lassen; wäre die Sprache der Barbaren ehrfurchtsvoll und unter- thänig, so müsse er ihre Gesuche gewiss vor den Thron bringen, sonst aber ohne Umstände abweisen. -- Shang-hae würden die Barbaren nicht angreifen, da sie dort Handel trieben. Die Befesti- gungen von Ta-ku und die Beschaffenheit des Uferlandes kennten sie wohl und würden dort nicht leichtsinnig operiren. Ihre Schiffe würden nur Anker werfen und sich an der Küste herumtreiben, um ein Schreiben abzugeben und vielleicht einen Ueberfall zu ver- suchen; aber kein Schreiben dürfe angenommen werden; man müsse sie nach Shang-hae zurückweisen, wo sie sich an den kaiserlichen Commissar zu wenden hätten.
Nun folgen technische Einzelnheiten über die Festungswerke und Erörterungen über die Besoldung des Heeres. "Deine Majestät haben in himmlischer Freigebigkeit 200,000 Tael aus dem Schatze der Steuer-Verwaltung hergegeben, welche mit den in der Provinz Tsi-li ausgeschriebenen Contributionen bis zu Ende des 4. Mondes (17. Juni) ausreichen. Nach Ablauf des 4. Mondes wird nichts da sein, an das man sich halten könnte. Deine Knechte werden unver- züglich Schritte thun zu Beschaffung von Mitteln und keine Mühe sparen, freiwillige Beiträge zu fördern. Ob diese den ganzen Be- darf decken oder nicht, werden sie deiner Majestät in einer anderen Eingabe melden und deine Befehle darüber erflehen."
Die Mischung von gesundem Menschenverstand mit kindischem Dünkel und der äussersten Unkenntniss der Verhältnisse in diesem Document gab einen starken Beweis für die Nothwendigkeit, sich in directen Verkehr mit dem Hofe von Pe-kin zu setzen, wenn die Fremden in China eine würdige Stellung einnehmen wollten.
Gleich nach der Einnahme von Tan-ko sandte Gouverneur Han vom nördlichen Ufer ein Schreiben für Lord Elgin herüber, der noch auf der Rhede von Pe-tan verweilte: er verstehe nicht, was die Feindseligkeiten bedeuten sollten; er habe dem Botschafter schon des Kaisers allumfassende Liebe für jedes lebende Wesen gemeldet; nach einem eben eingegangenen Erlass habe der Kaiser nun einen Commissar ernannt, der den britischen Gesandten in der Hauptstadt empfangen und mit ihm conferiren solle. -- Am folgenden Tage, den 15. August sandte Han-fu schon wieder eine Note: der das Schreiben vom 14. bringende Officier habe im eng- lischen Lager eine weisse Friedensflagge bemerkt; dieses Zeichen des Wunsches, die freundschaftlichen Beziehungen zu erhalten, sei
Erbeutete Documente.
lassen; wäre die Sprache der Barbaren ehrfurchtsvoll und unter- thänig, so müsse er ihre Gesuche gewiss vor den Thron bringen, sonst aber ohne Umstände abweisen. — Shang-hae würden die Barbaren nicht angreifen, da sie dort Handel trieben. Die Befesti- gungen von Ta-ku und die Beschaffenheit des Uferlandes kennten sie wohl und würden dort nicht leichtsinnig operiren. Ihre Schiffe würden nur Anker werfen und sich an der Küste herumtreiben, um ein Schreiben abzugeben und vielleicht einen Ueberfall zu ver- suchen; aber kein Schreiben dürfe angenommen werden; man müsse sie nach Shang-hae zurückweisen, wo sie sich an den kaiserlichen Commissar zu wenden hätten.
Nun folgen technische Einzelnheiten über die Festungswerke und Erörterungen über die Besoldung des Heeres. »Deine Majestät haben in himmlischer Freigebigkeit 200,000 Tael aus dem Schatze der Steuer-Verwaltung hergegeben, welche mit den in der Provinz Tši-li ausgeschriebenen Contributionen bis zu Ende des 4. Mondes (17. Juni) ausreichen. Nach Ablauf des 4. Mondes wird nichts da sein, an das man sich halten könnte. Deine Knechte werden unver- züglich Schritte thun zu Beschaffung von Mitteln und keine Mühe sparen, freiwillige Beiträge zu fördern. Ob diese den ganzen Be- darf decken oder nicht, werden sie deiner Majestät in einer anderen Eingabe melden und deine Befehle darüber erflehen.«
Die Mischung von gesundem Menschenverstand mit kindischem Dünkel und der äussersten Unkenntniss der Verhältnisse in diesem Document gab einen starken Beweis für die Nothwendigkeit, sich in directen Verkehr mit dem Hofe von Pe-kiṅ zu setzen, wenn die Fremden in China eine würdige Stellung einnehmen wollten.
