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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Tsuen-pi und Ti-kok-to zerstört.
werden. Ki-sen soll diese Angelegenheit in Treue schlichten und
meine Absichten ausführen. Danach richtet euch!" -- Die Küsten-
behörden erhielten Befehl zu Einstellung jeder herausfordernden
Feindseligkeit gegen die britischen Schiffe für die Dauer der Ver-
handlungen.

Ki-sen fand seine Stellung in Kan-ton schwierig, denn die
Bevölkerung nährte den bittersten Fremdenhass und trat dem neuen
Bevollmächtigten feindlich entgegen, sobald dessen Absicht einer
friedlichen Lösung bekannt wurde. Der grosse Haufen wähnte mit
den rebellischen Barbaren leicht fertig zu werden und drängte zu
rascher Entscheidung; der degradirte Lin war noch immer sein
Abgott. Ernstlich glaubte wohl Ki-sen selbst nicht an fried-
liche Vergleichung; seine erste Sorge in Kan-ton war die Ver-
stärkung der Werke an der Flussmündung. Er gab dafür grosse
Summen aus, aber die Anstalten blieben kindisch und unwirksam.
Ki-sen setzte sich auch mit Lin in Verbindung, der einige Hundert
Freiwillige auf eigene Kosten einüben liess, denn der Kampf war
unvermeidlich. Der neue Bevollmächtigte wusste wohl, dass der
Kaiser befriedigende Zugeständnisse an die Engländer niemals ge-
nehmigen würde; als Aeusserstes mochte ihm die Aufhebung des
Handelsverbotes und eine Entschädigung für das Opium gelten, die aus
den dafür aufzulegenden Zöllen in jährlichen Raten bezahlt werden
könnte. Durch Verhandlungen suchte er Zeit zu gewinnen. Die
Engländer liessen sich eine Weile täuschen, entdeckten aber am
6. Januar 1841 einen geheimen Erlass, nach welchem alle englischen1841
Unterthanen und Schiffe, wo man sie auch treffen möchte, vernichtet
werden sollten. Schon am folgenden Tage antwortete die englische
Flotte durch Zerstörung der Werke vor der Flussmündung. Zuerst
bewarfen ihre Geschütze Tsuen-pi mit solchem Frfolge, dass die
Besatzung nach 25 Minuten ausriss. Eben so schnell ging es mit
dem gegenüberliegenden Ti-kok-to. Die Werke wurden in Trüm-
mer gelegt, 173 Geschütze unbrauchbar gemacht. Die chinesische
Flotte stob auseinander als bei Beginn des Kampfes eine grosse
Dschunke in die Luft flog; die anderen rannten an das Ufer und
die Besatzung floh landeinwärts. Dreizehn grosse Kriegs-Dschunken
wurden verbrannt.33) Am folgenden Morgen bat Admiral Kwan
um Waffenstillstand.

33) Die Engländer erbeuteten den rothen Knopf, das Rangzeichen des alten
Admiral Kwan, das ihm auf sein dringendes Bitten zurückgestellt wurde.
III. 6

Tšuen-pi und Ti-kok-to zerstört.
werden. Ki-šen soll diese Angelegenheit in Treue schlichten und
meine Absichten ausführen. Danach richtet euch!« — Die Küsten-
behörden erhielten Befehl zu Einstellung jeder herausfordernden
Feindseligkeit gegen die britischen Schiffe für die Dauer der Ver-
handlungen.

