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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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To-dzen-dzi. VI.

Die letzten Tage des October waren regnerisch; wir kamen
wenig hinaus. Der niederländische Consul in Kanagava, Herr de
Graeff van Polsbroek
, kam nach Yeddo und wusste viel Interessantes
über seinen Verkehr mit den Japanern, aber wenig Erfreuliches über
die Schutzbefohlenen in Yokuhama mitzutheilen. -- Am 30. gab
der grossbritannische Gesandte zu Ehren des Grafen Eulenburg
ein Dejeuner, welchem ein Spaziergang durch die ausgedehnten
Tempelgründe folgte.

Der Tempel von To-dzen-dzi liegt im südlichen Yeddo;
sein Haupt-Eingang mündet auf den hier das Meeresufer streifenden
Tokaido, nicht weit von der Vorstadt Sinagava; eine lange ebene
Steinbahn führt von der Strasse durch mehrere Portale auf den
Tempel zu, in dessen Nebengebäuden der Gesandte wohnte. Seine
Räume sahen in das Grüne: zunächst ein Blumengärtchen mit rein-
lichen Kieswegen, ein Goldfischteich mit zierlicher Brücke, drüben
ein Abhang, unten mit Rasenbeeten und herrlichen Azaleen-
büschen, darüber mit einem wuchernden Dickicht hoher Laub- und
Nadelbäume bedeckt, durch das sich schattige Pfade den Hügel
hinanschlängeln. Links beschreibt die Höhe einen kurzen Bogen
nach Westen; hier sind ihre Abhänge und die Mulde dazwischen
mit einem Walde von Grabmonumenten erfüllt. Der Tempel steht
unter dem Patronate mehrerer Daimio's, welche dort ihre Familien-
begräbnisse haben; die Denksteine der Fürsten sollen an einer Art
Krone aus mehreren übereinanderliegenden Ringen unmittelbar unter
dem Knauf der thurmartigen Spitze kenntlich sein. Sie stehen bald
einzeln, bald von den kleineren Grabmälern ihrer Angehörigen um-
geben, eingefasst mit Holz- oder Steingittern, dazwischen Laternen-
säulen, hier und da ein Buddabild aus Stein oder Bronze. Die
Form und Grösse der Grabsteine ist auch sonst sehr mannichfach
und mag vielerlei Beziehungen zu dem Alter, Stand und Geschlecht
des Verstorbenen haben; vor allen stehen Bambusbecher und Stein-
behälter mit frischen grünen Sträussen und Rauchkerzen. Früh
gestorbene Kinder haben nach japanischem Volksglauben himmlische
Schutzmütter, unter deren Hut ihre Seelen, bei heiterem Wetter
aus dem Meere steigend, am Strande mit bunten Kieseln spielen.
Auf dem Friedhofe von To-dzen-dzi steht eine ganze Reihe solcher
Genien, kleine Bildsäulen von Stein, unter einem hölzernen Schutz-
dach 19); ihnen opfern die Mütter der Heimgegangenen und legen

19) S. Ansichten von Japan etc. III. 13.
To-džen-dži. VI.

Die letzten Tage des October waren regnerisch; wir kamen
wenig hinaus. Der niederländische Consul in Kanagava, Herr de
Graeff van Polsbroek
, kam nach Yeddo und wusste viel Interessantes
über seinen Verkehr mit den Japanern, aber wenig Erfreuliches über
die Schutzbefohlenen in Yokuhama mitzutheilen. — Am 30. gab
der grossbritannische Gesandte zu Ehren des Grafen Eulenburg
ein Déjeuner, welchem ein Spaziergang durch die ausgedehnten
Tempelgründe folgte.

