wahre Herr ist nicht nur der Herr von China, nicht nur unser Herr, sondern auch euer Herr!" Meadows sprach von anderen Dingen und man schied in Freundschaft.
Der vom Nordkönig bezeichnete Beamte kam am folgenden Morgen nicht; am Nachmittage überreichten zwei andere Officianten an Bord des Hermes folgenden "Befehl" offen und unversiegelt:
"Durch gegenwärtigen Befehl sollen die Brüder aus der Ferne von den Regeln des Ceremoniels unterrichtet werden.
Da Gott der himmlische Vater unseren Herrn auf die Erde ge- sandt hat als wahren Beherrscher aller Völker der Welt, so müssen alle Menschen der Erde, welche an seinem Hofe erscheinen, den Regeln des Ceremoniels Gehorsam leisten. Sie müssen Meldungen verfassen, wer und was sie sind und von wo sie kommen. Erst nach Ueber- reichung derselben kann eine Audienz bewilligt werden. Gehorchet diesem Befehl.
Am 24. Tage des 3. Monats des 3. Jahres des himmlischen Reiches von Tae-pin (28. April 1853).
Bemerkung: Es ist kein Siegel beigedruckt, weil euer gestriges Gesuch keines hatte."
Meadows schickte dieses Schreiben mit der deutlichen Er- klärung an die Absender zurück, dass England nationale Gleich- berechtigung mit allen Staaten der Welt beanspruche. Um das Verhältniss zur Mandschu-Regierung zu beleuchten, wurde dieser Mittheilung ein Exemplar des englischen Vertrages beigefügt.
Am folgenden Nachmittage kam Lae, ein gleich nach den Königen rangirender Würdenträger an Bord und suchte die Wirkung jenes "Befehles" abzuschwächen, dessen Ton er mit Unkenntniss der Stellung der "fremden Brüder" entschuldigte. Er zeigte Ver- ständniss für die Belehrungen des Herrn Meadows und versprach am folgenden Morgen mit einer angemessenen Zahl Sänften und Pferden am Ufer zu erscheinen, um den englischen Bevollmächtigten und sein Gefolge zu den Königen des Ostens und des Nordens zu führen. -- Das Wetter war am 30. April stürmisch. Sir George Bonham entschuldigte sich wegen Unwohlsein und schickte Herrn Meadows, welchen mehrere Officiere des Hermes begleiteten. Sie erhielten am Ufer Pferde und wurden nach einem Hause geführt, wo vier Würdenträger sie empfingen. Lae hatte sich zum Ost-König begeben und kam erst später. Er bat die Engländer dringend, über Nacht bei ihm zu bleiben. Herr Meadows musste aber wegen der
Weitere Begegnungen.
wahre Herr ist nicht nur der Herr von China, nicht nur unser Herr, sondern auch euer Herr!« Meadows sprach von anderen Dingen und man schied in Freundschaft.
Der vom Nordkönig bezeichnete Beamte kam am folgenden Morgen nicht; am Nachmittage überreichten zwei andere Officianten an Bord des Hermes folgenden »Befehl« offen und unversiegelt:
»Durch gegenwärtigen Befehl sollen die Brüder aus der Ferne von den Regeln des Ceremoniels unterrichtet werden.
Da Gott der himmlische Vater unseren Herrn auf die Erde ge- sandt hat als wahren Beherrscher aller Völker der Welt, so müssen alle Menschen der Erde, welche an seinem Hofe erscheinen, den Regeln des Ceremoniels Gehorsam leisten. Sie müssen Meldungen verfassen, wer und was sie sind und von wo sie kommen. Erst nach Ueber- reichung derselben kann eine Audienz bewilligt werden. Gehorchet diesem Befehl.
Am 24. Tage des 3. Monats des 3. Jahres des himmlischen Reiches von Tae-piṅ (28. April 1853).
Bemerkung: Es ist kein Siegel beigedruckt, weil euer gestriges Gesuch keines hatte.«
Meadows schickte dieses Schreiben mit der deutlichen Er- klärung an die Absender zurück, dass England nationale Gleich- berechtigung mit allen Staaten der Welt beanspruche. Um das Verhältniss zur Mandschu-Regierung zu beleuchten, wurde dieser Mittheilung ein Exemplar des englischen Vertrages beigefügt.
