ersten zwanzig Jahren seiner Regierung gab es nirgends bedenk- liche Unruhen. Dann aber kam der Opiumkrieg. Tau-kwan, dessen ältester Sohn ein Opfer des Giftes geworden sein soll, trat anfangs dem Uebel scharf entgegen und gelobte ein über das andere Mal, das "Barbaren-Auge" vom Antlitz der Erde zu ver- tilgen, musste sich aber statt dessen den härtesten Bedingun- gen fügen.
Die Mandschu-Truppen, auf deren Ruf der Unbesiegbarkeit die Sicherheit der Dynastie wesentlich beruhte, kämpften zwar todesmuthig, fielen aber wie schwaches Rohr vor den fremden Waffen. Die Finanzen zerrüttete der Krieg auf Jahrzehnte. 27 Millionen Dollars erhielten im Ganzen die Engländer; die Rüstungen und Unterschleife verschlangen aber viel grössere Sum- men. Die Beeinträchtigung des Handels machte sich im Ausfall der Zölle fühlbar. In der Grundsteuer, welche eine Haupt- quelle des chinesischen Staatseinkommens ist, konnte der Kaiser bei aller absoluten Gewalt keine Aenderung der uralt-hergebrach- ten Normen treffen. Tau-kwan wusste sich nicht zu helfen und griff zu dem revolutionären Mittel des Stellenverkaufes, der unter Kia-kin nur vereinzelt, jetzt systematisch betrieben wurde.
Neben der tiefen Wunde, welche diese Einrichtung der Classe der Studirten schlug, erzeugte sie noch andere Uebelstände. Zunächst die schwere Bedrückung des Volkes, an welchem der durch Geld zu Amt und Würden gelangte Mandarin sich durch Erpressungen schadlos hielt. Dann das Uebergewicht des Geldes über das Verdienst, welches der sittlichen Anschauung des Chi- nesen auf das schärfste widerspricht, nun aber vom Himmels- sohne öffentlich anerkannt wurde. Für den gesitteten Chinesen verlor das käufliche Amt jeden Nimbus der Autorität; die besseren Volks- classen verachteten den neuen Beamtenstand; die Regierung musste an Ansehn einbüssen, was sie an Gelde gewann. Verdiente Män- ner, welche ihre Aemter der eigenen Arbeit und Redlichkeit dankten, wurden ungerecht daraus verstossen. Denn als die Käuflichkeit der Stellen aufkam, drängte sich eine Ueberzahl dazu; die Regierung nahm das Geld der Candidaten und gab ihnen Anwartschaft für die nächste Erledigung. Bald aber fand sich, dass die meisten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge kaum in zehn Jahren Platz finden würden; sie schneller zu be-
Finanznoth.
ersten zwanzig Jahren seiner Regierung gab es nirgends bedenk- liche Unruhen. Dann aber kam der Opiumkrieg. Tau-kwaṅ, dessen ältester Sohn ein Opfer des Giftes geworden sein soll, trat anfangs dem Uebel scharf entgegen und gelobte ein über das andere Mal, das »Barbaren-Auge« vom Antlitz der Erde zu ver- tilgen, musste sich aber statt dessen den härtesten Bedingun- gen fügen.
Die Mandschu-Truppen, auf deren Ruf der Unbesiegbarkeit die Sicherheit der Dynastie wesentlich beruhte, kämpften zwar todesmuthig, fielen aber wie schwaches Rohr vor den fremden Waffen. Die Finanzen zerrüttete der Krieg auf Jahrzehnte. 27 Millionen Dollars erhielten im Ganzen die Engländer; die Rüstungen und Unterschleife verschlangen aber viel grössere Sum- men. Die Beeinträchtigung des Handels machte sich im Ausfall der Zölle fühlbar. In der Grundsteuer, welche eine Haupt- quelle des chinesischen Staatseinkommens ist, konnte der Kaiser bei aller absoluten Gewalt keine Aenderung der uralt-hergebrach- ten Normen treffen. Tau-kwaṅ wusste sich nicht zu helfen und griff zu dem revolutionären Mittel des Stellenverkaufes, der unter Kia-kiṅ nur vereinzelt, jetzt systematisch betrieben wurde.
