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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Die Blockade des Pei-ho.

Die Antwort an Herrn von Bourboulon lautete ähnlich.

Von einer kaiserlichen Entscheidung ist in diesem Schreiben
nicht die Rede; auch fehlt die gewöhnliche Ueberschrift kaiserlicher
Decrete. Die Gesandten sollten glauben, man habe ihre Schreiben
zu unwichtig gefunden, um sie dem Kaiser vorzulegen. Von
arger Perfidie zeugt die Behandlung der Frage, ob Kwei-lian die
Gesandten zur Reise über Pe-tan aufforderte; sie beweist deutlich,
dass weder der Kaiser noch die Commissare getäuscht, sondern die
Engländer hinterlistig in die Falle gelockt wurden. Die Entschä-
digungsfrage ist hier eben so naiv aufgefasst, wie bei anderen Ge-
legenheiten. Die Vertragsbestimmungen heissen Vergünstigungen,
und der herablassend befehlende Ton der Schlusssätze beweist,
dass alle früheren Lehren vergessen waren. Die Gesandten con-
statirten deshalb in getrennten Schreiben an Ho-kwei-tsin die
Ablehnung ihrer Forderungen und verwiesen die kaiserliche Regie-
rung auf die am Schlusse ihres Ultimatum ausgesprochenen War-
nungen. Zugleich ermächtigten sie die Ober-Commandos der Land-
und Seemacht zu Einleitung der Feindseligkeiten.

Herr Bruce war von der englischen Regierung angewiesen
worden, den Golf von Pe-tsi-li blockiren zu lassen. Man glaubte
zwar, dass diese Maassregel die Regierung in Pe-kin drücken
würde, kannte aber die Communicationsmittel im Innern des Landes
nicht genug, um beurtheilen zu können, ob die Blockade wirklich
fühlbaren Mangel im Norden verursachen möge, und dachte wohl
mit Recht, dass sie den Kaiser nicht zum Nachgeben zwingen
würde. Die Alliirten mussten sich vor Allem das Vertrauen der Chi-
nesen in den geöffneten Häfen erhalten. Der ganze Getreidehandel
nach dem Golf von Pe-tsi-li wird nun mit dem Capital von Kauf-
leuten in Shang-hae, Nin-po und anderen mittelchinesischen
Städten betrieben, und beschäftigt etwa 3000 Dschunken mit einer
Bemannung von über 100,000 Seeleuten.111). Die Unterbrechung
dieses Handels, das Aufbringen und Zerstören von Dschunken hätte
viele Tausende brodlos gemacht, deren Erbitterung und Unthätig-
keit den Fremden in den göffneten Häfen gefährlich werden konnte.
Unzweifelhaft hätten die Mandarinen jede feindselige Stimmung
der Bevölkerung benutzt. Man fürchtete ferner, dass die durch

111) In diesem Handel soll ein Capital von 7,000,000 Pfund Sterling stecken.
III. 20
Die Blockade des Pei-ho.

Die Antwort an Herrn von Bourboulon lautete ähnlich.

Von einer kaiserlichen Entscheidung ist in diesem Schreiben
nicht die Rede; auch fehlt die gewöhnliche Ueberschrift kaiserlicher
Decrete. Die Gesandten sollten glauben, man habe ihre Schreiben
zu unwichtig gefunden, um sie dem Kaiser vorzulegen. Von
arger Perfidie zeugt die Behandlung der Frage, ob Kwei-liaṅ die
Gesandten zur Reise über Pe-taṅ aufforderte; sie beweist deutlich,
dass weder der Kaiser noch die Commissare getäuscht, sondern die
Engländer hinterlistig in die Falle gelockt wurden. Die Entschä-
digungsfrage ist hier eben so naiv aufgefasst, wie bei anderen Ge-
legenheiten. Die Vertragsbestimmungen heissen Vergünstigungen,
und der herablassend befehlende Ton der Schlusssätze beweist,
dass alle früheren Lehren vergessen waren. Die Gesandten con-
statirten deshalb in getrennten Schreiben an Ho-kwei-tsiṅ die
Ablehnung ihrer Forderungen und verwiesen die kaiserliche Regie-
rung auf die am Schlusse ihres Ultimatum ausgesprochenen War-
nungen. Zugleich ermächtigten sie die Ober-Commandos der Land-
und Seemacht zu Einleitung der Feindseligkeiten.