Am folgenden Nachmittage kam Lae, ein gleich nach den Königen rangirender Würdenträger an Bord und suchte die Wirkung jenes »Befehles« abzuschwächen, dessen Ton er mit Unkenntniss der Stellung der »fremden Brüder« entschuldigte. Er zeigte Ver- ständniss für die Belehrungen des Herrn Meadows und versprach am folgenden Morgen mit einer angemessenen Zahl Sänften und Pferden am Ufer zu erscheinen, um den englischen Bevollmächtigten und sein Gefolge zu den Königen des Ostens und des Nordens zu führen. — Das Wetter war am 30. April stürmisch. Sir George Bonham entschuldigte sich wegen Unwohlsein und schickte Herrn Meadows, welchen mehrere Officiere des Hermes begleiteten. Sie erhielten am Ufer Pferde und wurden nach einem Hause geführt, wo vier Würdenträger sie empfingen. Lae hatte sich zum Ost-König begeben und kam erst später. Er bat die Engländer dringend, über Nacht bei ihm zu bleiben. Herr Meadows musste aber wegen der
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Weitere Begegnungen.
wahre Herr ist nicht nur der Herr von China, nicht nur unser
Herr, sondern auch euer Herr!« Meadows sprach von anderen
Dingen und man schied in Freundschaft.
Der vom Nordkönig bezeichnete Beamte kam am folgenden
Morgen nicht; am Nachmittage überreichten zwei andere Officianten
an Bord des Hermes folgenden »Befehl« offen und unversiegelt:
»Durch gegenwärtigen Befehl sollen die Brüder aus der Ferne
von den Regeln des Ceremoniels unterrichtet werden.
Da Gott der himmlische Vater unseren Herrn auf die Erde ge-
sandt hat als wahren Beherrscher aller Völker der Welt, so müssen alle
Menschen der Erde, welche an seinem Hofe erscheinen, den Regeln
des Ceremoniels Gehorsam leisten. Sie müssen Meldungen verfassen,
wer und was sie sind und von wo sie kommen. Erst nach Ueber-
reichung derselben kann eine Audienz bewilligt werden. Gehorchet
diesem Befehl.
Am 24. Tage des 3. Monats des 3. Jahres des himmlischen
Reiches von Tae-piṅ (28. April 1853).
Bemerkung: Es ist kein Siegel beigedruckt, weil euer gestriges
Gesuch keines hatte.«
Meadows schickte dieses Schreiben mit der deutlichen Er-
klärung an die Absender zurück, dass England nationale Gleich-
berechtigung mit allen Staaten der Welt beanspruche. Um das
Verhältniss zur Mandschu-Regierung zu beleuchten, wurde dieser
Mittheilung ein Exemplar des englischen Vertrages beigefügt.
Am folgenden Nachmittage kam Lae, ein gleich nach den
Königen rangirender Würdenträger an Bord und suchte die Wirkung
jenes »Befehles« abzuschwächen, dessen Ton er mit Unkenntniss
der Stellung der »fremden Brüder« entschuldigte. Er zeigte Ver-
ständniss für die Belehrungen des Herrn Meadows und versprach
am folgenden Morgen mit einer angemessenen Zahl Sänften und
Pferden am Ufer zu erscheinen, um den englischen Bevollmächtigten
und sein Gefolge zu den Königen des Ostens und des Nordens zu
führen. — Das Wetter war am 30. April stürmisch. Sir George
Bonham entschuldigte sich wegen Unwohlsein und schickte Herrn
Meadows, welchen mehrere Officiere des Hermes begleiteten. Sie
erhielten am Ufer Pferde und wurden nach einem Hause geführt,
wo vier Würdenträger sie empfingen. Lae hatte sich zum Ost-König
begeben und kam erst später. Er bat die Engländer dringend, über
Nacht bei ihm zu bleiben. Herr Meadows musste aber wegen der
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/209>, abgerufen am 16.02.2025.
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