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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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VI. Vertrags-Angelegenheiten.
dieser Zeitpunct aber, hiess es, sei noch nicht gekommen. Nun
hatte sie zwar seitdem mit Portugal abgeschlossen, berief sich
dabei aber auf das den Holländern für diese Macht ausdrücklich
gegebene Versprechen. Ein Vertrag mit Preussen dagegen schien
die Zulassung Belgiens und der Schweiz als unausbleibliche Folge
nach sich ziehen zu müssen.

Die Eventualität, der japanischen Regierung einen Vertrag
mit hinausgeschobenem Termin der Wirksamkeit vorzuschlagen, hatte
der Gesandte schon früher mit Herrn Harris besprochen, und auch
die Vertreter von England und Frankreich hegten gute Erwar-
tungen von diesem Auskunftsmittel; Graf Eulenburg glaubte nur
die Minister noch nicht genug ermüdet zu haben, um jetzt schon
damit hervorzutreten, und richtete an dieselben zunächst unter dem
12. October abermals eine Note mit dem dringenden Ersuchen, ihre
den Niederländern gegebenen Versprechungen zu erfüllen. Die in
einem besonderen Documente neben den am 6. October 1857 unter-
zeichneten Additional-Artikeln gegebene Zusage war nach der
Auffassung des japanischen Ministers durch den Vertrag vom
18. August 1858 erledigt; der preussische Gesandte dagegen stellte
die Ansicht auf, dass jene Artikel, obschon später unterzeichnet,
einen intregrirenden Theil des Vertrages vom 30. Januar 1856 bil-
deten, dessen Bestimmungen, sofern sie nicht ausdrücklich wider-
rufen wären, nach Artikel 10. des Vertrages von 1858 in Kraft
bleiben sollten. -- Ein anderes der holländischen Regierung brieflich
gegebenes Versprechen bezog der Minister nur auf Portugal,
während man dasselbe bei einigem guten Willen wohl so verstehen
konnte, dass Japan sogar mit Portugal, gegen das sich noch eine
alt-eingewurzelte Abneigung voraussetzen liess, in Vertragsver-
hältnisse treten wolle. Die neben den Additional-Artikeln gegebene
Zusage lautete in wörtlicher Uebersetzung so: "Die Art und Weise
des Handelsbetriebes zu Hakodade und Nangasaki ist hinsichtlich
der Niederländer jetzt festgestellt. Deswegen soll in Anbetracht
anderer Nationen, die später Verträge abschliessen werden, nichts
im Wege stehen, dass sie auf dieselbe Art in den genannten
Häfen Handel treiben." Bei Licht besehen begründete dieser Satz
wohl einen sehr schwachen Anspruch, aber Graf Eulenburg hatte
keine andere Handhabe. Die Vertreter des Westens interpretirten
ihn allgemein etwas gewaltsam dahin, "dass dem Abschluss von
Verträgen mit anderen Nationen kein Hinderniss im Wege stehe",

VI. Vertrags-Angelegenheiten.
dieser Zeitpunct aber, hiess es, sei noch nicht gekommen. Nun
hatte sie zwar seitdem mit Portugal abgeschlossen, berief sich
dabei aber auf das den Holländern für diese Macht ausdrücklich
gegebene Versprechen. Ein Vertrag mit Preussen dagegen schien
die Zulassung Belgiens und der Schweiz als unausbleibliche Folge
nach sich ziehen zu müssen.

