26. Tage des 3. Mondes des Kwei-hao-Jahres (1. Mai 1853) des himm- lischen Reiches von Tae-pin."
Sir George Bonham antwortete kurz, dass ihm derjenige Theil dieser Mittheilung ganz unverständlich sei, in welchem die Engländer als Unterthanen des Tae-pin-Herrschers bezeichnet seien; dass die englische Regierung durch Vertrag mit der chinesischen für ihre Unterthanen das Recht erlangt habe, in fünf Häfen des Reiches Handel zu treiben, und dass, wenn die Tae-pin wagen sollten, britische Unterthanen irgendwie an Person oder Eigenthum zu schädigen, solches Beginnen sofort in ähnlicher Weise gestraft wer- den solle, wie zehn Jahre zuvor durch Einnahme von Tsin-kian und anderen Städten an der kaiserlichen Regierung geschehen sei.
Am 4. Mai in der Frühe verliess der Hermes seinen Anker- platz vor Nan-kin. Trotz der Versicherung, dass er nicht belästigt werden solle, sandten die Batterieen am Eingang des Kaiser-Canals ihm einige Kugeln, ebenso die Werke bei Tsin-kian. Der Hermes glitt langsam daran vorbei, gab die Begrüssung mit Zinsen zurück und ankerte Nachmittags bei der Silberinsel. Alsbald erschien der Commandant von Tsin-kian am Ufer und entschuldigte sich wegen der durch Missverständnisse bewirkten Angriffe.
Der Eindruck des Erlebten war bei den Engländern ein ge- mischter, und verschieden nach der Auffassung der Betheiligten. Meadows, der die Verhandlungen führte und besonders durch seine Sprachkenntniss zu selbstständigem Urtheil berechtigt war, fasste die günstigste Meinung von den Tae-pin, deren Glauben er für rein und ehrlich, deren Organisation er für lebensfähig hielt. Er glaubte sie stark genug und berufen die Mandschu zu stürzen, und blieb dieser Ansicht noch Jahre lang treu, nachdem ihre Lehre schon zu lästerlichem Aberglauben degenerirt, ihre Führer in wahnwitzige Selbstvergötterung versunken, die Heere zu wilden Räuberbanden ausgeartet waren. Das Alles musste Meadows einsehen; er verglich aber die Tae-pin mit den Kaiserlichen, fand alle ihre Schatten- seiten noch dunkler bei dem Gegner, und die Thatkraft grösser bei den Rebellen. Er vergass jedoch die Macht des Bestehenden, durch Jahrhunderte Eingelebten gegenüber jeder schwächlichen Neuerung; er vergass die Macht der chinesischen Cultur, den tiefen sittlichen Inhalt der nationalen Moral-Philosophie gegenüber der sinnlosen Leere des aus missverstandenen Axiomen des Christen- thumes durch schwachköpfige Schwärmer entwickelten groben
Bonham’s Antwort und Rückkehr.
26. Tage des 3. Mondes des Kwei-hao-Jahres (1. Mai 1853) des himm- lischen Reiches von Tae-piṅ.«
Sir George Bonham antwortete kurz, dass ihm derjenige Theil dieser Mittheilung ganz unverständlich sei, in welchem die Engländer als Unterthanen des Tae-piṅ-Herrschers bezeichnet seien; dass die englische Regierung durch Vertrag mit der chinesischen für ihre Unterthanen das Recht erlangt habe, in fünf Häfen des Reiches Handel zu treiben, und dass, wenn die Tae-piṅ wagen sollten, britische Unterthanen irgendwie an Person oder Eigenthum zu schädigen, solches Beginnen sofort in ähnlicher Weise gestraft wer- den solle, wie zehn Jahre zuvor durch Einnahme von Tšiṅ-kiaṅ und anderen Städten an der kaiserlichen Regierung geschehen sei.
Am 4. Mai in der Frühe verliess der Hermes seinen Anker- platz vor Nan-kiṅ. Trotz der Versicherung, dass er nicht belästigt werden solle, sandten die Batterieen am Eingang des Kaiser-Canals ihm einige Kugeln, ebenso die Werke bei Tšiṅ-kiaṅ. Der Hermes glitt langsam daran vorbei, gab die Begrüssung mit Zinsen zurück und ankerte Nachmittags bei der Silberinsel. Alsbald erschien der Commandant von Tšiṅ-kiaṅ am Ufer und entschuldigte sich wegen der durch Missverständnisse bewirkten Angriffe.