Herr Bruce war von der englischen Regierung angewiesen
worden, den Golf von Pe-tši-li blockiren zu lassen. Man glaubte
zwar, dass diese Maassregel die Regierung in Pe-kiṅ drücken
würde, kannte aber die Communicationsmittel im Innern des Landes
nicht genug, um beurtheilen zu können, ob die Blockade wirklich
fühlbaren Mangel im Norden verursachen möge, und dachte wohl
mit Recht, dass sie den Kaiser nicht zum Nachgeben zwingen
würde. Die Alliirten mussten sich vor Allem das Vertrauen der Chi-
nesen in den geöffneten Häfen erhalten. Der ganze Getreidehandel
nach dem Golf von Pe-tši-li wird nun mit dem Capital von Kauf-
leuten in Shang-hae, Niṅ-po und anderen mittelchinesischen
Städten betrieben, und beschäftigt etwa 3000 Dschunken mit einer
Bemannung von über 100,000 Seeleuten.111). Die Unterbrechung
dieses Handels, das Aufbringen und Zerstören von Dschunken hätte
viele Tausende brodlos gemacht, deren Erbitterung und Unthätig-
keit den Fremden in den göffneten Häfen gefährlich werden konnte.
Unzweifelhaft hätten die Mandarinen jede feindselige Stimmung
der Bevölkerung benutzt. Man fürchtete ferner, dass die durch

111) In diesem Handel soll ein Capital von 7,000,000 Pfund Sterling stecken.
III. 20
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[305/0327] Die Blockade des Pei-ho. Die Antwort an Herrn von Bourboulon lautete ähnlich. Von einer kaiserlichen Entscheidung ist in diesem Schreiben nicht die Rede; auch fehlt die gewöhnliche Ueberschrift kaiserlicher Decrete. Die Gesandten sollten glauben, man habe ihre Schreiben zu unwichtig gefunden, um sie dem Kaiser vorzulegen. Von arger Perfidie zeugt die Behandlung der Frage, ob Kwei-liaṅ die Gesandten zur Reise über Pe-taṅ aufforderte; sie beweist deutlich, dass weder der Kaiser noch die Commissare getäuscht, sondern die Engländer hinterlistig in die Falle gelockt wurden. Die Entschä- digungsfrage ist hier eben so naiv aufgefasst, wie bei anderen Ge- legenheiten. Die Vertragsbestimmungen heissen Vergünstigungen, und der herablassend befehlende Ton der Schlusssätze beweist, dass alle früheren Lehren vergessen waren. Die Gesandten con- statirten deshalb in getrennten Schreiben an Ho-kwei-tsiṅ die Ablehnung ihrer Forderungen und verwiesen die kaiserliche Regie- rung auf die am Schlusse ihres Ultimatum ausgesprochenen War- nungen. Zugleich ermächtigten sie die Ober-Commandos der Land- und Seemacht zu Einleitung der Feindseligkeiten. Herr Bruce war von der englischen Regierung angewiesen worden, den Golf von Pe-tši-li blockiren zu lassen. Man glaubte zwar, dass diese Maassregel die Regierung in Pe-kiṅ drücken würde, kannte aber die Communicationsmittel im Innern des Landes nicht genug, um beurtheilen zu können, ob die Blockade wirklich fühlbaren Mangel im Norden verursachen möge, und dachte wohl mit Recht, dass sie den Kaiser nicht zum Nachgeben zwingen würde. Die Alliirten mussten sich vor Allem das Vertrauen der Chi- nesen in den geöffneten Häfen erhalten. Der ganze Getreidehandel nach dem Golf von Pe-tši-li wird nun mit dem Capital von Kauf- leuten in Shang-hae, Niṅ-po und anderen mittelchinesischen Städten betrieben, und beschäftigt etwa 3000 Dschunken mit einer Bemannung von über 100,000 Seeleuten. 111). Die Unterbrechung dieses Handels, das Aufbringen und Zerstören von Dschunken hätte viele Tausende brodlos gemacht, deren Erbitterung und Unthätig- keit den Fremden in den göffneten Häfen gefährlich werden konnte. Unzweifelhaft hätten die Mandarinen jede feindselige Stimmung der Bevölkerung benutzt. Man fürchtete ferner, dass die durch 111) In diesem Handel soll ein Capital von 7,000,000 Pfund Sterling stecken. III. 20

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/327>, abgerufen am 22.11.2024.