Die Eventualität, der japanischen Regierung einen Vertrag
mit hinausgeschobenem Termin der Wirksamkeit vorzuschlagen, hatte
der Gesandte schon früher mit Herrn Harris besprochen, und auch
die Vertreter von England und Frankreich hegten gute Erwar-
tungen von diesem Auskunftsmittel; Graf Eulenburg glaubte nur
die Minister noch nicht genug ermüdet zu haben, um jetzt schon
damit hervorzutreten, und richtete an dieselben zunächst unter dem
12. October abermals eine Note mit dem dringenden Ersuchen, ihre
den Niederländern gegebenen Versprechungen zu erfüllen. Die in
einem besonderen Documente neben den am 6. October 1857 unter-
zeichneten Additional-Artikeln gegebene Zusage war nach der
Auffassung des japanischen Ministers durch den Vertrag vom
18. August 1858 erledigt; der preussische Gesandte dagegen stellte
die Ansicht auf, dass jene Artikel, obschon später unterzeichnet,
einen intregrirenden Theil des Vertrages vom 30. Januar 1856 bil-
deten, dessen Bestimmungen, sofern sie nicht ausdrücklich wider-
rufen wären, nach Artikel 10. des Vertrages von 1858 in Kraft
bleiben sollten. — Ein anderes der holländischen Regierung brieflich
gegebenes Versprechen bezog der Minister nur auf Portugal,
während man dasselbe bei einigem guten Willen wohl so verstehen
konnte, dass Japan sogar mit Portugal, gegen das sich noch eine
alt-eingewurzelte Abneigung voraussetzen liess, in Vertragsver-
hältnisse treten wolle. Die neben den Additional-Artikeln gegebene
Zusage lautete in wörtlicher Uebersetzung so: »Die Art und Weise
des Handelsbetriebes zu Hakodade und Naṅgasaki ist hinsichtlich
der Niederländer jetzt festgestellt. Deswegen soll in Anbetracht
anderer Nationen, die später Verträge abschliessen werden, nichts
im Wege stehen, dass sie auf dieselbe Art in den genannten
Häfen Handel treiben.« Bei Licht besehen begründete dieser Satz
wohl einen sehr schwachen Anspruch, aber Graf Eulenburg hatte
keine andere Handhabe. Die Vertreter des Westens interpretirten
ihn allgemein etwas gewaltsam dahin, »dass dem Abschluss von
Verträgen mit anderen Nationen kein Hinderniss im Wege stehe«,

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[55/0075] VI. Vertrags-Angelegenheiten. dieser Zeitpunct aber, hiess es, sei noch nicht gekommen. Nun hatte sie zwar seitdem mit Portugal abgeschlossen, berief sich dabei aber auf das den Holländern für diese Macht ausdrücklich gegebene Versprechen. Ein Vertrag mit Preussen dagegen schien die Zulassung Belgiens und der Schweiz als unausbleibliche Folge nach sich ziehen zu müssen. Die Eventualität, der japanischen Regierung einen Vertrag mit hinausgeschobenem Termin der Wirksamkeit vorzuschlagen, hatte der Gesandte schon früher mit Herrn Harris besprochen, und auch die Vertreter von England und Frankreich hegten gute Erwar- tungen von diesem Auskunftsmittel; Graf Eulenburg glaubte nur die Minister noch nicht genug ermüdet zu haben, um jetzt schon damit hervorzutreten, und richtete an dieselben zunächst unter dem 12. October abermals eine Note mit dem dringenden Ersuchen, ihre den Niederländern gegebenen Versprechungen zu erfüllen. Die in einem besonderen Documente neben den am 6. October 1857 unter- zeichneten Additional-Artikeln gegebene Zusage war nach der Auffassung des japanischen Ministers durch den Vertrag vom 18. August 1858 erledigt; der preussische Gesandte dagegen stellte die Ansicht auf, dass jene Artikel, obschon später unterzeichnet, einen intregrirenden Theil des Vertrages vom 30. Januar 1856 bil- deten, dessen Bestimmungen, sofern sie nicht ausdrücklich wider- rufen wären, nach Artikel 10. des Vertrages von 1858 in Kraft bleiben sollten. — Ein anderes der holländischen Regierung brieflich gegebenes Versprechen bezog der Minister nur auf Portugal, während man dasselbe bei einigem guten Willen wohl so verstehen konnte, dass Japan sogar mit Portugal, gegen das sich noch eine alt-eingewurzelte Abneigung voraussetzen liess, in Vertragsver- hältnisse treten wolle. Die neben den Additional-Artikeln gegebene Zusage lautete in wörtlicher Uebersetzung so: »Die Art und Weise des Handelsbetriebes zu Hakodade und Naṅgasaki ist hinsichtlich der Niederländer jetzt festgestellt. Deswegen soll in Anbetracht anderer Nationen, die später Verträge abschliessen werden, nichts im Wege stehen, dass sie auf dieselbe Art in den genannten Häfen Handel treiben.« Bei Licht besehen begründete dieser Satz wohl einen sehr schwachen Anspruch, aber Graf Eulenburg hatte keine andere Handhabe. Die Vertreter des Westens interpretirten ihn allgemein etwas gewaltsam dahin, »dass dem Abschluss von Verträgen mit anderen Nationen kein Hinderniss im Wege stehe«,

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/75>, abgerufen am 25.11.2024.