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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Anh. II. Politik der japanischen Partheien.
auf das Intriguen-Gewebe der Partheien und die zweideutige Poli-
tik der Regierung. Dass der Fürst von Nangato jemals aufrichtig
die Vertreibung der Fremden wünschte, wie er behauptet, ist nach
seinem späteren Verhalten sehr zweifelhaft. Jedenfalls conspirirte
er wohl mit dem Prinzen von Mito, um der Regierung Verlegen-
heiten zu bereiten. Das Auftreten seiner Trabanten in Miako im
October 1863, die vorhergehende Aufforderung zur Reise und die
Absendung der militärischen Bedeckung schmecken trotz allen
dunkelen Redensarten sehr nach einem Gelüst, sich der Person
des Mikado zu bemächtigen, -- wofür die damals nach Yokuhama
gelangenden Gerüchte sie auch ausgaben. Die Notification des
Verbannungsdecretes am 24. Juni 1863, welche am Tage der güt-
lichen Beilegung des Conflictes wie aus heiterster Luft auf die
Diplomaten herabfiel, sowie die Beschiessung des Pembroke an
demselben Tage erklären sich nun aus der Fixirung des Termines,
welchen auch die Regierung formell wenigstens einhalten zu
müssen glaubte. Die Willensäusserung des Mikado hatte damals
grosses Gewicht, weil die Kriegsmacht des Fürsten von Nangato
hinter ihm stand und der Einfluss der Parthei Mito im Steigen
war. Diese arbeiteten mit dem Erbkaiser vereint auf Krieg mit
dem Auslande hin, wozu es im Juni 1863 wahrscheinlich gekommen
wäre, wenn nicht noch im letzten Augenblicke Ongasavara und
seine conservativen Freunde ihr Uebergewicht im Reichsrathe gel-
tend machten. Nun hatte die Lage sich völlig geändert: der Fürst
von Nangato, der vielleicht auch dem Vice-Siogun gefährlich war,
stand in Miako schon seit October 1863 nicht mehr in Gnaden;
die Macht des Ftutsbasi stieg noch eine Weile, unterlag aber in
dem Augenblick, als sie mit Umsturz des Thrones drohte. Seit
August 1864 ist dieser Fürst aus der Geschichte verschwunden;26)
der Einfluss der Parthei Mito wurde wahrscheinlich durch Besei-
tigung seiner Anhänger in Yeddo und den Feldzug in das Yamatto
völlig gebrochen. -- Dann das gewaltsame Unternehmen Nangato's
gegen Miako, wo seine Truppen unter dem Erbprinzen während
der Katastrophe von Simonoseki noch engagirt gewesen sein müssen.
Die Regierung sah sich plötzlich in der günstigsten Lage: ihr

26) Wenigstens nach dem Material, das dem Verfasser vorliegt. Bei der Un-
vollständigkeit der japanischen Nachrichten und nach der Analogie der Geschichte
kann man immer vermuthen, dass er am Hofe des Mikado wirkt oder im Geheimen
Kriegsmacht sammelt, und plötzlich wieder auftauchen wird.

Anh. II. Politik der japanischen Partheien.
auf das Intriguen-Gewebe der Partheien und die zweideutige Poli-
tik der Regierung. Dass der Fürst von Naṅgato jemals aufrichtig
die Vertreibung der Fremden wünschte, wie er behauptet, ist nach
seinem späteren Verhalten sehr zweifelhaft. Jedenfalls conspirirte
er wohl mit dem Prinzen von Mito, um der Regierung Verlegen-
heiten zu bereiten. Das Auftreten seiner Trabanten in Miako im
October 1863, die vorhergehende Aufforderung zur Reise und die
Absendung der militärischen Bedeckung schmecken trotz allen
dunkelen Redensarten sehr nach einem Gelüst, sich der Person
des Mikado zu bemächtigen, — wofür die damals nach Yokuhama
gelangenden Gerüchte sie auch ausgaben. Die Notification des
Verbannungsdecretes am 24. Juni 1863, welche am Tage der güt-
lichen Beilegung des Conflictes wie aus heiterster Luft auf die
Diplomaten herabfiel, sowie die Beschiessung des Pembroke an
demselben Tage erklären sich nun aus der Fixirung des Termines,
welchen auch die Regierung formell wenigstens einhalten zu
müssen glaubte. Die Willensäusserung des Mikado hatte damals
grosses Gewicht, weil die Kriegsmacht des Fürsten von Naṅgato
hinter ihm stand und der Einfluss der Parthei Mito im Steigen
war. Diese arbeiteten mit dem Erbkaiser vereint auf Krieg mit
dem Auslande hin, wozu es im Juni 1863 wahrscheinlich gekommen
wäre, wenn nicht noch im letzten Augenblicke Ongasavara und
seine conservativen Freunde ihr Uebergewicht im Reichsrathe gel-
tend machten. Nun hatte die Lage sich völlig geändert: der Fürst
von Naṅgato, der vielleicht auch dem Vice-Siogun gefährlich war,
stand in Miako schon seit October 1863 nicht mehr in Gnaden;
die Macht des Ftutsbaši stieg noch eine Weile, unterlag aber in
dem Augenblick, als sie mit Umsturz des Thrones drohte. Seit
August 1864 ist dieser Fürst aus der Geschichte verschwunden;26)
der Einfluss der Parthei Mito wurde wahrscheinlich durch Besei-
tigung seiner Anhänger in Yeddo und den Feldzug in das Yamatto
völlig gebrochen. — Dann das gewaltsame Unternehmen Naṅgato’s
gegen Miako, wo seine Truppen unter dem Erbprinzen während
der Katastrophe von Simonoseki noch engagirt gewesen sein müssen.
Die Regierung sah sich plötzlich in der günstigsten Lage: ihr

