich sei, weil sie<lb/>
immer neue Forderungen stellten; der auswärtige Handel sei <placeName>China</placeName><lb/>
schädlich u. s. w. Der Prinz von <hirendition="#k"><placeName>Kuṅ</placeName></hi> aber wünsche andere Wege<lb/>
einzuschlagen und diese möge Herr <persNameref="http://d-nb.info/gnd/119456648">Parkes</persName> bezeichnen. Thue er<lb/>
das nicht, so müsse er das Ziel der Volkswuth werden, die sich<lb/>
im Augenblick der äussersten Noth nicht bändigen lasse.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[354/0376]
Parkes im Kerker.
Verbrechern aus der Gesammtzahl von 73 bezeichnet, welche die
schwersten Ketten tragen mussten. Dennoch befahlen die Manda-
rinen, ihm essbare Nahrung, d. h. zweimal täglich Reis oder Nu-
deln mit etwas Fleisch oder Gemüse, Thee und Tabak zu geben,
welche der vermögendste unter den Mitgefangenen bezahlen musste;
— und gerade dieser behandelte ihn am gütigsten.
Am 22. September erhielt Parkes mit seinen vier Wächtern
einen besonderen Raum von acht Fuss im Geviert. Der Kerker-
meister liess ihn nicht mehr, wie sonst, vor sich knieen. — An
demselben Tage zeigte der Prinz von Kuṅ Lord Elgin seine Bevoll-
mächtigung an. — Parkes wurde gefragt, ob er nicht einen Brief
schreiben oder auf andere Weise für Ausgleichung des Streites
wirken könne. Dann erschien Haṅ-ki, stellte sich sehr mitleidig
und beschwor ihn, den Frieden herzustellen, verweigerte aber jede
Mittheilung der letzten Ereignisse und meldete nur die Ernennung
des Prinzen von Kuṅ. Da er beim Scheiden versprach, bald wie-
der zu kommen, am 23. und 24. September aber nicht erschien, so
schrieb Parkes auf seine chinesische Karte die Bitte um Haṅ-ki’s
Besuch. — Prinz Kuṅ sandte dieselbe an Lord Elgin, als Zeichen,
dass der Gefangene sich wohl und in bequemer Lage befinde.
Am 26. September erschien Haṅ-ki mit zwei Kerkermeistern
und hielt eine lange Rede: Der grosse Staatsrath habe Sitzungen
gehalten wegen der auswärtigen Beziehungen; er sehe die jetzigen
Feindseligkeiten der Alliirten ganz anders an als alle früheren Kriege;
diese seien nur gegen die Vicekönige geführt worden, jene be-
drohten den Thron. Der Kaiser wolle sich aus Vorsicht nach
seinem Jagdschloss Džehol in der Tartarei zurückziehen und die
Hülfe der 48 Mongolen-Fürsten anrufen, von denen jeder gegen
20,000 Mann stellen könne. Würde Pe-kiṅ genommen und die
kaiserliche Kriegsmacht über die Reichsgrenze gedrängt, so zer-
fiele das Reich, und mit dem Handel wäre es zu Ende. Wollte man
es darauf wagen? Die Majorität der Prinzen und Minister seien
dafür. Die Prinzen von Tšiṅ, von Ei und Saṅ-ko-lin-sin behaup-
teten, dass kein Frieden mit den Fremden möglich sei, weil sie
immer neue Forderungen stellten; der auswärtige Handel sei China
schädlich u. s. w. Der Prinz von Kuṅ aber wünsche andere Wege
einzuschlagen und diese möge Herr Parkes bezeichnen. Thue er
das nicht, so müsse er das Ziel der Volkswuth werden, die sich
im Augenblick der äussersten Noth nicht bändigen lasse.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/376>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.