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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Anh. II. Manifest des Taikun.

Bei Gelegenheit einiger vom Mikado verlangten Er-
klärungen, die missverstanden wurden, haben mehrere
Würdenträger aus ihrem Range heraustreten wollen, und
sind, das Herz des Mikado missdeutend, über dessen
Absichten hinausgegangen. Sie haben nicht nur meine
Klugheit verkannt, die sie Verrath und Feigheit nannten,
sondern auch meine Person angreifen wollen, und dadurch
gezeigt, dass sie nicht von Eifer gegen die Fremden,
sondern von bösartigem Ehrgeiz getrieben werden.

Man hat selbst Lonine in das Spiel bringen wollen.
Es ist nicht genug an der guten Sache, auch die Mittel
müssen ehrenhaft sein. Wenn ein Daimio, ohne sich mit
der Regierung zu verständigen, die Fremden angreift,
wirft er sich nicht selbst zum Herrscher auf? Um wie
vielmehr nicht solche Leute, die keinen Herrn haben und
auf sich selbst angewiesen sind!

Wer die Sache so übereilen will, darf sich keiner
Vaterlandsliebe rühmen. Wenn Matsdaira Yamatto-no-
kami
, -- statt heftige Männer in das Gorodzio zu berufen
und sich aus ihnen eine Majorität zur Beschleunigung von
Angelegenheiten zu bilden, welche Zeit und Umstände
allein zur Reife bringen können, -- uns geholfen hätte
die Gemüther zu besänftigen, so wären alle diese Auf-
regungen vermieden worden. Aber das Volk möge sich
beruhigen, sein Murren kann die Schwierigkeiten nur er-
höhen. Es ist ein Irrthum, alles Elend des Landes auf
die Zulassung der Fremden zu schieben. Man gleicht
dadurch einem Kranken, der, an allen Gliedern leidend,
die Schuld auf ein Sandkorn schieben wollte, das ihn am
Fusse gedrückt hat.

Glaubet nicht denen, die euch sagen, ich sei nicht
einer Meinung mit dem Mikado. Wir haben immer das-
selbe Gefühl gehabt, wenn wir auch, verschieden über die
Lage der Dinge unterrichtet, zuweilen verschieden geurtheilt
haben.

Die Bauern sollen auf ihre Felder, die Handwerker
an ihre Arbeit, der Kaufmann zu seinem Geschäft zurück-
kehren. Neue Beamten werden mit Weisheit regieren.
Mögen Diejenigen, welche die tragischen Scenen aus dem

Anh. II. Manifest des Taïkūn.

Bei Gelegenheit einiger vom Mikado verlangten Er-
klärungen, die missverstanden wurden, haben mehrere
Würdenträger aus ihrem Range heraustreten wollen, und
sind, das Herz des Mikado missdeutend, über dessen
Absichten hinausgegangen. Sie haben nicht nur meine
Klugheit verkannt, die sie Verrath und Feigheit nannten,
sondern auch meine Person angreifen wollen, und dadurch
gezeigt, dass sie nicht von Eifer gegen die Fremden,
sondern von bösartigem Ehrgeiz getrieben werden.

Man hat selbst Lonine in das Spiel bringen wollen.
Es ist nicht genug an der guten Sache, auch die Mittel
müssen ehrenhaft sein. Wenn ein Daïmio, ohne sich mit
der Regierung zu verständigen, die Fremden angreift,
wirft er sich nicht selbst zum Herrscher auf? Um wie
vielmehr nicht solche Leute, die keinen Herrn haben und
auf sich selbst angewiesen sind!

Wer die Sache so übereilen will, darf sich keiner
Vaterlandsliebe rühmen. Wenn Matsdaïra Yamatto-no-
kami
, — statt heftige Männer in das Gorodžio zu berufen
und sich aus ihnen eine Majorität zur Beschleunigung von
Angelegenheiten zu bilden, welche Zeit und Umstände
allein zur Reife bringen können, — uns geholfen hätte
die Gemüther zu besänftigen, so wären alle diese Auf-
regungen vermieden worden. Aber das Volk möge sich
beruhigen, sein Murren kann die Schwierigkeiten nur er-
höhen. Es ist ein Irrthum, alles Elend des Landes auf
die Zulassung der Fremden zu schieben. Man gleicht
dadurch einem Kranken, der, an allen Gliedern leidend,
die Schuld auf ein Sandkorn schieben wollte, das ihn am
Fusse gedrückt hat.

Glaubet nicht denen, die euch sagen, ich sei nicht
einer Meinung mit dem Mikado. Wir haben immer das-
selbe Gefühl gehabt, wenn wir auch, verschieden über die
Lage der Dinge unterrichtet, zuweilen verschieden geurtheilt
haben.

Die Bauern sollen auf ihre Felder, die Handwerker
an ihre Arbeit, der Kaufmann zu seinem Geschäft zurück-
kehren. Neue Beamten werden mit Weisheit regieren.
Mögen Diejenigen, welche die tragischen Scenen aus dem

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[331/0351] Anh. II. Manifest des Taïkūn. Bei Gelegenheit einiger vom Mikado verlangten Er- klärungen, die missverstanden wurden, haben mehrere Würdenträger aus ihrem Range heraustreten wollen, und sind, das Herz des Mikado missdeutend, über dessen Absichten hinausgegangen. Sie haben nicht nur meine Klugheit verkannt, die sie Verrath und Feigheit nannten, sondern auch meine Person angreifen wollen, und dadurch gezeigt, dass sie nicht von Eifer gegen die Fremden, sondern von bösartigem Ehrgeiz getrieben werden. Man hat selbst Lonine in das Spiel bringen wollen. Es ist nicht genug an der guten Sache, auch die Mittel müssen ehrenhaft sein. Wenn ein Daïmio, ohne sich mit der Regierung zu verständigen, die Fremden angreift, wirft er sich nicht selbst zum Herrscher auf? Um wie vielmehr nicht solche Leute, die keinen Herrn haben und auf sich selbst angewiesen sind! Wer die Sache so übereilen will, darf sich keiner Vaterlandsliebe rühmen. Wenn Matsdaïra Yamatto-no- kami, — statt heftige Männer in das Gorodžio zu berufen und sich aus ihnen eine Majorität zur Beschleunigung von Angelegenheiten zu bilden, welche Zeit und Umstände allein zur Reife bringen können, — uns geholfen hätte die Gemüther zu besänftigen, so wären alle diese Auf- regungen vermieden worden. Aber das Volk möge sich beruhigen, sein Murren kann die Schwierigkeiten nur er- höhen. Es ist ein Irrthum, alles Elend des Landes auf die Zulassung der Fremden zu schieben. Man gleicht dadurch einem Kranken, der, an allen Gliedern leidend, die Schuld auf ein Sandkorn schieben wollte, das ihn am Fusse gedrückt hat. Glaubet nicht denen, die euch sagen, ich sei nicht einer Meinung mit dem Mikado. Wir haben immer das- selbe Gefühl gehabt, wenn wir auch, verschieden über die Lage der Dinge unterrichtet, zuweilen verschieden geurtheilt haben. Die Bauern sollen auf ihre Felder, die Handwerker an ihre Arbeit, der Kaufmann zu seinem Geschäft zurück- kehren. Neue Beamten werden mit Weisheit regieren. Mögen Diejenigen, welche die tragischen Scenen aus dem

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/351>, abgerufen am 22.11.2024.