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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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VI. Das Laternenfest.
mit einem Strohdach, auf dessen Giebel ein Wedel des Sonnenbaumes
(Thuja-hinoki) oder der japanischen Cypresse steckt. Vor dem
Eingange sind zwei grüne Tannen gepflanzt. In der Nähe desselben
wird auf hell loderndem Feuer kochendes Wasser unterhalten und
mit eingetauchten Bambuswedeln von Zeit zu Zeit das Mikosi be-
sprengt. Die Unreines abhaltenden Strohseile begränzen diese zeitliche
Kami-Wohnung, und Priester rennen zu Pferde hin und her, und
spielen, Pfeile schiessend, dem Volk ihren Kampf gegen die bösen
Geister vor. Erst mit der Zurückbringung des Mikosi in seine erste
Halle, die inzwischen gereinigt wurde, endigt die ganze Feier, an
der das Volk und die Regierung gleichen Antheil nimmt. Die Kami-
Priester spielen während dieser Tage eine grosse Rolle und tragen
den ganzen Reichthum ihrer Hallen zur Schau. Die Feierlichkeiten
und Belustigungen, welche dabei statt haben, sind sehr verschieden,
stehen übrigens mit den früheren Verhältnissen des gefeierten Kami
in Beziehung und spielen mehr oder weniger auf die Tugenden und
Thaten desselben an. Festliche Umgänge, Musikchöre, pantomimische
Tänze, Maskeraden, theatralische Vorstellungen, Beleuchtungen,
Wettrennen, Bogenschiessen, Ringkämpfe und andere Leibesübungen
wechseln mit Heldengesängen, Ablesung abentheuerlicher Geschichten,
öffentlichen Lotterieen, Malzeiten und Trinkgelagen."

Das grosse Matsuri von Nangasaki, der Jahrestag des Suva,
fällt mit dem Goldblumenfest zusammen und ist von Holländern
mehrfach beschrieben worden, -- denn auch die auf Desima Ein-
gesperrten wurden an diesen Freudentagen nach dem Tempel geführt
um die theatralischen Aufzüge und Darstellungen der Jugend anzu-
sehen und an dem allgemeinen Jubel theilzunehmen. Nangasaki
eigenthümlich scheint ferner das Laternenfest zu sein, das wahr-
scheinlich aus China dahin verpflanzt wurde. Jeder, der seine Eltern
noch hat, verbringt diese Tage -- vom 13. bis zum 15. des siebenten
Monats -- in Fröhlichkeit; man beglückwünscht einander und ladet
seine Freunde zum Fischessen ein. Verheirathete Söhne und Töchter
und angenommene Kinder senden ihren Eltern lackirte Kästchen mit
frischen, gesalzenen und getrockneten Fischen. -- Das Fest ist seiner
Bedeutung nach eine Todtenfeier und beginnt mit Einholung der
abgeschiedenen Seelen: die ganze Bevölkerung wallfahrtet am ersten
Tage nach den Friedhöfen, und glaubt dann von den Seelen der
verstorbenen Blutsverwandten nach Hause begleitet zu werden. Man
nimmt deren Gedächtnisstafeln, die Ifai, aus den Kasten, stellt sie

VI. Das Laternenfest.
mit einem Strohdach, auf dessen Giebel ein Wedel des Sonnenbaumes
(Thuja-hinoki) oder der japanischen Cypresse steckt. Vor dem
Eingange sind zwei grüne Tannen gepflanzt. In der Nähe desselben
wird auf hell loderndem Feuer kochendes Wasser unterhalten und
mit eingetauchten Bambuswedeln von Zeit zu Zeit das Mikosi be-
sprengt. Die Unreines abhaltenden Strohseile begränzen diese zeitliche
Kami-Wohnung, und Priester rennen zu Pferde hin und her, und
spielen, Pfeile schiessend, dem Volk ihren Kampf gegen die bösen
Geister vor. Erst mit der Zurückbringung des Mikosi in seine erste
Halle, die inzwischen gereinigt wurde, endigt die ganze Feier, an
der das Volk und die Regierung gleichen Antheil nimmt. Die Kami-
Priester spielen während dieser Tage eine grosse Rolle und tragen
den ganzen Reichthum ihrer Hallen zur Schau. Die Feierlichkeiten
und Belustigungen, welche dabei statt haben, sind sehr verschieden,
stehen übrigens mit den früheren Verhältnissen des gefeierten Kami
in Beziehung und spielen mehr oder weniger auf die Tugenden und
Thaten desselben an. Festliche Umgänge, Musikchöre, pantomimische
Tänze, Maskeraden, theatralische Vorstellungen, Beleuchtungen,
Wettrennen, Bogenschiessen, Ringkämpfe und andere Leibesübungen
wechseln mit Heldengesängen, Ablesung abentheuerlicher Geschichten,
öffentlichen Lotterieen, Malzeiten und Trinkgelagen.«

