Feindes gegenüber stärker gerüstet haben. Der Winter verging aber ohne kriegerische Ereignisse.
Am 9. Juni 1865 brach eine Armee von hunderttausend Mann mit zahlreichen gezogenen Geschützen amerikanischer und franzö- sischer Arbeit von Yeddo auf. Die Truppen, meist junge eben aus- gehobene Bauern, waren grossentheils europäisch mit Hosen und Schuhen angethan und mit gezogenen Gewehren bewaffnet. Der Taikun ging mit ihnen nach Osaka, dem Gerüchte nach auf längere Zeit. Die Bauarbeiten am neuen Palast in Yeddo stockten; viele angesehene Kaufleute siedelten von da nach Osaka über, und die Geschäftsstille machte sich auch in Yokuhama fühlbar. Von Erfolgen der Armee erfuhr man niemals etwas; sie scheint noch im Anfang dieses Jahres unthätig zwisches Miako und Osaka gestanden, keinen Angriff gewagt zu haben. Man hörte von einer entdeckten Ver- schwörung gegen das Leben des Taikun, dessen Regierung sich aufzulösen drohte; es fehlte an Führung, an Organisation und Mitteln; man erwartete in Yokuhama, die Armee auseinanderlaufen zu sehen. Die Regierung in Yeddo hat es nicht verstanden, die ungeheuren Hülfsmittel, welche Jahre lang ihr allein aus dem fremden Handel zuflossen, mit Einsicht zu benutzen. Sie kaufte Kanonen und Gewehre aller Kaliber und Modelle, steckte ganze Regimenter in halb-europäische Uniform, sorgte aber nicht für deren militärische Ausbildung. Sie erstand Dampfboote zu enormen Preisen, darunter ausgezeichnete Schiffe; statt aber fremde Maschi- nisten oder tüchtige japanische Ingenieure zu besolden, begnügte man sich, Zettel mit Namen an die Maschinentheile zu kleben und Beamte dabei anzustellen, die einmal ein Buch über Dampf- maschinen gelesen hatten. In Folge dessen sprangen in vielen Dampfern die Kessel, die Maschinen gingen zu Grunde, und wohl zwei Drittheile der ganzen Zahl wurden völlig unbrauchbar. Die in diesen Blättern oft gerühmte japanische Tüchtigkeit scheint der Regierungsparthei völlig abhanden gekommen zu sein; ihre zahl- reiche Armee stand bei Osaka dem Gegner wohlgerüstet gegenüber, verstand aber nicht, ihre Waffen zu brauchen. Die Haltungslosig- keit, Ueberhebung und der ohnmächtige Eigensinn der Beamten lassen die Hoffnung immer mehr schwinden, dass der inneren Zer- rüttung ein Ziel gesetzt werde; selbst eine Veränderung auf dem Thron kann die Krisis höchstens verschieben. Das System ist seiner Voraussetzungen, seiner nothwendigsten Grundlagen beraubt,
Machtentfaltung des Taïkūn. Anh. II.
Feindes gegenüber stärker gerüstet haben. Der Winter verging aber ohne kriegerische Ereignisse.
