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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Lin's auswärtige Politik.
Kan-gi bediente sich holländischer Schiffe zu Befehdung von For-
mosa
. Wir sind nur darauf bedacht, dass Niemand unseren Fein-
den gegen uns helfe, während wir gar nicht daran denken, ein
Bündniss zu unseren Gunsten gegen den Feind zu schliessen. Wir
streben nur, unsere eigenen Angelegenheiten vor dem Auslande zu
verbergen, nicht aber den Zustand der Dinge in fremden Ländern
zu erforschen. Und doch ist der einzige Weg, in unseren eigenen
Sachen das Richtige zu treffen, dass wir auf genügende Kenntniss
der Fremden ausgehen. Dazu brauchen wir aber eine Anstalt zu
Uebersetzung fremder Werke.

"Wir sollten uns nun in der Zeit des Friedens die über-
legenen Verbesserungen der Barbaren aneignen, um die Barbaren
wirksamer zu zügeln, so wie wir vorher vorschlugen, Barbaren
durch Barbaren zu bekämpfen. Drei Arten der Verbesserung sind
nothwendig: eine Flotte, gute Feuerwaffen und ein reguläres Heer.

"Die Engländer sind jetzt im Besitz von Hong-kong und hoch-
müthig vor allen Barbaren; ihr Reichthum vermehrt ihren Einfluss.
Folgen wir nun ihrem Beispiel; nehmen wir eine gebietende Stellung
im Osten an. Wenn wir Docks einrichten wie andere Nationen,
wenn wir schnellsegelnde gute Schiffe bauen, so wird das sehr
zweckmässig sein. Wir haben durch das Opium schweren Schaden
erlitten; aber sollten wir nicht auch wieder von der überlegenen
Geschicklichkeit der Fremden grossen Vortheil ziehen können?
Sowohl die Franzosen als die Americaner haben Arbeiter nach
Kan-ton geführt, die Schiffe bauen können; sollten wir nicht euro-
päische Seeleute anstellen, um uns das Segeln zu lehren, wie wir
früher auch von europäischen Astronomen lernten?"

Einen bedeutenden Theil des Buches bilden Auszüge mili-
tärischer und artilleristischer Werke. Lin's Verbesserungsvor-
schläge für die Armee und Flotte scheiterten aber an Tau-kwan's
Sparsamkeit. Auch finanzielle Fragen behandelt er, und beweist,
dass die Silber-Ausfuhr für das Opium den Ruin des Landes nach
sich ziehen müsse.

Ki-sen, dessen Ansichten später in weiterer Ausdehnung
zur Geltung kamen, als er selbst sie jemals aussprach, wurde der
Sündenbock für alle von Anderen begangenen Fehler; am kaiser-
lichen Hofe liefen zahlreiche Adressen ein, welche ihn der schimpf-
lichsten Feigheit und Verrätherei ziehen. Als die Festungen am
Perl-Fluss fielen und Kan-ton capitulirte, wälzte man alle Schuld

III. 7

Lin’s auswärtige Politik.
Kaṅ-gi bediente sich holländischer Schiffe zu Befehdung von For-
mosa
. Wir sind nur darauf bedacht, dass Niemand unseren Fein-
den gegen uns helfe, während wir gar nicht daran denken, ein
Bündniss zu unseren Gunsten gegen den Feind zu schliessen. Wir
streben nur, unsere eigenen Angelegenheiten vor dem Auslande zu
verbergen, nicht aber den Zustand der Dinge in fremden Ländern
zu erforschen. Und doch ist der einzige Weg, in unseren eigenen
Sachen das Richtige zu treffen, dass wir auf genügende Kenntniss
der Fremden ausgehen. Dazu brauchen wir aber eine Anstalt zu
Uebersetzung fremder Werke.

»Wir sollten uns nun in der Zeit des Friedens die über-
legenen Verbesserungen der Barbaren aneignen, um die Barbaren
wirksamer zu zügeln, so wie wir vorher vorschlugen, Barbaren
durch Barbaren zu bekämpfen. Drei Arten der Verbesserung sind
nothwendig: eine Flotte, gute Feuerwaffen und ein reguläres Heer.