Ki-šen fand seine Stellung in Kan-ton schwierig, denn die
Bevölkerung nährte den bittersten Fremdenhass und trat dem neuen
Bevollmächtigten feindlich entgegen, sobald dessen Absicht einer
friedlichen Lösung bekannt wurde. Der grosse Haufen wähnte mit
den rebellischen Barbaren leicht fertig zu werden und drängte zu
rascher Entscheidung; der degradirte Lin war noch immer sein
Abgott. Ernstlich glaubte wohl Ki-šen selbst nicht an fried-
liche Vergleichung; seine erste Sorge in Kan-ton war die Ver-
stärkung der Werke an der Flussmündung. Er gab dafür grosse
Summen aus, aber die Anstalten blieben kindisch und unwirksam.
Ki-šen setzte sich auch mit Lin in Verbindung, der einige Hundert
Freiwillige auf eigene Kosten einüben liess, denn der Kampf war
unvermeidlich. Der neue Bevollmächtigte wusste wohl, dass der
Kaiser befriedigende Zugeständnisse an die Engländer niemals ge-
nehmigen würde; als Aeusserstes mochte ihm die Aufhebung des
Handelsverbotes und eine Entschädigung für das Opium gelten, die aus
den dafür aufzulegenden Zöllen in jährlichen Raten bezahlt werden
könnte. Durch Verhandlungen suchte er Zeit zu gewinnen. Die
Engländer liessen sich eine Weile täuschen, entdeckten aber am
6. Januar 1841 einen geheimen Erlass, nach welchem alle englischen1841
Unterthanen und Schiffe, wo man sie auch treffen möchte, vernichtet
werden sollten. Schon am folgenden Tage antwortete die englische
Flotte durch Zerstörung der Werke vor der Flussmündung. Zuerst
bewarfen ihre Geschütze Tšuen-pi mit solchem Frfolge, dass die
Besatzung nach 25 Minuten ausriss. Eben so schnell ging es mit
dem gegenüberliegenden Ti-kok-to. Die Werke wurden in Trüm-
mer gelegt, 173 Geschütze unbrauchbar gemacht. Die chinesische
Flotte stob auseinander als bei Beginn des Kampfes eine grosse
Dschunke in die Luft flog; die anderen rannten an das Ufer und
die Besatzung floh landeinwärts. Dreizehn grosse Kriegs-Dschunken
wurden verbrannt.33) Am folgenden Morgen bat Admiral Kwan
um Waffenstillstand.

33) Die Engländer erbeuteten den rothen Knopf, das Rangzeichen des alten
Admiral Kwan, das ihm auf sein dringendes Bitten zurückgestellt wurde.
III. 6
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[81/0103] Tšuen-pi und Ti-kok-to zerstört. werden. Ki-šen soll diese Angelegenheit in Treue schlichten und meine Absichten ausführen. Danach richtet euch!« — Die Küsten- behörden erhielten Befehl zu Einstellung jeder herausfordernden Feindseligkeit gegen die britischen Schiffe für die Dauer der Ver- handlungen. Ki-šen fand seine Stellung in Kan-ton schwierig, denn die Bevölkerung nährte den bittersten Fremdenhass und trat dem neuen Bevollmächtigten feindlich entgegen, sobald dessen Absicht einer friedlichen Lösung bekannt wurde. Der grosse Haufen wähnte mit den rebellischen Barbaren leicht fertig zu werden und drängte zu rascher Entscheidung; der degradirte Lin war noch immer sein Abgott. Ernstlich glaubte wohl Ki-šen selbst nicht an fried- liche Vergleichung; seine erste Sorge in Kan-ton war die Ver- stärkung der Werke an der Flussmündung. Er gab dafür grosse Summen aus, aber die Anstalten blieben kindisch und unwirksam. Ki-šen setzte sich auch mit Lin in Verbindung, der einige Hundert Freiwillige auf eigene Kosten einüben liess, denn der Kampf war unvermeidlich. Der neue Bevollmächtigte wusste wohl, dass der Kaiser befriedigende Zugeständnisse an die Engländer niemals ge- nehmigen würde; als Aeusserstes mochte ihm die Aufhebung des Handelsverbotes und eine Entschädigung für das Opium gelten, die aus den dafür aufzulegenden Zöllen in jährlichen Raten bezahlt werden könnte. Durch Verhandlungen suchte er Zeit zu gewinnen. Die Engländer liessen sich eine Weile täuschen, entdeckten aber am 6. Januar 1841 einen geheimen Erlass, nach welchem alle englischen Unterthanen und Schiffe, wo man sie auch treffen möchte, vernichtet werden sollten. Schon am folgenden Tage antwortete die englische Flotte durch Zerstörung der Werke vor der Flussmündung. Zuerst bewarfen ihre Geschütze Tšuen-pi mit solchem Frfolge, dass die Besatzung nach 25 Minuten ausriss. Eben so schnell ging es mit dem gegenüberliegenden Ti-kok-to. Die Werke wurden in Trüm- mer gelegt, 173 Geschütze unbrauchbar gemacht. Die chinesische Flotte stob auseinander als bei Beginn des Kampfes eine grosse Dschunke in die Luft flog; die anderen rannten an das Ufer und die Besatzung floh landeinwärts. Dreizehn grosse Kriegs-Dschunken wurden verbrannt. 33) Am folgenden Morgen bat Admiral Kwan um Waffenstillstand. 1841 33) Die Engländer erbeuteten den rothen Knopf, das Rangzeichen des alten Admiral Kwan, das ihm auf sein dringendes Bitten zurückgestellt wurde. III. 6

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/103>, abgerufen am 28.11.2024.