haben. Er selbst, sagte Sakai lachend, halte sich zwar lieber in den äusseren Gemächern auf; die Frauen wollten ihn aber immer bei sich haben. Zum Abschied wurden die Herren mit Danziger Goldwasser bewirthet, das sie sehr in Erstaunen setzte.
Vom Vertrage war bei den Besuchen der Bunyo's gar nicht die Rede; der October verging ohne wesentliche Besserung der Aussichten. Die von der japanischen Regierung zu Anfang des Jahres 1860 in Betreff Belgiens und der Schweiz gegebenen Ver- sprechungen standen Graf Eulenburg's Bemühungen hemmend im Wege. Eine Gesellschaft schweizerischer Fabrikanten hatte nämlich dreiviertel Jahr vor unserer Ankunft einen Emissar nach Japan ge- schickt, um Erkundigungen über die dortigen Handelsverhältnisse einzuziehen und wo möglich ihren Industrie-Erzeugnissen Eingang zu verschaffen. Die Bundesregierung gab ihm ein Schreiben und den Auftrag mit, sich über die Möglichkeit eines Handelsvertrages mit den Japanern zu unterrichten, und die Vertreter von Frankreich und England machten, von ihren Regierungen beauftragt sich für seine Sendung zu interessiren, dahin zielende Anträge an das Gorodzio. Belgien liess, ohne einen Vermittler zu senden, durch die englische Regierung und deren Vertreter in Yeddo einen ähnlichen Vorschlag thun. Schon damals kündigte Herr Alcock den japani- schen Ministern die bevorstehende Ankunft des preussischen Ge- schwaders an, und machte ihnen klar, dass es bei der gegenwärtigen Weltlage fast eben so schwer sein würde, einige Staaten auszu- schliessen und andere zuzulassen, als sich, wie früher, ganz zu isoliren. Denn wenn auch kein Volk ein unbedingtes Recht auf den Abschluss von Verträgen habe, so sei doch die Zurückweisung einzelner für diese sehr kränkend; ihre Gesandten müssten den übelsten Eindruck empfangen, wenn die japanische Regierung sich gradezu weigere mit ihnen in Verhandlung zu treten und sie nach so langer Reise ganz unverrichteter Sache heimkehren liesse. Er schlug schon damals den Ausweg vor, Verträge mit hinausgescho- benem Termin der Ausführung abzuschliessen, konnte aber von den japanischen Ministern nur ein schriftliches Versprechen erlangen, mit Belgien und der Schweiz in Verbindung zu treten, sobald sie irgend eine andere Macht zulassen würden. Die Regierung gab damals ihre ernstliche Absicht zu erkennen, mit allen Völkern des Westens Verträge zu machen, sobald die Umstände es erlaubten;
Vertrags-Angelegenheiten. VI.
haben. Er selbst, sagte Sakaï lachend, halte sich zwar lieber in den äusseren Gemächern auf; die Frauen wollten ihn aber immer bei sich haben. Zum Abschied wurden die Herren mit Danziger Goldwasser bewirthet, das sie sehr in Erstaunen setzte.