Der Tempel von To-džen-dži liegt im südlichen Yeddo;
sein Haupt-Eingang mündet auf den hier das Meeresufer streifenden
Tokaïdo, nicht weit von der Vorstadt Sinagava; eine lange ebene
Steinbahn führt von der Strasse durch mehrere Portale auf den
Tempel zu, in dessen Nebengebäuden der Gesandte wohnte. Seine
Räume sahen in das Grüne: zunächst ein Blumengärtchen mit rein-
lichen Kieswegen, ein Goldfischteich mit zierlicher Brücke, drüben
ein Abhang, unten mit Rasenbeeten und herrlichen Azaleen-
büschen, darüber mit einem wuchernden Dickicht hoher Laub- und
Nadelbäume bedeckt, durch das sich schattige Pfade den Hügel
hinanschlängeln. Links beschreibt die Höhe einen kurzen Bogen
nach Westen; hier sind ihre Abhänge und die Mulde dazwischen
mit einem Walde von Grabmonumenten erfüllt. Der Tempel steht
unter dem Patronate mehrerer Daïmio’s, welche dort ihre Familien-
begräbnisse haben; die Denksteine der Fürsten sollen an einer Art
Krone aus mehreren übereinanderliegenden Ringen unmittelbar unter
dem Knauf der thurmartigen Spitze kenntlich sein. Sie stehen bald
einzeln, bald von den kleineren Grabmälern ihrer Angehörigen um-
geben, eingefasst mit Holz- oder Steingittern, dazwischen Laternen-
säulen, hier und da ein Buddabild aus Stein oder Bronze. Die
Form und Grösse der Grabsteine ist auch sonst sehr mannichfach
und mag vielerlei Beziehungen zu dem Alter, Stand und Geschlecht
des Verstorbenen haben; vor allen stehen Bambusbecher und Stein-
behälter mit frischen grünen Sträussen und Rauchkerzen. Früh
gestorbene Kinder haben nach japanischem Volksglauben himmlische
Schutzmütter, unter deren Hut ihre Seelen, bei heiterem Wetter
aus dem Meere steigend, am Strande mit bunten Kieseln spielen.
Auf dem Friedhofe von To-džen-dži steht eine ganze Reihe solcher
Genien, kleine Bildsäulen von Stein, unter einem hölzernen Schutz-
dach 19); ihnen opfern die Mütter der Heimgegangenen und legen

19) S. Ansichten von Japan etc. III. 13.
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[42/0062] To-džen-dži. VI. Die letzten Tage des October waren regnerisch; wir kamen wenig hinaus. Der niederländische Consul in Kanagava, Herr de Graeff van Polsbroek, kam nach Yeddo und wusste viel Interessantes über seinen Verkehr mit den Japanern, aber wenig Erfreuliches über die Schutzbefohlenen in Yokuhama mitzutheilen. — Am 30. gab der grossbritannische Gesandte zu Ehren des Grafen Eulenburg ein Déjeuner, welchem ein Spaziergang durch die ausgedehnten Tempelgründe folgte. Der Tempel von To-džen-dži liegt im südlichen Yeddo; sein Haupt-Eingang mündet auf den hier das Meeresufer streifenden Tokaïdo, nicht weit von der Vorstadt Sinagava; eine lange ebene Steinbahn führt von der Strasse durch mehrere Portale auf den Tempel zu, in dessen Nebengebäuden der Gesandte wohnte. Seine Räume sahen in das Grüne: zunächst ein Blumengärtchen mit rein- lichen Kieswegen, ein Goldfischteich mit zierlicher Brücke, drüben ein Abhang, unten mit Rasenbeeten und herrlichen Azaleen- büschen, darüber mit einem wuchernden Dickicht hoher Laub- und Nadelbäume bedeckt, durch das sich schattige Pfade den Hügel hinanschlängeln. Links beschreibt die Höhe einen kurzen Bogen nach Westen; hier sind ihre Abhänge und die Mulde dazwischen mit einem Walde von Grabmonumenten erfüllt. Der Tempel steht unter dem Patronate mehrerer Daïmio’s, welche dort ihre Familien- begräbnisse haben; die Denksteine der Fürsten sollen an einer Art Krone aus mehreren übereinanderliegenden Ringen unmittelbar unter dem Knauf der thurmartigen Spitze kenntlich sein. Sie stehen bald einzeln, bald von den kleineren Grabmälern ihrer Angehörigen um- geben, eingefasst mit Holz- oder Steingittern, dazwischen Laternen- säulen, hier und da ein Buddabild aus Stein oder Bronze. Die Form und Grösse der Grabsteine ist auch sonst sehr mannichfach und mag vielerlei Beziehungen zu dem Alter, Stand und Geschlecht des Verstorbenen haben; vor allen stehen Bambusbecher und Stein- behälter mit frischen grünen Sträussen und Rauchkerzen. Früh gestorbene Kinder haben nach japanischem Volksglauben himmlische Schutzmütter, unter deren Hut ihre Seelen, bei heiterem Wetter aus dem Meere steigend, am Strande mit bunten Kieseln spielen. Auf dem Friedhofe von To-džen-dži steht eine ganze Reihe solcher Genien, kleine Bildsäulen von Stein, unter einem hölzernen Schutz- dach 19); ihnen opfern die Mütter der Heimgegangenen und legen 19) S. Ansichten von Japan etc. III. 13.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/62>, abgerufen am 22.11.2024.