»Die Engländer sind jetzt im Besitz von Hong-kong und hoch-
müthig vor allen Barbaren; ihr Reichthum vermehrt ihren Einfluss.
Folgen wir nun ihrem Beispiel; nehmen wir eine gebietende Stellung
im Osten an. Wenn wir Docks einrichten wie andere Nationen,
wenn wir schnellsegelnde gute Schiffe bauen, so wird das sehr
zweckmässig sein. Wir haben durch das Opium schweren Schaden
erlitten; aber sollten wir nicht auch wieder von der überlegenen
Geschicklichkeit der Fremden grossen Vortheil ziehen können?
Sowohl die Franzosen als die Americaner haben Arbeiter nach
Kan-ton geführt, die Schiffe bauen können; sollten wir nicht euro-
päische Seeleute anstellen, um uns das Segeln zu lehren, wie wir
früher auch von europäischen Astronomen lernten?«

Einen bedeutenden Theil des Buches bilden Auszüge mili-
tärischer und artilleristischer Werke. Lin’s Verbesserungsvor-
schläge für die Armee und Flotte scheiterten aber an Tau-kwaṅ’s
Sparsamkeit. Auch finanzielle Fragen behandelt er, und beweist,
dass die Silber-Ausfuhr für das Opium den Ruin des Landes nach
sich ziehen müsse.

Ki-šen, dessen Ansichten später in weiterer Ausdehnung
zur Geltung kamen, als er selbst sie jemals aussprach, wurde der
Sündenbock für alle von Anderen begangenen Fehler; am kaiser-
lichen Hofe liefen zahlreiche Adressen ein, welche ihn der schimpf-
lichsten Feigheit und Verrätherei ziehen. Als die Festungen am
Perl-Fluss fielen und Kan-ton capitulirte, wälzte man alle Schuld

III. 7
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[97/0119] Lin’s auswärtige Politik. Kaṅ-gi bediente sich holländischer Schiffe zu Befehdung von For- mosa. Wir sind nur darauf bedacht, dass Niemand unseren Fein- den gegen uns helfe, während wir gar nicht daran denken, ein Bündniss zu unseren Gunsten gegen den Feind zu schliessen. Wir streben nur, unsere eigenen Angelegenheiten vor dem Auslande zu verbergen, nicht aber den Zustand der Dinge in fremden Ländern zu erforschen. Und doch ist der einzige Weg, in unseren eigenen Sachen das Richtige zu treffen, dass wir auf genügende Kenntniss der Fremden ausgehen. Dazu brauchen wir aber eine Anstalt zu Uebersetzung fremder Werke. »Wir sollten uns nun in der Zeit des Friedens die über- legenen Verbesserungen der Barbaren aneignen, um die Barbaren wirksamer zu zügeln, so wie wir vorher vorschlugen, Barbaren durch Barbaren zu bekämpfen. Drei Arten der Verbesserung sind nothwendig: eine Flotte, gute Feuerwaffen und ein reguläres Heer. »Die Engländer sind jetzt im Besitz von Hong-kong und hoch- müthig vor allen Barbaren; ihr Reichthum vermehrt ihren Einfluss. Folgen wir nun ihrem Beispiel; nehmen wir eine gebietende Stellung im Osten an. Wenn wir Docks einrichten wie andere Nationen, wenn wir schnellsegelnde gute Schiffe bauen, so wird das sehr zweckmässig sein. Wir haben durch das Opium schweren Schaden erlitten; aber sollten wir nicht auch wieder von der überlegenen Geschicklichkeit der Fremden grossen Vortheil ziehen können? Sowohl die Franzosen als die Americaner haben Arbeiter nach Kan-ton geführt, die Schiffe bauen können; sollten wir nicht euro- päische Seeleute anstellen, um uns das Segeln zu lehren, wie wir früher auch von europäischen Astronomen lernten?« Einen bedeutenden Theil des Buches bilden Auszüge mili- tärischer und artilleristischer Werke. Lin’s Verbesserungsvor- schläge für die Armee und Flotte scheiterten aber an Tau-kwaṅ’s Sparsamkeit. Auch finanzielle Fragen behandelt er, und beweist, dass die Silber-Ausfuhr für das Opium den Ruin des Landes nach sich ziehen müsse. Ki-šen, dessen Ansichten später in weiterer Ausdehnung zur Geltung kamen, als er selbst sie jemals aussprach, wurde der Sündenbock für alle von Anderen begangenen Fehler; am kaiser- lichen Hofe liefen zahlreiche Adressen ein, welche ihn der schimpf- lichsten Feigheit und Verrätherei ziehen. Als die Festungen am Perl-Fluss fielen und Kan-ton capitulirte, wälzte man alle Schuld III. 7

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/119>, abgerufen am 30.11.2024.