26) Wenigstens nach dem Material, das dem Verfasser vorliegt. Bei der Un-
vollständigkeit der japanischen Nachrichten und nach der Analogie der Geschichte
kann man immer vermuthen, dass er am Hofe des Mikado wirkt oder im Geheimen
Kriegsmacht sammelt, und plötzlich wieder auftauchen wird.
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[347/0367] Anh. II. Politik der japanischen Partheien. auf das Intriguen-Gewebe der Partheien und die zweideutige Poli- tik der Regierung. Dass der Fürst von Naṅgato jemals aufrichtig die Vertreibung der Fremden wünschte, wie er behauptet, ist nach seinem späteren Verhalten sehr zweifelhaft. Jedenfalls conspirirte er wohl mit dem Prinzen von Mito, um der Regierung Verlegen- heiten zu bereiten. Das Auftreten seiner Trabanten in Miako im October 1863, die vorhergehende Aufforderung zur Reise und die Absendung der militärischen Bedeckung schmecken trotz allen dunkelen Redensarten sehr nach einem Gelüst, sich der Person des Mikado zu bemächtigen, — wofür die damals nach Yokuhama gelangenden Gerüchte sie auch ausgaben. Die Notification des Verbannungsdecretes am 24. Juni 1863, welche am Tage der güt- lichen Beilegung des Conflictes wie aus heiterster Luft auf die Diplomaten herabfiel, sowie die Beschiessung des Pembroke an demselben Tage erklären sich nun aus der Fixirung des Termines, welchen auch die Regierung formell wenigstens einhalten zu müssen glaubte. Die Willensäusserung des Mikado hatte damals grosses Gewicht, weil die Kriegsmacht des Fürsten von Naṅgato hinter ihm stand und der Einfluss der Parthei Mito im Steigen war. Diese arbeiteten mit dem Erbkaiser vereint auf Krieg mit dem Auslande hin, wozu es im Juni 1863 wahrscheinlich gekommen wäre, wenn nicht noch im letzten Augenblicke Ongasavara und seine conservativen Freunde ihr Uebergewicht im Reichsrathe gel- tend machten. Nun hatte die Lage sich völlig geändert: der Fürst von Naṅgato, der vielleicht auch dem Vice-Siogun gefährlich war, stand in Miako schon seit October 1863 nicht mehr in Gnaden; die Macht des Ftutsbaši stieg noch eine Weile, unterlag aber in dem Augenblick, als sie mit Umsturz des Thrones drohte. Seit August 1864 ist dieser Fürst aus der Geschichte verschwunden; 26) der Einfluss der Parthei Mito wurde wahrscheinlich durch Besei- tigung seiner Anhänger in Yeddo und den Feldzug in das Yamatto völlig gebrochen. — Dann das gewaltsame Unternehmen Naṅgato’s gegen Miako, wo seine Truppen unter dem Erbprinzen während der Katastrophe von Simonoseki noch engagirt gewesen sein müssen. Die Regierung sah sich plötzlich in der günstigsten Lage: ihr 26) Wenigstens nach dem Material, das dem Verfasser vorliegt. Bei der Un- vollständigkeit der japanischen Nachrichten und nach der Analogie der Geschichte kann man immer vermuthen, dass er am Hofe des Mikado wirkt oder im Geheimen Kriegsmacht sammelt, und plötzlich wieder auftauchen wird.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/367>, abgerufen am 24.11.2024.