Der Eindruck des Erlebten war bei den Engländern ein ge- mischter, und verschieden nach der Auffassung der Betheiligten. Meadows, der die Verhandlungen führte und besonders durch seine Sprachkenntniss zu selbstständigem Urtheil berechtigt war, fasste die günstigste Meinung von den Tae-piṅ, deren Glauben er für rein und ehrlich, deren Organisation er für lebensfähig hielt. Er glaubte sie stark genug und berufen die Mandschu zu stürzen, und blieb dieser Ansicht noch Jahre lang treu, nachdem ihre Lehre schon zu lästerlichem Aberglauben degenerirt, ihre Führer in wahnwitzige Selbstvergötterung versunken, die Heere zu wilden Räuberbanden ausgeartet waren. Das Alles musste Meadows einsehen; er verglich aber die Tae-piṅ mit den Kaiserlichen, fand alle ihre Schatten- seiten noch dunkler bei dem Gegner, und die Thatkraft grösser bei den Rebellen. Er vergass jedoch die Macht des Bestehenden, durch Jahrhunderte Eingelebten gegenüber jeder schwächlichen Neuerung; er vergass die Macht der chinesischen Cultur, den tiefen sittlichen Inhalt der nationalen Moral-Philosophie gegenüber der sinnlosen Leere des aus missverstandenen Axiomen des Christen- thumes durch schwachköpfige Schwärmer entwickelten groben
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Bonham’s Antwort und Rückkehr.
26. Tage des 3. Mondes des Kwei-hao-Jahres (1. Mai 1853) des himm-
lischen Reiches von Tae-piṅ.«
Sir George Bonham antwortete kurz, dass ihm derjenige Theil
dieser Mittheilung ganz unverständlich sei, in welchem die Engländer
als Unterthanen des Tae-piṅ-Herrschers bezeichnet seien; dass die
englische Regierung durch Vertrag mit der chinesischen für ihre
Unterthanen das Recht erlangt habe, in fünf Häfen des Reiches
Handel zu treiben, und dass, wenn die Tae-piṅ wagen sollten,
britische Unterthanen irgendwie an Person oder Eigenthum zu
schädigen, solches Beginnen sofort in ähnlicher Weise gestraft wer-
den solle, wie zehn Jahre zuvor durch Einnahme von Tšiṅ-kiaṅ
und anderen Städten an der kaiserlichen Regierung geschehen sei.
Am 4. Mai in der Frühe verliess der Hermes seinen Anker-
platz vor Nan-kiṅ. Trotz der Versicherung, dass er nicht belästigt
werden solle, sandten die Batterieen am Eingang des Kaiser-Canals
ihm einige Kugeln, ebenso die Werke bei Tšiṅ-kiaṅ. Der Hermes
glitt langsam daran vorbei, gab die Begrüssung mit Zinsen zurück
und ankerte Nachmittags bei der Silberinsel. Alsbald erschien der
Commandant von Tšiṅ-kiaṅ am Ufer und entschuldigte sich wegen
der durch Missverständnisse bewirkten Angriffe.
Der Eindruck des Erlebten war bei den Engländern ein ge-
mischter, und verschieden nach der Auffassung der Betheiligten.
Meadows, der die Verhandlungen führte und besonders durch seine
Sprachkenntniss zu selbstständigem Urtheil berechtigt war, fasste
die günstigste Meinung von den Tae-piṅ, deren Glauben er für rein
und ehrlich, deren Organisation er für lebensfähig hielt. Er glaubte
sie stark genug und berufen die Mandschu zu stürzen, und blieb
dieser Ansicht noch Jahre lang treu, nachdem ihre Lehre schon
zu lästerlichem Aberglauben degenerirt, ihre Führer in wahnwitzige
Selbstvergötterung versunken, die Heere zu wilden Räuberbanden
ausgeartet waren. Das Alles musste Meadows einsehen; er verglich
aber die Tae-piṅ mit den Kaiserlichen, fand alle ihre Schatten-
seiten noch dunkler bei dem Gegner, und die Thatkraft grösser bei
den Rebellen. Er vergass jedoch die Macht des Bestehenden,
durch Jahrhunderte Eingelebten gegenüber jeder schwächlichen
Neuerung; er vergass die Macht der chinesischen Cultur, den tiefen
sittlichen Inhalt der nationalen Moral-Philosophie gegenüber der
sinnlosen Leere des aus missverstandenen Axiomen des Christen-
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/212>, abgerufen am 24.11.2024.
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