Das grosse Matsuri von Naṅgasaki, der Jahrestag des Suva,
fällt mit dem Goldblumenfest zusammen und ist von Holländern
mehrfach beschrieben worden, — denn auch die auf Desima Ein-
gesperrten wurden an diesen Freudentagen nach dem Tempel geführt
um die theatralischen Aufzüge und Darstellungen der Jugend anzu-
sehen und an dem allgemeinen Jubel theilzunehmen. Naṅgasaki
eigenthümlich scheint ferner das Laternenfest zu sein, das wahr-
scheinlich aus China dahin verpflanzt wurde. Jeder, der seine Eltern
noch hat, verbringt diese Tage — vom 13. bis zum 15. des siebenten
Monats — in Fröhlichkeit; man beglückwünscht einander und ladet
seine Freunde zum Fischessen ein. Verheirathete Söhne und Töchter
und angenommene Kinder senden ihren Eltern lackirte Kästchen mit
frischen, gesalzenen und getrockneten Fischen. — Das Fest ist seiner
Bedeutung nach eine Todtenfeier und beginnt mit Einholung der
abgeschiedenen Seelen: die ganze Bevölkerung wallfahrtet am ersten
Tage nach den Friedhöfen, und glaubt dann von den Seelen der
verstorbenen Blutsverwandten nach Hause begleitet zu werden. Man
nimmt deren Gedächtnisstafeln, die Ifaï, aus den Kasten, stellt sie

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[21/0041] VI. Das Laternenfest. mit einem Strohdach, auf dessen Giebel ein Wedel des Sonnenbaumes (Thuja-hinoki) oder der japanischen Cypresse steckt. Vor dem Eingange sind zwei grüne Tannen gepflanzt. In der Nähe desselben wird auf hell loderndem Feuer kochendes Wasser unterhalten und mit eingetauchten Bambuswedeln von Zeit zu Zeit das Mikosi be- sprengt. Die Unreines abhaltenden Strohseile begränzen diese zeitliche Kami-Wohnung, und Priester rennen zu Pferde hin und her, und spielen, Pfeile schiessend, dem Volk ihren Kampf gegen die bösen Geister vor. Erst mit der Zurückbringung des Mikosi in seine erste Halle, die inzwischen gereinigt wurde, endigt die ganze Feier, an der das Volk und die Regierung gleichen Antheil nimmt. Die Kami- Priester spielen während dieser Tage eine grosse Rolle und tragen den ganzen Reichthum ihrer Hallen zur Schau. Die Feierlichkeiten und Belustigungen, welche dabei statt haben, sind sehr verschieden, stehen übrigens mit den früheren Verhältnissen des gefeierten Kami in Beziehung und spielen mehr oder weniger auf die Tugenden und Thaten desselben an. Festliche Umgänge, Musikchöre, pantomimische Tänze, Maskeraden, theatralische Vorstellungen, Beleuchtungen, Wettrennen, Bogenschiessen, Ringkämpfe und andere Leibesübungen wechseln mit Heldengesängen, Ablesung abentheuerlicher Geschichten, öffentlichen Lotterieen, Malzeiten und Trinkgelagen.« Das grosse Matsuri von Naṅgasaki, der Jahrestag des Suva, fällt mit dem Goldblumenfest zusammen und ist von Holländern mehrfach beschrieben worden, — denn auch die auf Desima Ein- gesperrten wurden an diesen Freudentagen nach dem Tempel geführt um die theatralischen Aufzüge und Darstellungen der Jugend anzu- sehen und an dem allgemeinen Jubel theilzunehmen. Naṅgasaki eigenthümlich scheint ferner das Laternenfest zu sein, das wahr- scheinlich aus China dahin verpflanzt wurde. Jeder, der seine Eltern noch hat, verbringt diese Tage — vom 13. bis zum 15. des siebenten Monats — in Fröhlichkeit; man beglückwünscht einander und ladet seine Freunde zum Fischessen ein. Verheirathete Söhne und Töchter und angenommene Kinder senden ihren Eltern lackirte Kästchen mit frischen, gesalzenen und getrockneten Fischen. — Das Fest ist seiner Bedeutung nach eine Todtenfeier und beginnt mit Einholung der abgeschiedenen Seelen: die ganze Bevölkerung wallfahrtet am ersten Tage nach den Friedhöfen, und glaubt dann von den Seelen der verstorbenen Blutsverwandten nach Hause begleitet zu werden. Man nimmt deren Gedächtnisstafeln, die Ifaï, aus den Kasten, stellt sie

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/41>, abgerufen am 21.11.2024.