dessen Aechheit wahrscheinlich ist, wirft einiges Licht auf den Charakter dieser Umwälzung.
Unser Herz ist bewegt von der Angst und dem Schrecken des Volkes; wir können nicht sagen, dass dessen Besorg- nisse grundlos gewesen wären. Wenn die Götter nicht Japan beschützten, so wäre Yeddo niedergebrannt und seine Bevölkerung zerstreut worden. Möge die Leichtig- keit, mit der wir der Gefahr entgangen sind, das Volk für zukünftige Gefahren mit Vertrauen erfüllen.
Seitdem der Himmel und der Mikado mir die Herr- schaft anvertraut, was habe ich nicht gethan, um Alle zufrieden zu stellen! Habe ich nicht die Reisen der Daimio's erleichtert und seltener gemacht? Habe ich nicht das Bei- spiel der Sparsamkeit gegeben? Habe ich nicht in weniger als zwölf Monaten zwei Reisen nach Kioto22) gemacht, um mich mit dem Mikado und den Daimio's über die Mittel zu verständigen, Japan stark und glücklich zu machen!
Die Vernunft gebot, dass man meine Bemühungen, meine Sorgen um das Wohl des Landes berücksichtigte. Wenn die gewaltsame Vertreibung der Fremden so leicht wäre, warum sollte ich sie nicht unternehmen, statt mich Beunruhigungen aller Art auszusetzen? Man ruft immer die Machtvollkommenheit des Mikado an, aber diese Machtvollkommenheit ist nur eine bedingte. Der Mikado hat nicht vergessen, dass meine Vorfahren einst die Frem- den aus dem Lande gejagt und deren Freunde gegen den Willen einer grossen Zahl von Daimio's ausgerottet haben. Der Mikado will nicht das Elend des Landes; man hat seinen Verstand durch Lügen irre leiten können, aber niemals sein grosses Herz.
Die Hoffnung schien berechtigt, dass meine Rückkehr nach Yeddo die Mitglieder des Gorodzio einigen, dass ich durch sie gegen unverständige Gelüste und Zumuthun- gen unterstützt werden würde. Im Gegentheil war meine Rückkehr der Vorwand eines grossen Uebels, welches ränkesüchtigen Menschen Schwächen und Gefahren ent- deckt.
22) Der gewöhnliche Name für Miako.
Manifest des Taïkūn. Anh. II.
dessen Aechheit wahrscheinlich ist, wirft einiges Licht auf den Charakter dieser Umwälzung.
Unser Herz ist bewegt von der Angst und dem Schrecken des Volkes; wir können nicht sagen, dass dessen Besorg- nisse grundlos gewesen wären. Wenn die Götter nicht Japan beschützten, so wäre Yeddo niedergebrannt und seine Bevölkerung zerstreut worden. Möge die Leichtig- keit, mit der wir der Gefahr entgangen sind, das Volk für zukünftige Gefahren mit Vertrauen erfüllen.
Seitdem der Himmel und der Mikado mir die Herr- schaft anvertraut, was habe ich nicht gethan, um Alle zufrieden zu stellen! Habe ich nicht die Reisen der Daïmio’s erleichtert und seltener gemacht? Habe ich nicht das Bei- spiel der Sparsamkeit gegeben? Habe ich nicht in weniger als zwölf Monaten zwei Reisen nach Kioto22) gemacht, um mich mit dem Mikado und den Daïmio’s über die Mittel zu verständigen, Japan stark und glücklich zu machen!
Die Vernunft gebot, dass man meine Bemühungen, meine Sorgen um das Wohl des Landes berücksichtigte. Wenn die gewaltsame Vertreibung der Fremden so leicht wäre, warum sollte ich sie nicht unternehmen, statt mich Beunruhigungen aller Art auszusetzen? Man ruft immer die Machtvollkommenheit des Mikado an, aber diese Machtvollkommenheit ist nur eine bedingte. Der Mikado hat nicht vergessen, dass meine Vorfahren einst die Frem- den aus dem Lande gejagt und deren Freunde gegen den Willen einer grossen Zahl von Daïmio’s ausgerottet haben. Der Mikado will nicht das Elend des Landes; man hat seinen Verstand durch Lügen irre leiten können, aber niemals sein grosses Herz.
Die Hoffnung schien berechtigt, dass meine Rückkehr nach Yeddo die Mitglieder des Gorodžio einigen, dass ich durch sie gegen unverständige Gelüste und Zumuthun- gen unterstützt werden würde. Im Gegentheil war meine Rückkehr der Vorwand eines grossen Uebels, welches ränkesüchtigen Menschen Schwächen und Gefahren ent- deckt.
22) Der gewöhnliche Name für Miako.
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Unser Herz ist bewegt von der Angst und dem Schrecken
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nisse grundlos gewesen wären. Wenn die Götter nicht
Japan beschützten, so wäre Yeddo niedergebrannt und
seine Bevölkerung zerstreut worden. Möge die Leichtig-
keit, mit der wir der Gefahr entgangen sind, das Volk
für zukünftige Gefahren mit Vertrauen erfüllen.
Seitdem der Himmel und der Mikado mir die Herr-
schaft anvertraut, was habe ich nicht gethan, um Alle
zufrieden zu stellen! Habe ich nicht die Reisen der Daïmio’s
erleichtert und seltener gemacht? Habe ich nicht das Bei-
spiel der Sparsamkeit gegeben? Habe ich nicht in weniger
als zwölf Monaten zwei Reisen nach Kioto 22) gemacht,
um mich mit dem Mikado und den Daïmio’s über die
Mittel zu verständigen, Japan stark und glücklich zu
machen!
Die Vernunft gebot, dass man meine Bemühungen,
meine Sorgen um das Wohl des Landes berücksichtigte.
Wenn die gewaltsame Vertreibung der Fremden so leicht
wäre, warum sollte ich sie nicht unternehmen, statt mich
Beunruhigungen aller Art auszusetzen? Man ruft immer
die Machtvollkommenheit des Mikado an, aber diese
Machtvollkommenheit ist nur eine bedingte. Der Mikado
hat nicht vergessen, dass meine Vorfahren einst die Frem-
den aus dem Lande gejagt und deren Freunde gegen den
Willen einer grossen Zahl von Daïmio’s ausgerottet haben.
Der Mikado will nicht das Elend des Landes; man hat
seinen Verstand durch Lügen irre leiten können, aber
niemals sein grosses Herz.
Die Hoffnung schien berechtigt, dass meine Rückkehr
nach Yeddo die Mitglieder des Gorodžio einigen, dass
ich durch sie gegen unverständige Gelüste und Zumuthun-
gen unterstützt werden würde. Im Gegentheil war meine
Rückkehr der Vorwand eines grossen Uebels, welches
ränkesüchtigen Menschen Schwächen und Gefahren ent-
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22) Der gewöhnliche Name für Miako.
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/350>, abgerufen am 16.02.2025.
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