Gleich nach der Einnahme von Taṅ-ko sandte Gouverneur Haṅ vom nördlichen Ufer ein Schreiben für Lord Elgin herüber, der noch auf der Rhede von Pe-taṅ verweilte: er verstehe nicht, was die Feindseligkeiten bedeuten sollten; er habe dem Botschafter schon des Kaisers allumfassende Liebe für jedes lebende Wesen gemeldet; nach einem eben eingegangenen Erlass habe der Kaiser nun einen Commissar ernannt, der den britischen Gesandten in der Hauptstadt empfangen und mit ihm conferiren solle. — Am folgenden Tage, den 15. August sandte Haṅ-fu schon wieder eine Note: der das Schreiben vom 14. bringende Officier habe im eng- lischen Lager eine weisse Friedensflagge bemerkt; dieses Zeichen des Wunsches, die freundschaftlichen Beziehungen zu erhalten, sei
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lassen; wäre die Sprache der Barbaren ehrfurchtsvoll und unter-
thänig, so müsse er ihre Gesuche gewiss vor den Thron bringen,
sonst aber ohne Umstände abweisen. — Shang-hae würden die
Barbaren nicht angreifen, da sie dort Handel trieben. Die Befesti-
gungen von Ta-ku und die Beschaffenheit des Uferlandes kennten
sie wohl und würden dort nicht leichtsinnig operiren. Ihre Schiffe
würden nur Anker werfen und sich an der Küste herumtreiben,
um ein Schreiben abzugeben und vielleicht einen Ueberfall zu ver-
suchen; aber kein Schreiben dürfe angenommen werden; man müsse
sie nach Shang-hae zurückweisen, wo sie sich an den kaiserlichen
Commissar zu wenden hätten.
Nun folgen technische Einzelnheiten über die Festungswerke
und Erörterungen über die Besoldung des Heeres. »Deine Majestät
haben in himmlischer Freigebigkeit 200,000 Tael aus dem Schatze
der Steuer-Verwaltung hergegeben, welche mit den in der Provinz
Tši-li ausgeschriebenen Contributionen bis zu Ende des 4. Mondes
(17. Juni) ausreichen. Nach Ablauf des 4. Mondes wird nichts da
sein, an das man sich halten könnte. Deine Knechte werden unver-
züglich Schritte thun zu Beschaffung von Mitteln und keine Mühe
sparen, freiwillige Beiträge zu fördern. Ob diese den ganzen Be-
darf decken oder nicht, werden sie deiner Majestät in einer anderen
Eingabe melden und deine Befehle darüber erflehen.«
Die Mischung von gesundem Menschenverstand mit kindischem
Dünkel und der äussersten Unkenntniss der Verhältnisse in diesem
Document gab einen starken Beweis für die Nothwendigkeit, sich
in directen Verkehr mit dem Hofe von Pe-kiṅ zu setzen, wenn
die Fremden in China eine würdige Stellung einnehmen wollten.
Gleich nach der Einnahme von Taṅ-ko sandte Gouverneur
Haṅ vom nördlichen Ufer ein Schreiben für Lord Elgin herüber,
der noch auf der Rhede von Pe-taṅ verweilte: er verstehe nicht,
was die Feindseligkeiten bedeuten sollten; er habe dem Botschafter
schon des Kaisers allumfassende Liebe für jedes lebende Wesen
gemeldet; nach einem eben eingegangenen Erlass habe der Kaiser
nun einen Commissar ernannt, der den britischen Gesandten in
der Hauptstadt empfangen und mit ihm conferiren solle. — Am
folgenden Tage, den 15. August sandte Haṅ-fu schon wieder eine
Note: der das Schreiben vom 14. bringende Officier habe im eng-
lischen Lager eine weisse Friedensflagge bemerkt; dieses Zeichen
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/339>, abgerufen am 16.02.2025.
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