Neben der tiefen Wunde, welche diese Einrichtung der Classe der Studirten schlug, erzeugte sie noch andere Uebelstände. Zunächst die schwere Bedrückung des Volkes, an welchem der durch Geld zu Amt und Würden gelangte Mandarin sich durch Erpressungen schadlos hielt. Dann das Uebergewicht des Geldes über das Verdienst, welches der sittlichen Anschauung des Chi- nesen auf das schärfste widerspricht, nun aber vom Himmels- sohne öffentlich anerkannt wurde. Für den gesitteten Chinesen verlor das käufliche Amt jeden Nimbus der Autorität; die besseren Volks- classen verachteten den neuen Beamtenstand; die Regierung musste an Ansehn einbüssen, was sie an Gelde gewann. Verdiente Män- ner, welche ihre Aemter der eigenen Arbeit und Redlichkeit dankten, wurden ungerecht daraus verstossen. Denn als die Käuflichkeit der Stellen aufkam, drängte sich eine Ueberzahl dazu; die Regierung nahm das Geld der Candidaten und gab ihnen Anwartschaft für die nächste Erledigung. Bald aber fand sich, dass die meisten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge kaum in zehn Jahren Platz finden würden; sie schneller zu be-
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Finanznoth.
ersten zwanzig Jahren seiner Regierung gab es nirgends bedenk-
liche Unruhen. Dann aber kam der Opiumkrieg. Tau-kwaṅ,
dessen ältester Sohn ein Opfer des Giftes geworden sein soll, trat
anfangs dem Uebel scharf entgegen und gelobte ein über das
andere Mal, das »Barbaren-Auge« vom Antlitz der Erde zu ver-
tilgen, musste sich aber statt dessen den härtesten Bedingun-
gen fügen.
Die Mandschu-Truppen, auf deren Ruf der Unbesiegbarkeit
die Sicherheit der Dynastie wesentlich beruhte, kämpften zwar
todesmuthig, fielen aber wie schwaches Rohr vor den fremden
Waffen. Die Finanzen zerrüttete der Krieg auf Jahrzehnte.
27 Millionen Dollars erhielten im Ganzen die Engländer; die
Rüstungen und Unterschleife verschlangen aber viel grössere Sum-
men. Die Beeinträchtigung des Handels machte sich im Ausfall
der Zölle fühlbar. In der Grundsteuer, welche eine Haupt-
quelle des chinesischen Staatseinkommens ist, konnte der Kaiser
bei aller absoluten Gewalt keine Aenderung der uralt-hergebrach-
ten Normen treffen. Tau-kwaṅ wusste sich nicht zu helfen
und griff zu dem revolutionären Mittel des Stellenverkaufes,
der unter Kia-kiṅ nur vereinzelt, jetzt systematisch betrieben
wurde.
Neben der tiefen Wunde, welche diese Einrichtung der
Classe der Studirten schlug, erzeugte sie noch andere Uebelstände.
Zunächst die schwere Bedrückung des Volkes, an welchem der
durch Geld zu Amt und Würden gelangte Mandarin sich durch
Erpressungen schadlos hielt. Dann das Uebergewicht des Geldes
über das Verdienst, welches der sittlichen Anschauung des Chi-
nesen auf das schärfste widerspricht, nun aber vom Himmels-
sohne öffentlich anerkannt wurde. Für den gesitteten Chinesen verlor
das käufliche Amt jeden Nimbus der Autorität; die besseren Volks-
classen verachteten den neuen Beamtenstand; die Regierung musste
an Ansehn einbüssen, was sie an Gelde gewann. Verdiente Män-
ner, welche ihre Aemter der eigenen Arbeit und Redlichkeit
dankten, wurden ungerecht daraus verstossen. Denn als die
Käuflichkeit der Stellen aufkam, drängte sich eine Ueberzahl
dazu; die Regierung nahm das Geld der Candidaten und gab
ihnen Anwartschaft für die nächste Erledigung. Bald aber fand
sich, dass die meisten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/179>, abgerufen am 04.12.2024.
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