Am 9. Juni 1865 brach eine Armee von hunderttausend Mann mit zahlreichen gezogenen Geschützen amerikanischer und franzö- sischer Arbeit von Yeddo auf. Die Truppen, meist junge eben aus- gehobene Bauern, waren grossentheils europäisch mit Hosen und Schuhen angethan und mit gezogenen Gewehren bewaffnet. Der Taïkūn ging mit ihnen nach Osaka, dem Gerüchte nach auf längere Zeit. Die Bauarbeiten am neuen Palast in Yeddo stockten; viele angesehene Kaufleute siedelten von da nach Osaka über, und die Geschäftsstille machte sich auch in Yokuhama fühlbar. Von Erfolgen der Armee erfuhr man niemals etwas; sie scheint noch im Anfang dieses Jahres unthätig zwisches Miako und Osaka gestanden, keinen Angriff gewagt zu haben. Man hörte von einer entdeckten Ver- schwörung gegen das Leben des Taïkūn, dessen Regierung sich aufzulösen drohte; es fehlte an Führung, an Organisation und Mitteln; man erwartete in Yokuhama, die Armee auseinanderlaufen zu sehen. Die Regierung in Yeddo hat es nicht verstanden, die ungeheuren Hülfsmittel, welche Jahre lang ihr allein aus dem fremden Handel zuflossen, mit Einsicht zu benutzen. Sie kaufte Kanonen und Gewehre aller Kaliber und Modelle, steckte ganze Regimenter in halb-europäische Uniform, sorgte aber nicht für deren militärische Ausbildung. Sie erstand Dampfboote zu enormen Preisen, darunter ausgezeichnete Schiffe; statt aber fremde Maschi- nisten oder tüchtige japanische Ingenieure zu besolden, begnügte man sich, Zettel mit Namen an die Maschinentheile zu kleben und Beamte dabei anzustellen, die einmal ein Buch über Dampf- maschinen gelesen hatten. In Folge dessen sprangen in vielen Dampfern die Kessel, die Maschinen gingen zu Grunde, und wohl zwei Drittheile der ganzen Zahl wurden völlig unbrauchbar. Die in diesen Blättern oft gerühmte japanische Tüchtigkeit scheint der Regierungsparthei völlig abhanden gekommen zu sein; ihre zahl- reiche Armee stand bei Osaka dem Gegner wohlgerüstet gegenüber, verstand aber nicht, ihre Waffen zu brauchen. Die Haltungslosig- keit, Ueberhebung und der ohnmächtige Eigensinn der Beamten lassen die Hoffnung immer mehr schwinden, dass der inneren Zer- rüttung ein Ziel gesetzt werde; selbst eine Veränderung auf dem Thron kann die Krisis höchstens verschieben. Das System ist seiner Voraussetzungen, seiner nothwendigsten Grundlagen beraubt,
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Machtentfaltung des Taïkūn. Anh. II.
Feindes gegenüber stärker gerüstet haben. Der Winter verging aber
ohne kriegerische Ereignisse.
Am 9. Juni 1865 brach eine Armee von hunderttausend Mann
mit zahlreichen gezogenen Geschützen amerikanischer und franzö-
sischer Arbeit von Yeddo auf. Die Truppen, meist junge eben aus-
gehobene Bauern, waren grossentheils europäisch mit Hosen und
Schuhen angethan und mit gezogenen Gewehren bewaffnet. Der
Taïkūn ging mit ihnen nach Osaka, dem Gerüchte nach auf längere
Zeit. Die Bauarbeiten am neuen Palast in Yeddo stockten; viele
angesehene Kaufleute siedelten von da nach Osaka über, und die
Geschäftsstille machte sich auch in Yokuhama fühlbar. Von Erfolgen
der Armee erfuhr man niemals etwas; sie scheint noch im Anfang
dieses Jahres unthätig zwisches Miako und Osaka gestanden, keinen
Angriff gewagt zu haben. Man hörte von einer entdeckten Ver-
schwörung gegen das Leben des Taïkūn, dessen Regierung sich
aufzulösen drohte; es fehlte an Führung, an Organisation und
Mitteln; man erwartete in Yokuhama, die Armee auseinanderlaufen
zu sehen. Die Regierung in Yeddo hat es nicht verstanden, die
ungeheuren Hülfsmittel, welche Jahre lang ihr allein aus dem
fremden Handel zuflossen, mit Einsicht zu benutzen. Sie kaufte
Kanonen und Gewehre aller Kaliber und Modelle, steckte ganze
Regimenter in halb-europäische Uniform, sorgte aber nicht für
deren militärische Ausbildung. Sie erstand Dampfboote zu enormen
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nisten oder tüchtige japanische Ingenieure zu besolden, begnügte
man sich, Zettel mit Namen an die Maschinentheile zu kleben
und Beamte dabei anzustellen, die einmal ein Buch über Dampf-
maschinen gelesen hatten. In Folge dessen sprangen in vielen
Dampfern die Kessel, die Maschinen gingen zu Grunde, und wohl
zwei Drittheile der ganzen Zahl wurden völlig unbrauchbar. Die
in diesen Blättern oft gerühmte japanische Tüchtigkeit scheint der
Regierungsparthei völlig abhanden gekommen zu sein; ihre zahl-
reiche Armee stand bei Osaka dem Gegner wohlgerüstet gegenüber,
verstand aber nicht, ihre Waffen zu brauchen. Die Haltungslosig-
keit, Ueberhebung und der ohnmächtige Eigensinn der Beamten
lassen die Hoffnung immer mehr schwinden, dass der inneren Zer-
rüttung ein Ziel gesetzt werde; selbst eine Veränderung auf dem
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/372>, abgerufen am 25.11.2024.
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