Vom Vertrage war bei den Besuchen der Bunyo’s gar nicht die Rede; der October verging ohne wesentliche Besserung der Aussichten. Die von der japanischen Regierung zu Anfang des Jahres 1860 in Betreff Belgiens und der Schweiz gegebenen Ver- sprechungen standen Graf Eulenburg’s Bemühungen hemmend im Wege. Eine Gesellschaft schweizerischer Fabrikanten hatte nämlich dreiviertel Jahr vor unserer Ankunft einen Emissar nach Japan ge- schickt, um Erkundigungen über die dortigen Handelsverhältnisse einzuziehen und wo möglich ihren Industrie-Erzeugnissen Eingang zu verschaffen. Die Bundesregierung gab ihm ein Schreiben und den Auftrag mit, sich über die Möglichkeit eines Handelsvertrages mit den Japanern zu unterrichten, und die Vertreter von Frankreich und England machten, von ihren Regierungen beauftragt sich für seine Sendung zu interessiren, dahin zielende Anträge an das Gorodžio. Belgien liess, ohne einen Vermittler zu senden, durch die englische Regierung und deren Vertreter in Yeddo einen ähnlichen Vorschlag thun. Schon damals kündigte Herr Alcock den japani- schen Ministern die bevorstehende Ankunft des preussischen Ge- schwaders an, und machte ihnen klar, dass es bei der gegenwärtigen Weltlage fast eben so schwer sein würde, einige Staaten auszu- schliessen und andere zuzulassen, als sich, wie früher, ganz zu isoliren. Denn wenn auch kein Volk ein unbedingtes Recht auf den Abschluss von Verträgen habe, so sei doch die Zurückweisung einzelner für diese sehr kränkend; ihre Gesandten müssten den übelsten Eindruck empfangen, wenn die japanische Regierung sich gradezu weigere mit ihnen in Verhandlung zu treten und sie nach so langer Reise ganz unverrichteter Sache heimkehren liesse. Er schlug schon damals den Ausweg vor, Verträge mit hinausgescho- benem Termin der Ausführung abzuschliessen, konnte aber von den japanischen Ministern nur ein schriftliches Versprechen erlangen, mit Belgien und der Schweiz in Verbindung zu treten, sobald sie irgend eine andere Macht zulassen würden. Die Regierung gab damals ihre ernstliche Absicht zu erkennen, mit allen Völkern des Westens Verträge zu machen, sobald die Umstände es erlaubten;
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[54/0074]
Vertrags-Angelegenheiten. VI.
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den äusseren Gemächern auf; die Frauen wollten ihn aber immer
bei sich haben. Zum Abschied wurden die Herren mit Danziger
Goldwasser bewirthet, das sie sehr in Erstaunen setzte.
Vom Vertrage war bei den Besuchen der Bunyo’s gar
nicht die Rede; der October verging ohne wesentliche Besserung
der Aussichten. Die von der japanischen Regierung zu Anfang des
Jahres 1860 in Betreff Belgiens und der Schweiz gegebenen Ver-
sprechungen standen Graf Eulenburg’s Bemühungen hemmend im
Wege. Eine Gesellschaft schweizerischer Fabrikanten hatte nämlich
dreiviertel Jahr vor unserer Ankunft einen Emissar nach Japan ge-
schickt, um Erkundigungen über die dortigen Handelsverhältnisse
einzuziehen und wo möglich ihren Industrie-Erzeugnissen Eingang
zu verschaffen. Die Bundesregierung gab ihm ein Schreiben und
den Auftrag mit, sich über die Möglichkeit eines Handelsvertrages
mit den Japanern zu unterrichten, und die Vertreter von Frankreich
und England machten, von ihren Regierungen beauftragt sich für
seine Sendung zu interessiren, dahin zielende Anträge an das
Gorodžio. Belgien liess, ohne einen Vermittler zu senden, durch
die englische Regierung und deren Vertreter in Yeddo einen ähnlichen
Vorschlag thun. Schon damals kündigte Herr Alcock den japani-
schen Ministern die bevorstehende Ankunft des preussischen Ge-
schwaders an, und machte ihnen klar, dass es bei der gegenwärtigen
Weltlage fast eben so schwer sein würde, einige Staaten auszu-
schliessen und andere zuzulassen, als sich, wie früher, ganz zu
isoliren. Denn wenn auch kein Volk ein unbedingtes Recht auf
den Abschluss von Verträgen habe, so sei doch die Zurückweisung
einzelner für diese sehr kränkend; ihre Gesandten müssten den
übelsten Eindruck empfangen, wenn die japanische Regierung sich
gradezu weigere mit ihnen in Verhandlung zu treten und sie nach
so langer Reise ganz unverrichteter Sache heimkehren liesse. Er
schlug schon damals den Ausweg vor, Verträge mit hinausgescho-
benem Termin der Ausführung abzuschliessen, konnte aber von den
japanischen Ministern nur ein schriftliches Versprechen erlangen,
mit Belgien und der Schweiz in Verbindung zu treten, sobald sie
irgend eine andere Macht zulassen würden. Die Regierung gab
damals ihre ernstliche Absicht zu erkennen, mit allen Völkern des
Westens Verträge zu machen, sobald die Umstände es erlaubten;
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/74>, abgerufen am 22.11.2024.
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